Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten. Holger Dahl

Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten - Holger Dahl


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durch das Betriebsratsgremium zu bewerten und entsprechende Forderungen in den Beratungen mit dem Arbeitgeber durchzusetzen.

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      Dabei sind verschiedene Aspekte bei der Bemessung eines angemessenen Sozialplanes zu berücksichtigen und somit auch in der Aufstellung einer vertretbaren und begründbaren Forderung im Blick zu behalten sowie betriebs- bzw. fallindividuell anzupassen. Generell sind zwischen populären Höchstforderungen, die vor allem aus den Medien in Form von „goldenen Handschlägen“ bekannt sind, und klassisch niedrig angesetzten Arbeitgeberangeboten realistische Kompromisse zu finden und auszutarieren.

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      Grundlage für die Diskussionen sind die unbestimmten Vorgaben durch Gesetzgeber und Rechtsprechung, die bewusst offengehalten sind und nur grobe Leitplanken setzen: Einerseits darf der Sozialplan keine über den Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile hinausgehenden Leistungen vorsehen. Andererseits verlangt § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, dass der Sozialplan – unter dem Vorbehalt seiner wirtschaftlichen Vertretbarkeit – zumindest so dotiert ist, dass seine Leistungen eine effektive Milderung der wirtschaftlichen Nachteile der Beschäftigten darstellen. Es muss sich um eine im Verhältnis zu den Nachteilen substanzielle, spürbare Entlastung der Beschäftigten handeln.1

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      Zur Berechnung der anzunehmenden wirtschaftlichen Nachteile aus Sicht des Betriebsrats sind dabei mit dem Blick des externen Beraters vor allem drei verschiedene Dimensionen im Blick zu behalten. Diese weisen – schematisch gesehen – eine betriebliche, unternehmerische sowie individuelle Dimension auf und sollen nachfolgend erläutert werden.

       2. Die betriebliche Dimension

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      Dies ist nicht zuletzt auf die Vorgabe des § 112 Abs. 5 BetrVG zur Bemessung des Sozialplanes in einer Einigungsstelle zurückzuführen, wonach die „sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen“ (§ 112 Abs. 5 Satz 1 BetrVG) sind. Darüber hinaus sind nach § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BetrVG beim Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile Leistungen vorzusehen, die den Gegebenheiten des Einzelfalls Rechnung tragen.

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      Unmittelbar einleuchtend ist, dass der wirtschaftliche, in Euro zu bewertende Nachteil von Menschen, die ihren Arbeitsplatz im Umland von wirtschaftsstarken Metropolregionen verlieren, ein anderer ist als für diejenigen, denen dieses Schicksal in eher strukturschwachen Gegenden widerfährt. Wenn nun also ein Unternehmen jeweils einen Betrieb in den beiden genannten Regionen betreibt und an beiden Standorten eine vergleichbare Zahl von Menschen mit vergleichbaren Berufen entlässt, sind die sozialen Belange und wirtschaftlichen Nachteile der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auch die Gegebenheiten des Einzelfalls voraussichtlich alleine aufgrund der geographischen Lage und des damit zusammenhängenden sozioökonomischen Umfeldes deutlich unterschiedlich.

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      Im Lichte dieser grundsätzlichen Aussagen ist dann vom Betriebsrat zunächst der entstehende wirtschaftliche Nachteil für die Beschäftigten durch den Verlust ihres Arbeitsplatzes zu bewerten. Dabei zugrunde zu legen ist das nach Auslaufen der Kündigungsfrist zu erwartende fehlende Entgelt aus dem Arbeitsvertrag inklusive sämtlicher erhaltener Einmalzahlungen und variabler Komponenten sowie zu erwartender Rentennachteile (inkl. Verluste aus nicht mehr bedienter betrieblicher Altersvorsorge). Gegengerechnet werden können diesem Entgeltverlust die möglichen Transferleistungen durch die Arbeitsagentur oder absehbare Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften (Transfergesellschaften). Zusätzlich sind die Aussichten auf eine vergleichbare Anschlussbeschäftigung in absehbarer Zeit ins Kalkül zu ziehen. Letzteres verdeutlicht durch seinen regionalen, räumlichen Bezug die Notwendigkeit der Fokussierung eines Sozialplanes auf die jeweilige betriebliche Perspektive.

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      Weiterhin sollte bei drohenden Arbeitsplatzverlusten für Beschäftigte in tarifgebundenen Betrieben mitbedacht werden, dass eine neue Stelle oft nur in nicht tarifgebundenen Betrieben zu finden ist. Durchschnittlich sind hierbei meist signifikante wirtschaftliche Einbußen, z.B. in Form geringerer Arbeitsentgelte, schlechterer Sozialleistungen oder längerer Arbeitszeiten zu erwarten. Bei einer ganzheitlichen Betrachtung der Thematik ist auch die Frage des höheren Jobverlustrisikos bei einem neuen Arbeitgeber durch Verlust von kündigungsschutzrechtlichem „Besitzstand“, durch Probezeit und Befristungsmöglichkeiten zu berücksichtigen und in die Betrachtung des wirtschaftlichen Nachteils „einzupreisen“.

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