Gaias Garten. Toby Hemenway

Gaias Garten - Toby Hemenway


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Bodenleben gewinnt Nährstoffe und führt sie erneut den Pflanzen zu, ehe sie weggewaschen werden können. Diese Nährstoffe werden kurz- und langfristig, in stets präsenten Baumstämmen, Kräutern, Flechten, Pilzen, Mulch, Humus und Bodenorganismen gespeichert. Der Wald bildet eine enorme Reserve organischer Substanz und Mineralien. Diese gesamte Biomasse agiert wie ein Sparkonto, wo die Werte des Waldes als Versicherung gegen Dürre, Schädlingsbefall oder andere stresserfüllte Zeiten aufbewahrt und wiederverwertet werden.

      Ein Großteil des Waldes überdauert Jahreszeiten und Jahrzehnte. Jedes Jahr wird nur ein kleiner Teil der Biomasse ersetzt, d. h. nur ein paar Pflanzen und Tiere sterben. Stellen Sie sich vor, wie der größte Teil eines massiven Baumes von Jahr zu Jahr überlebt, während nur seine Blätter und einige wenige Wurzeln absterben. Kontinuität ist die Regel, anders als beim einjährigen Garten. Der größte Teil der Natur bleibt über die wechselnden Jahre hinweg erhalten.

      Was jedes Jahr stirbt, wird innerhalb des Ökosystems mit geringem Verlust recycelt. Fast alle Produkte des Lebens, von den Baumstämmen und Rehknochen bis hinunter zu den Insektenflügeln und Bakterienzellen, können wiederverwendet werden. Die Natur baut auf und ab, löst auf und erneuert mit demselben Material immer und immer wieder, und hinterlässt keine Müll- und Giftdeponien. In der Natur gibt es nicht so etwas wie Abfall. Alles ist Nahrung für etwas anderes, in Leben und Tod mit vielen anderen Arten verbunden.

      Der Wald enthält Hunderte von Pflanzenarten und Tausende Tier- und Mikrobenarten. Biologische Vielfalt ist im Waldland immens, weshalb sich ungezählte Beziehungen bilden können. In ineinandergreifenden Netzen verwoben, nutzen diese Kreaturen fast die gesamte verfügbare Nahrung sowie den gesamten Lebensraum im Wald und lassen nur wenige Nischen, falls überhaupt, für Eindringlinge offen. Diese hypereffiziente Nutzung von Ressourcen bedeutet auch, dass wohl keine einzige Art aus dem Gleichgewicht geraten kann. Was könnte ein neuer Schädling fressen, das nicht bereits von einer besser etablierten Kreatur gefressen wird? Und da sich diese Waldarten gemeinsam entwickelt haben, verfügt jede von ihnen über Abwehrmechanismen – zähe Wachsbeschichtungen, schlecht schmeckende Chemikalien –, um ihre Feinde abzuwehren. Eindringlinge können nur neue Öffnungen ausnutzen, beispielsweise wenn ein Baum umfällt und sich frische nackte Erde öffnet. Doch der Wald schließt sich dann rasch wieder und wird den Eindringling ersticken, es sei denn, die neue Art findet eine ungenutzte, enge Nische und damit ihren Frieden im Netz des Lebens.

      Der Wald ist auch vielfältig an Mustern und Zyklen. Vom offenen Himmel bis zur Erde erstreckt sich die Vegetation in vielen Schichten: hohe Baumkronen, niedrige Bäume, Sträucher, hohe Kräuter, bodendeckende Rosetten und Kriechpflanzen und Ranken, die das gesamte Verbreitungsspektrum abdecken. Inmitten dieser vielgestaltigen natürlichen Umgebung gibt es Hunderte von Nischen für Insekten, Vögel und andere Kreaturen. Die Nahrungsnetze sind komplex, mit Pflanzen, Weidetieren, Raubtieren, Fleischfressern am obersten Ende der Nahrungskette und Zersetzern, die sich in einem abwechslungsreichen Tanz mit vielen Partnern befinden. Beziehungen unter den Arten sind ähnlich verwoben. Bäume unterhalten symbiotische Partnerschaften mit speziellen Pilzen und Bakterien, die Nährstoffe aus der Erde zur Wurzel befördern.

      Pflanzen extrahieren Mineralien von tief in der Erde, damit andere sie nutzen können. Vögel und Säugetiere verbreiten Samen an neue Orte und verteilen unterwegs Fruchtbarkeit in Form von Dünger. Falls ein Faden dieses Netzes gekappt wird, sind Tausende anderer zur Stelle, um das Gewebe des Waldes intakt zu halten.

      Ein Wald ist kein statischer, unveränderlicher Ort, sondern hat eine dynamische und widerstandsfähige Stabilität. Im Vergleich zu einem gebräuchlichen Garten gibt es wenig Platz für Ungeziefer, Krankheit, invasive Pflanzen und Aufruhr. Die Natur hat den Wald zu einem vereinten Teppich verwoben, anstatt einer Ansammlung unzusammenhängender Pflanzen und Tiere.

      Wenn wir die Gegensätze zwischen dem Garten voller Einjähriger und dem reifen Wald im Kopf behalten, können wir unsere Gärten so arrangieren, dass sie lieber ausgereifte Ökosysteme nachbilden als junge. Wir brauchen auch nicht die ganze Arbeit tun. Wenn wir die Grundlagen legen, so wie in der Landschaft der Bullock-Brüder, schafft die Natur viele Verbindungen und füllt die Lücken.

      Hier sind die Merkmale natürlicher Landschaften, die im ökologischen Garten am wichtigsten sind:

      • Tiefe Erde, die reich an Nährstoffen und organischem Material ist

      • Pflanzen, die Fruchtbarkeit tief aus der Erde, aus der Luft und aus Regenwasser holen

      • Viele Vegetationsschichten, um abwechslungsreiche Nischen für andere Lebewesen zu schaffen

      • Ein Schwerpunkt auf mehrjährigen Pflanzen

      • Gegenseitig nützliche Beziehungen unter Pflanzen, Insekten, Vögeln, Mikroben, Säugetieren und allen anderen Bewohnern, einschließlich Menschen

      • Vermehrt geschlossene Kreisläufe, d. h. mit der Zeit sollte der Garten weniger Versorgung von außen brauchen und das meiste an Dünger, Mulch, Samen, neuen Pflanzen usw. selbst produzieren. Im Garten geht außer bei der Ernte wenig durch Auswaschung und Erosion verloren – alles wird wiederverwertet.

      Im Rest dieses Kapitels beschreibe ich kurz, wie man diese Einsichten aus der Ökologie im Garten anwendet. Der Rest des Buches geht dann noch stärker ins Detail.

      Der Garten von Josh Robinson von Eden on Earth Landscaping in Flagstaff, Arizona. Der Garten kombiniert einjährige und mehrjährige Pflanzen und liefert mit nur einigen Stunden Arbeit im Monat eine enorme Lebensmittelernte. Er sammelt auch einen Großteil seines eigenen Wassers, wodurch die Gärtner fast gar kein städtisches Wasser brauchen. FOTO VON JOSH ROBINSON.

      Ein paar Tricks der Natur für Gärtner

      Neben den unterschiedlichen Ebenen an Artenreichtum ist einer der größten Kontraste zwischen den meisten Gärten und natürlichen Landschaften, dass ein Garten zerfällt, falls man sich nicht um ihn kümmert, die Natur aber nicht. Wir sind alle schon einmal aus dem Urlaub gekommen, um festzustellen, dass unsere Lieblingspflanzen aufgefressen waren, Unkräuter wild wucherten und der ganze Garten wegen des unerwartet heißen Wetters in den Seilen hing. Der natürliche Zustand eines Gartens ist, ohne den Gärtner, tot – oder wieder zur Wildnis geworden. Der natürliche Zustand eines Waldes ist gesund und dynamisch. Doch mit ein paar Lektionen der Natur können wir Gärten entwerfen, die von sich aus fruchtbarer, gesünder und besser gewässert werden und die dynamische Stabilität, Widerstandskraft und das üppige Wachstum natürlicher Ökosysteme besitzen. Dieser Abschnitt gibt einen kurzen Überblick, wie man das bewerkstelligen kann. Der Rest des Buches erklärt das Ganze dann genauer.

      Bodenaufbau

      Wie können wir die Weisheit der Natur auf den Garten anwenden? Beginnen Sie zuerst, wie in jedem Garten, mit dem Boden. Die Natur baut Erde von oben nach unten auf und von unten nach oben. Mit »von oben nach unten« meine ich den konstanten Fall von Laubstreu von oben, die zu lockerer Erde zerfällt. Die Natur benutzt keine Bodenfräse und wir brauchen das auch nicht. Um rasch eine reife Erde zu erzielen, häufen Sie einfach hohe Mulchschichten auf die organische Substanz. Der Mulch kompostiert rasch vor Ort und bildet reifen Boden, der vor organischem Material strotzt, in dem es vor Bodenleben wimmelt und der bereit ist, gesunde Pflanzen zu ernähren. Kapitel 4 liefert genaue Techniken, wie man Boden mit Mulch aufbaut.

      Der komplementäre Bodenaufbau von unten nach oben erfolgt mit Pflanzen. In der Natur kommt die Fruchtbarkeit aus der Vegetation und dem Bodenleben, nicht aus einem Düngersack. Viele Pflanzen sind Meister darin, Nährstoffe aus den Tiefen der Erde zu ziehen und sie an die Oberfläche zu saugen, wo andere Pflanzen sie verwenden können. Diese Sorten werden in Kapitel 6 erörtert und sind im Anhang aufgeführt. In einem Gemüsegarten entfernt das Ernten ständig Nährstoffe, daher muss diese entnommene Fruchtbarkeit mit kleinen Gaben von Mulch, Kompost oder Dünger ersetzt werden. Doch hat man nährstoffanreichernde


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