Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten. Holger Dahl

Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten - Holger Dahl


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nur für Großbetriebe mit einer Vielzahl von betroffenen Mitarbeitern anbietet. Dabei bietet sie den Betroffenen durch eine verlängerte Kündigungsfrist sowie das enthaltene Jobfindungsprogramm eine echte Alternative, um nahtlos in einen neuen Job zu wechseln.

       2. Anlass für den Abschluss des Sozialplans

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      Wie bereits vorstehend erwähnt ist deshalb zur Einschätzung der Angemessenheit etwaiger Kosten im Zusammenhang mit einem Sozialplan regelmäßig darauf abzustellen, warum dieser abzuschließen ist.

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      Der Sozialplan ist eine Betriebsvereinbarung besonderer Art, mit der die zu erwartenden wirtschaftlichen Nachteile, die den Mitarbeitern infolge einer Betriebsänderung entstehen, ausgeglichen oder gemildert werden sollen (§ 112 Abs. 1 BetrVG). Eine Betriebsänderung liegt insbesondere bei einer grundlegenden Neuausrichtung, Einschränkung oder Schließung des Betriebs oder wesentlicher Betriebsteile, aber auch bei der Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren, wie beispielsweise der Digitalisierung von Arbeitsschritten, vor.

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      Der Arbeitgeber ist bei Betriebsänderungen verpflichtet, den Betriebsrat „rechtzeitig und umfassend“ in Kenntnis zu setzen, damit entsprechende Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter ergriffen werden können und damit auch über einen Sozialplan abstimmt werden kann. Dabei muss der Arbeitgeber nicht nur die geplanten Änderungen, sondern vielmehr die wirtschaftlichen Nachteile für die betroffenen Mitarbeiter offenlegen. Ist eine Einigung zwischen den Betriebsparteien nicht möglich, so kann der Abschluss eines Sozialplans über eine Einigungsstelle erzwungen werden.

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      Im Rahmen der Umfrage von Eversheds Sutherland stellte sich heraus, dass die Verhandlungen ab Bekanntgabe gegenüber dem Betriebsrat in der Regel ein bis drei Monate angedauert haben. Bei ca. 40 % der befragten Unternehmen waren es drei bis sechs Monate, wohingegen nur bei ca. 15 % diese sogar länger als sechs Monate andauerten. Die Verhandlungsdauer hängt natürlich auch sehr von dem Umfang der geplanten Änderungen, der Betriebsgröße sowie der Anzahl der hiervon betroffenen Mitarbeiter ab.

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      Eine bemerkenswert hohe Anzahl der Umfrageteilnehmer, und zwar 92 % der Befragten, haben im Übrigen Sozialpläne ohne die Anrufung einer Einigungsstelle abgeschlossen. Soweit eine solche aber einberufen werden sollte, musste sie in zwei von drei Fällen gerichtlich festgesetzt werden.

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      Betriebsänderungen sind im Übrigen nicht nur finanziell motiviert. Anlass für Betriebsänderungen können Reaktionen auf außerbetriebliche Ereignisse sein, wie beispielsweise ein Auftrags- bzw. Umsatzrückgang. Aber auch innerbetriebliche Gründe wie Umstrukturierungen und Effizienzsteigerungen können ausschlaggebend sein.

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      Im allgemeinen Verständnis werden Sozialpläne häufig abgeschlossen, um eine wirtschaftliche Schieflage zu überbrücken und damit die Gefahr einer Insolvenz des Unternehmens abzuwenden. Die Umfrage ergab jedoch, dass dies tatsächlich bei weniger als 22 % der befragten Unternehmen der Fall war. Damit zeigt sich, dass ein Sozialplan bei weitem nicht bedeuten muss, dass schwierige Zeiten bevorstehen.

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      Vielmehr lassen die voranschreitende Digitalisierung und technologische Automatisierung auch die Arbeitswelt und die Arbeitsorganisation nicht unberührt. Die Folgen der Veränderung der Arbeitsorganisation durch die Arbeitswelt 4.0 lassen sich derzeit kaum abschätzen.

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      Durch automatisierte Systeme und Prozesse werden Produktionsschritte effizienter gestaltet, sodass immer weniger menschliche Arbeitskraft vonnöten sein wird. Die moderne Forschung wird es sogar in einigen Bereichen ermöglichen, die menschliche Intelligenz in der Zukunft weitgehend durch Künstliche Intelligenz (KI oder auch AI, nach engl. Artificial Intelligence), die Probleme eigenständig bearbeiten kann, zu ersetzen. Bislang notwendige, essenzielle Qualifikationen von Mitarbeitern können bereits durch eine digitalisierte Arbeitsorganisation ihre Bedeutung verlieren; dies kann dazu führen, dass diese nunmehr anderen Anforderungen gerecht werden müssen.

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      Es überrascht daher wenig, dass ein wesentlicher Anteil – immerhin gut 17 % der befragten Unternehmen – angab, dass die Sozialpläne durch die Veränderung der Arbeitswelt infolge von Digitalisierung und Automation veranlasst waren.

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      Daneben war bei mehr als 15 % der Fälle die Gewinnmaximierung maßgeblich für Betriebsänderungen, bei denen ein Sozialplan erforderlich wurde. Schließlich waren auch Maßnahmen zur effizienten Gestaltung der Arbeitsplätze oder deren Outsourcing ausschlaggebend.

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      Anlass und wirtschaftliche Situation (unter Umständen auch von etwaigen verbundenen Konzerngesellschaften) haben somit einen wesentlichen Einfluss auf den Dotierungsrahmen eines Sozialplans.

       3. Leistungen im Sozialplan

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      Der Sozialplan ist eine auf den Einzelfall anzupassende Vereinbarung. Im Folgenden werden in Kürze die Leistungen zusammengefasst, auf die am häufigsten zurückgegriffen wird und was in diesem Zusammenhang üblicherweise bezahlt wird:

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      Der wichtigste Bestandteil des Sozialplans ist regelmäßig die Zahlung einer Abfindung, welche die Mitarbeiter bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes und den damit verbundenen Verdienstmöglichkeiten erhalten.

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      Was viele nicht wissen: Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass Mitarbeitern grundsätzlich eine Abfindung zusteht. Einen solchen Abfindungsanspruch gibt es im deutschen Recht gerade nicht. Geht es um individuelle Kündigungen, ist die Zahlung einer Abfindung vielmehr Verhandlungssache. Im Rahmen einer Betriebsänderung wird eine solche Abfindung aber meist zum Nachteilsausgleich erforderlich sein.

       a) Abfindungen in Sozialplänen

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      Die oftmals als „Regelabfindung“ bezeichnete Formel von 0,5 Bruttomonatsgehältern für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit, welche an den gesetzlich geregelten Abfindungsanspruch bei einer betriebsbedingten Kündigung unter Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage in § 1a Abs. 2 Satz 1 KSchG angelehnt ist, dient allenfalls als Anhaltspunkt und ist bei betriebsbedingten Kündigungen und Haustarifen längst überholt. Dies gilt auch insbesondere im Rahmen von gerichtlichen Vergleichsverhandlungen.

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      Die Betriebsparteien haben bei der Aufstellung eines Sozialplans einen Spielraum für die Bestimmung einer angemessene Abfindungshöhe.

       b) Berechnungsfaktoren

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      Die Betriebsparteien müssen dabei zwar vorrangig die Interessen der betroffenen Mitarbeiter beachten, jedoch weiterhin auch die Unternehmensinteressen im Hinblick auf die verbleibenden Arbeitsplätze abwägen. In der Praxis zeigt sich, dass sich bestimmte Berechnungsmodelle zur Ermittlung der Abfindungshöhe durchgesetzt haben. In den meisten Fällen setzt sich die Formel aus der Dauer der Beschäftigung und dem entsprechenden Bruttomonatsentgelt zusammen.

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      Eine häufige Berechnungsmethode lautet wie folgt:

      Abfindung = Beschäftigungsdauer × Bruttomonatsgehalt × Faktor

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      Der Faktor schwankt laut Umfrage stark in einer Größenordnung von 0,45 bis zu 2,0. Teilweise wurde er fest für alle Betroffenen vorgegeben, teilweise


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