Gaias Garten. Toby Hemenway

Gaias Garten - Toby Hemenway


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eine leckere neue Nahrungsquelle. Wir hatten noch nie zuvor Otter gesehen. Und es kamen nicht nur Otter. Wir hatten andere Raubtiere: Weißkopfseeadler, Habichte, Eulen. Sie räumten auf.« Statt vergeblich zu versuchen, die sich rasch vermehrenden Bisamratten zu beseitigen, hatten sich die Bullocks zurückgelehnt und der Natur die Arbeit überlassen. Die Brüder boten einfach ein reichhaltiges, breit gefächertes Habitat, wo sich ein lebhaftes Nahrungsnetz – das auch Raubtiere beinhaltete – entwickeln und Unausgewogenheiten wie eine Horde hungriger Bisamratten wieder richten konnte.

      Drei ökologische Prinzipien

      Die Bullocks haben ein herrliches Beispiel für ökologisches Gärtnern gebaut, wo Menschen und Wildtiere die Fülle ernten und in Harmonie leben können. Was auf dem Land der Brüder geschah, veranschaulicht mehrere Prinzipien der Ökologie, die Gärtner nutzen können. Die Abfolge von Rohrkolben/Bisamratte/Otter ist ein guter Ausgangspunkt, um drei wichtige und verwandte Konzepte zu betrachten: Nische, Sukzession und Artenreichtum. Ich beginne mit ihnen und gebe im Laufe dieses Kapitels Beispiele anderer ökologischer Ideen, die bei der Gestaltung nachhaltiger Gärten helfen können. Die Ideen auf den nachfolgenden Seiten legen die Grundlage für den ökologischen Garten. Die Beispiele und Techniken im Rest dieses Buches gründen in diesen Prinzipien der Natur.

      Eine Nische finden

      Jahrzehnte bevor die Bullocks eintrafen, war der am tiefsten gelegene Teil ihres Grundstücks eine Au. Ein fleißiger Landwirt hatte den »nutzlosen« Sumpf eingedämmt, entwässert und trockengelegt und dort viele Jahre Feldfrüchte angebaut. Die ökologisch orientierten Bullocks verstanden, dass Auen, abgesehen von ihrer Notwendigkeit für sauberes Wasser und Wildtierlebensraum zu den produktivsten Ökosystemen auf dem Planeten gehören und in denen es vor mehr Pflanzen und Tieren wimmelt als auf jedem Bauernhof. Sie beschlossen, das Feuchtgebiet wiederherzustellen und beseitigten die Dämme und Abflüsse. Im niederen Grund sammelte sich Wasser und bald war die Au wieder da.

      Während die Marsch zurückkehrte, beförderten die Bullocks mit ihrem aus den Fugen platzenden Pick-up unzählige Ladungen an Mulch und Dünger auf ihr Land. Die Brüder schaufelten auch nährstoffreichen Schlamm aus dem Sumpf ans Ufer, um mit organischer Substanz und Nährstoffen Boden aufzubauen. In ein paar Jahren zahlte sich dieser gewaltige Zuwachs an Fruchtbarkeit vielmals aus. Die Bullocks konnten nicht nur mehr Pflanzensorten als zuvor anbauen, sondern opportunistische wilde Arten konnten auch eine Heimat in der verbesserten natürlichen Umgebung finden. Die Kombination aus Wasser und fruchtbarer Erde war unwiderstehlich.

      Zu den ersten neuen Bewohnern gehörten die Rohrkolben. Ihre Samen wurden vielleicht von Wasservögeln zum erneuerten Sumpf gebracht oder lagen jahrelang inaktiv in der Erde, in der Hoffnung auf eine Rückkehr des Feuchtgebiets. Auf jeden Fall profitierten die Rohrkolben vom reifen Habitat und verwandelten Sonnenlicht, Wasser und Sumpfschlamm in schnell wachsende Schösslinge.

      Wo immer es junges Grün gibt, ist jemand da, der es auffrisst – eine Lektion, die Gärtner schnell lernen, wenn Kaninchen, Feldmäuse, Stachelschweine, Waschbären und der ganze Rest über ihr Gemüse herfallen. Sie können sich das als eine Art schreckliches Ergebnis des »Feld der Träume«-Effekts vorstellen: Wenn man es anbaut, kommen sie und fressen es. Doch mit den Begrifflichkeiten eines Ökologen veranschaulicht das die Nische oder Rolle, die jeder Organismus spielt. Durch Schaffung eines Lebensraums eröffneten die Bullocks eine Gelegenheit für das Leben, auf Erkundung zu gehen. So, wie wenn man für eine Rolle in einem neuen Stück vorspricht, kamen Organismen, die für den Job geeignet waren, um diese Nische auszufüllen. Die Nische wäre dann ein Beruf und das Habitat der Arbeitsplatz, um diese Arbeit auszuführen.

      Wenn die natürliche Umgebung vielseitiger wird, entstehen auch mehr Nischen. Die Schaffung eines Lebensraums löst häufig eine Kaskade von Nischen aus, was wir eben im ökologischen Garten erreichen wollen. Der Platz der Bullocks ist ein gutes Beispiel für eine Nischenkaskade. Das fruchtbare Habitat bot eine Nische für die Rohrkolben, die dann eine neue Nahrungsquelle bereitstellte, die rasch von den Bisamratten ausgenutzt wurde – Tiere, die dafür geschaffen sind, junge Pflanzen im Uferbereich zu fressen. Der Opportunismus der Bisamratten führte zu ihrem Aufstieg und Untergang: Sie wurden glücklich von den Rohrkolben fett, doch der geschäftige Hafen der Nagetiere war wie ein Leuchtfeuer für Raubtiere. In den noch wilden San Juan Islands lebten die Otter irgendwo in der Nähe. Die »Buschtrommeln« der Natur sind schnell und wirkungsvoll, und nur ein oder zwei Saisonen später bekamen die Otter Wind von der möglichen Ernte und zogen ein. So wie die Rohrkolben klein angefangen und sich dann zu einer prosperierenden Menge entwickelten hatten und schließlich bis auf ein Überbleibsel abgebissen wurden, so tauchten auch die Bisamratten auf, florierten und stürzten in einem Kreislauf ab, der nun mit dem der Rohrkolben und Otter verzahnt ist.

      Schließlich bildete sich im Land der Bullocks eine gewisse Stabilität aus, doch es fluktuiert hin und wieder, wenn die eine oder andere Art vorübergehend die Oberhand gewinnt und dann wieder auf Linie gebracht wird. Doch an einem Ort, wo zuvor weder Rohrkolben noch Bisamratten oder Raubtiere überleben konnten, gedeihen nun alle drei, weil die Bullocks Lebensraum und Bodennährstoffe zur Verfügung gestellt haben. Die Brüder sorgten für die Anfänge und die Natur übernahm den Rest. Statt ausgelaugtes Ackerland können die Bullocks und ihre Freunde ein grünes Feuchtgebiet mit vielen Arten bewundern, in dem Rohrkolben, Riedgräser, Weiden und Wildblumen rascheln, das voller Heidelbeeren, anderer Früchte und von der Musik der Wasservögel und Frösche erfüllt ist und einen kurzen Blick auf Otter und Adler gestattet.

      Auf der Farm der Bullock-Brüder auf Orcas Island im Bundesstaat Washington wird ein Apfelbaum von Nahrung und Lebensraum bildenden Pflanzen umgeben, die zusammenarbeiten und der Natur und den Menschen nutzen.

      Gärtnern in Sukzession

      In weniger als zehn Jahren machte das Grundstück der Bullock-Brüder den Sprung von einem brombeerüberwucherten Feld zu einem grünen jungen Nahrungswald. Über dem Sumpf, wo sich die Brombeeren in undurchdringlichen Dickichten ausbreiteten, werfen Äste, die voller Pflaumen und Kirschen sind, ihren Halbschatten auf leuchtende Kapuzinerkresseblüten. Nussbäume beschirmen einen Bambushain und Gemüsebeete schlängeln sich bis zum Wald. Die Brüder haben diese reichhaltige Landschaft rasch geschaffen, indem sie lieber mit der Natur als gegen sie arbeiteten. Einige der vielen Techniken, die sie eingesetzt haben, werden sich im Laufe dieses Buches allmählich entfalten, doch zuerst untersuchen wir eine der allumfassenden Strategien, die ihre Arbeit geleitet hat: beschleunigte Sukzession.

      Wenn Pflanzen zuerst nackte Erde kolonisieren – z. B. einen verlassenen Bauernhof – beginnt eine Entwicklung. Bestimmte Arten von einjährigen Gräsern, Kräutern und Blumen sind die erste Flora, die erscheint, und wegen ihrer Neigung zur raschen Besiedlung werden sie Pionierpflanzen genannt. Sie sind gut daran angepasst, sich auf nackter oder gestörter Erde niederzulassen und die florale Leere mit Grün zu bedecken. Pionierpflanzen füllen das pflanzliche Vakuum und bringen die Lebenskreisläufe wieder zum Laufen. Wir kennen die meisten dieser schnell wachsenden Horde als Unkräuter: Fingerhirse, Löwenzahn, Kleiner Sauerampfer, Vielsamiger Gänsefuß, Wegerich, Wegwarte, wilder Lattich und viele andere. Aufgelassene Felder und frische Erde sind ihr Milieu, in dem sie eine Aufgabe zu erledigen haben: die nackte Erde vor erodierendem Regen zu schützen und Nährstoffe von tief im Boden an die Oberfläche zu leiten, wo sie genutzt werden können. Diese rasch wachsenden, kurzlebigen Pioniere bewahren und erneuern die Fruchtbarkeit des gestörten Grundes.

      Falls man diese Unkräuter nicht stört, sind die kurzen, frühen Einjährigen nach ein paar Saisonen von einer Gruppe größerer, überwiegend mehrjähriger Pflanzen in die Enge getrieben und überschattet. In der nördlichen Hälfte der Vereinigten Staaten gehören zu diesen Pflanzen Astern, Weidenröschen, Goldrute, Wolfsmilch, mehrjährige Gräser und viele andere. Das dichte Laub, die verzweigten Stängel und viele Texturen der hohen Unkräuter bieten weitere Nischen, in denen Insekten und Vögel Schutz finden, sich paaren und fressen. Die Menge an lebender Materie, die man Biomasse nennt, wächst, während Nährstoffe und Sonnenlicht angesammelt


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