Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten. Holger Dahl
keinesfalls vollständig gerecht wird. Der hier getätigte Versuch der Kategorisierung des wirtschaftlichen Nachteils in drei Dimensionen sowie daraus abgeleitete Determinanten der Höhe des Nachteilsausgleichs kann und soll dementsprechend als stützendes Konstrukt gesehen werden. Es bedarf jedoch in jedem Fall der betriebsindividuellen Gewichtung einer Vielzahl von Faktoren, der Bewertung der regionalen, wirtschaftlichen und individuellen Ausgangslagen und Perspektiven sowie der Beachtung betriebs-, unternehmens- oder konzern- und brancheninterner Interdependenzen zur Ermittlung eines Gesamtbildes. Nicht zuletzt befasst sich dieser Beitrag mit den betriebsverfassungsrechtlichen Grundsätzen des Nachteilsausgleichs und geht nicht auf andere Aspekte der Bewertung und Durchsetzung von möglichen Nachteilsausgleichen ein, die für Betriebsratsgremien und betroffene Beschäftigte von hoher Bedeutung sein können. Hier sei exemplarisch auf gewerkschaftliche bzw. tarifliche Instrumente von Nachteilsausgleichsregelungen in Form von Tarifsozialplänen/Sozialtarifverträgen hingewiesen. Detailliertere Ausführungen zu diesem Komplex erfolgen jedoch an anderer Stelle dieses Bandes.
1 Vgl. BAG, 24.8.2004 – 1 ABR 23/03. 2 Vgl. etwa BAG, 12.4.2011 – 1 AZR 505/09; BAG 9.12.2014 – 1 AZR 102/13. 3 Vgl. BAG, GS 13.12.1978 – GS 1/77. 4 Das schließt natürlich die Möglichkeit nicht aus, dass die zuständigen Betriebsräte die Verhandlungen über einen Sozialplan auf die Ebene des Gesamtbetriebsrats delegieren. 5 Statistikseite der Bundesagentur für Arbeit vom 7.3.2020: https://statistik.arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Statistische-Analysen/Interaktive-Visualisierung/LZA-Risiko/Generische-Publikationen/LZA-Risiko.xlsm. 6 Abrufbar unter www.destatis.de. 7 Abrufbar unter www.boeckler.de. 8 BAG, 6.5.2003 – 1 ABR 11/02. 9 BAG, 7.10.1987 – 1 ABR 9/86. 10 § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BetrVG. 11 BAG, 17.10.1989 – 1 ABR 80/88. 12 Wenning-Morgenthaler, Die Einigungsstelle, 6. Aufl. 2013, Rn. 1195. 13 BAG, 6.5.2003 – 1 ABR 11/02. 14 Vgl. Wenning-Morgenthaler, Die Einigungsstelle, Rn. 1197. 15 Dies jedenfalls insoweit, als dass durch die Sozialplandotierung nicht die Gesellschafter bzw. die Konzernobergesellschaft in wirtschaftliche Existenznot gerät. 16 Lediglich im Insolvenzsozialplan ist dies durch die Bestimmungen des § 123 InsO die vordefinierte Herangehensweise. 17 Lesehilfe: Die Symbole in den jeweiligen Tabellenfeldern stellen die Tendenz der Beeinflussung der Höhe des wirtschaftlichen Nachteilsausgleichs dar. D.h. ein + bedeutet tendenziell je höher/stärker/besser die in diesem Feld dargestellten Merkmale sind, desto höher muss der wirtschaftliche Nachteilsausgleich sein, ein umgekehrt proportionaler Zusammenhang besteht in den Feldern, die mit – gekennzeichnet sind (z.B. je besser die wirtschaftliche Situation des Unternehmens, desto höher kann der Nachteilsausgleich sein, oder je besser die betriebliche oder regionale Arbeitsmarktsituation, desto geringer kann der Nachteilsausgleich sein). 18 Siehe § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 2a BetrVG. 19 Mit Eintritt in eine Transfergesellschaft unterschreibt der/die Arbeitnehmer/Arbeitnehmerin neben dem befristeten Einstellungsvertrag beim Transferanbieter auch einen Aufhebungsvertrag beim bisherigen Arbeitgeber, sodass etwaige Kündigungsschutzklagen de facto nicht mehr möglich bzw. erfolgversprechend sind. Dieses Argument soll den Betriebsrat nicht von der Einrichtung einer (durchaus begrüßenswerten) Transfergesellschaft abhalten, jedoch in der Diskussion über mögliche Auswirkungen der Einrichtung von Transfergesellschaften auf die Sozialplanhöhe unterstützen.
III. Planung einer internationalen Restrukturierung
1. Einleitung
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Während Restrukturierungen rein nationaler Natur bereits sehr komplex sind, stellt eine internationale Restrukturierung für die meisten Unternehmen eine noch größere Herausforderung dar. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Restrukturierungsmaßnahme nicht nur gesellschafts- bzw. gruppenintern, sondern auch durch Einbindung einer dritten Partei, z.B. Finanzinvestoren, erfolgt. In diesen Konstellationen muss die Restrukturierungsmaßnahme vor ihrer Umsetzung zusätzlich mit dem neuen Vertragspartner verhandelt werden.
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Der Begriff der Restrukturierung ist weit und umfasst sowohl die gesellschaftsrechtliche als auch die rein arbeitsrechtliche Ebene sowie zusätzlich eine Zwischenebene als Schnittstelle zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht.1 Auf der gesellschaftsrechtlichen Ebene geht es üblicherweise um den Austausch eines oder mehrerer Gesellschafter, z.B. durch einen Anteilskaufvertrag, einen sog. Share Deal. Ein Share Deal wirkt sich in der Regel arbeitsrechtlich kaum aus, insbesondere wenn nur eine Minderheitsbeteiligung verkauft wird, was oftmals bei Beteiligungen durch Finanzinvestoren der Fall ist. Die arbeitsrechtliche Ebene einer Restrukturierung kommt dagegen dann voll zum Tragen, wenn es um Vorgänge geht, die sich auf der Ebene des Betriebs als arbeitstechnischer Organisationseinheit ereignen und im Gegenzug die Eigentumsverhältnisse des Unternehmens unberührt lassen.2 Auf der Zwischenebene werden sowohl Änderungen auf der gesellschaftsrechtlichen als auch auf der arbeitsrechtlichen Ebene erfasst.3
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Dieser Beitrag behandelt die im Rahmen einer sich auf der arbeitsrechtlichen Ebene abspielenden Restrukturierungsmaßnahme zu beachtenden rechtlichen und praktischen Aspekte. Derartige Restrukturierungsmaßnahmen umfassen insbesondere Organisationsänderungen auf betrieblicher Ebene, wie z.B. Teilungen, Verschmelzungen und Verlegungen von Betrieben und Betriebsteilen sowie Betriebsstilllegungen. Auch die Harmonisierung oder Anpassung von Arbeitsbedingungen kann Folge einer Restrukturierung sein. Im Fokus des Beitrags werden insbesondere die Beteiligungsrechte von Arbeitnehmervertretungen liegen, spielen diese doch für die erfolgreiche Umsetzung von Restrukturierungsmaßnahmen regelmäßig eine große Rolle. Ein weiterer Schwerpunkt wird auf dem Thema Personalabbau einschließlich Massenentlassungen liegen. Gerade weltweit agierende Unternehmen sind aufgrund des schnellen Wandels in Wirtschaft und Technik, der den Einsatz von Mitarbeitern teilweise obsolet macht, von Personalabbaumaßnahmen betroffen. Doch auch die aktuelle politische und gesellschaftliche Lage, wie z.B. der Brexit, verschärft derzeit die Notwendigkeit von erheblichen betrieblichen Veränderungen. Darüber hinaus hat die im Frühjahr 2020 bereits seit Wochen anhaltende Covid-19-Pandemie eine weltweite Wirtschaftskrise ausgelöst. Versuchen viele Unternehmen in Europa derzeit noch, einen größeren Stellenabbau durch Maßnahmen wie Kurzarbeit (z.B. in Deutschland) oder ähnliche Instrumente vorübergehend abzuwenden, ist für die zweite Jahreshälfte mit einer Restrukturierungs- und Insolvenzwelle zu rechnen, die in Teilen auch einen Personalabbau unausweichlich machen wird.
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Detailliert eingegangen wird im Folgenden ferner auf die praktische Umsetzung einer internationalen Restrukturierung, einschließlich aller ihr vorgelagerten praktischen Vorüberlegungen, wie z.B. der Mandatierung eines geeigneten Rechtsberaters sowie der Kommunikation gegenüber den Arbeitnehmern und ihren Arbeitnehmervertretungen. Für viele Unternehmen und Berater, die keine oder wenig Erfahrung auf diesem Gebiet haben, mag eine solche Planung den Eindruck eines unüberschaubaren Vorhabens erwecken.