Das Biest in Dir. Felix Hänisch

Das Biest in Dir - Felix Hänisch


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Innersten zu entdecken, wenn sie ihn nur lang genug anstarren würde. Der Königssohn erwiderte die Geste einen Moment lang, bis er schließlich resignierend mit dem Kopf nickte.

      Mit einem letzten warnenden Blick auf den Alben lockerte er den Griff um dessen Handgelenk. Langsam, dafür aber doppelt so aufmerksam wie zuvor, ließ der stumme Zwerg das Messer ein Stück weit sinken. Viel länger hätte er es sowieso nicht mehr in die Höhe halten können, denn seine Lungen wurden inzwischen nur noch von so wenig Luft erreicht, dass sie bereits zu brennen begonnen hatten. Auch der Schwindel in seinem Kopf wurde zusehends schlimmer und wahrscheinlich konnte man ihm bereits ansehen, wie schwer es ihm fiel, sich auf der Brust des Mannes aufrecht zu halten.

      »Nein, Majestät, tut das nicht!«, erhob sich die ungewöhnlich laute Stimme von Ephialtes so urplötzlich hinter ihm, dass er erschrocken zusammenzuckte. Nubrax’ benebelte Sinne vermittelten ihm gar das Gefühl, als würden sich die Worte schallend, wie in einem Bergwerksstollen, an den Baumstämmen brechen und von allen Seiten her auf ihn eindringen. »Tötet den Alben, mein Gebieter! Tötet ihn!«, bellte er wie ein Besessener.

      »Hör nicht auf ihn, Nubrax«, entgegnete Joa jetzt mit zusehends forderndem Unterton und versuchte vergeblich, den einstigen Leibwächter mit ihrer mädchenhaften Stimme zu übertönen.

      »Wo ist Euer Misstrauen geblieben? Mich haltet Ihr nach wie vor für einen Verräter, während Ihr einer Frau Glauben schenkt, die mit den Alben gemeinsame Sache macht.« Die Worte kamen nun so hastig aus Ephialtes’ Mund, dass sie sich beinahe überschlugen.

      »Nubrax, ich bin es, Joa. Du kennst mich. Du weißt, dass du mir vertrauen kannst. Ich verspreche, dass weder dir noch Paro oder eurem Begleiter etwas geschehen wird. Aber du musst uns auch entgegenkommen ... Du musst Vertrauen haben.« Aus dem Augenwinkel heraus konnte die Zwergin sehen, wie ihr Landsmann mit der tiefen Stimme auf dem Boden liegend zu ihr herübersah und das Gesicht vor Abneigung und Qualen deutlich verzog.

      Die eine Hand hatte er sich fest gegen den rechten Oberarm gedrückt. Sein dunkelrotes Blut lief ihm dennoch zwischen den Fingern hinab auf den Waldboden, wo es sich mit der Erde vermischte und beinahe schon albschwarz wirkte. Mit der anderen klammerte er sich krampfhaft an einen bereits entzweigeschlagenen Ast. Wie ein Schwert hielt er das Holz, welches kaum mehr eine Armlänge maß, vor seinen Rumpf und versuchte damit, selbst im Liegen seinen Gegner noch auf Distanz zu halten.

      Dass ihm sein Vorhaben bisher geglückt war, lag einzig und allein daran, dass Joas Kampfgefährte sich auf ihren stummen Befehl hin zurückhielt, anstatt ihm den Todesstoß zu versetzen. Allerdings schaute der Jüngling inzwischen zunehmend angespannter zu der Zwergin herüber. In seinem Blick lag die unausgesprochene Frage, ob er den Störenfried zum Wohle ihres Kameraden nicht doch lieber zum Schweigen bringen sollte. Als seine Muskeln sich plötzlich spannten und er unaufgefordert mit dem Breitschwert in der Rechten zum Schlag ausholen wollte, schüttelte Joa jedoch augenblicklich den Kopf. Eindringlich zog sie die Brauen hoch und gebot ihrem Begleiter damit gerade noch rechtzeitig innezuhalten.

      »Nubrax, bitte. Du kennst mich doch, ich bürge dafür, dass euch nichts geschehen wird«, wiederholte sie an den argwöhnischen Prinzen gewandt. Der hatte die Klinge zwar bereits gesenkt, verharrte allerdings noch immer halb auf seinem am Boden liegenden Kontrahenten. Die Unsicherheit stand ihm deutlich ins blasse Gesicht geschrieben und ein leises Röcheln drang aus seiner Kehle. Es war eindeutig, dass er nichts lieber getan hätte, als einen Blick auf einen seiner beiden Weggefährten zu werfen.

      Joa konnte dem imaginären Weg, den sein Kopf zu beschreiben im Zuge war, ohne Weiteres folgen. Es schmerzte sie in der Seele, den alten Paro zu sehen, wie er bäuchlings neben einem moosüberzogenen Baumstamm lag und sich nicht mehr rührte. Das Gesicht des einstigen Kriegsministers von Mittelberg war zur Hälfte im weichen Schlamm versunken und beide Arme lagen auf Höhe der Brust unter seinem reglosen Körper begraben.

      Der andere Zwerg, den sie nicht kannte und der sich selbst in der Niederlage noch heroisch gab, war nach wie vor gewillt, mit seinem kurzen Knüppel um sein Leben zu fechten. Allerdings war auch er aufgrund schwerster Verletzungen bereits mehr tot als lebendig. Doch daran sollte Nubrax im Augenblick nicht denken. Deshalb sprach Joa mit beruhigender und gleichermaßen eindringlicher Stimme weiterhin auf ihn ein, wobei sie sich inständig bemühte, den Blickkontakt nicht abbrechen zu lassen.

      »Wenn du von Ehlasco herunterkommst, können wir euch helfen. Wir versorgen eure Wunden und ich werde dir erklären, was hier vor sich geht. Es ... es ist alles nicht so, wie es aussieht.« Eine Strähne ihrer langen, haselnussbraunen Haare löste sich von ihrem Ohr und fiel ihr neckisch ins Gesicht. Sanft und zuversichtlich lächelte sie Nubrax an. »Vertrau mir.«

      »Sie lügt! Tötet das Schwarzauge und dann tötet diese verdammte Hure!«, schrie Ephialtes wie am Spieß und versuchte, seiner Verletzung zum Trotz, mit aller Macht wieder auf die Beine zu kommen. »Ich halte Euch den Rücken frei, Majestät, nur fallt nicht auf die falschen Worte dieser Albenfreundin herein.«

      Die Hetzworte erreichten Nubrax’ Ohren zwar noch, aber es war bereits zu spät. Er hatte schon damit begonnen, den Druck vom Körper des unter ihm Liegenden zu nehmen. Das Bein des Schwarzäugigen bebte und zuckte vom durchbohrten Fuß an aufwärts unkontrolliert, sodass er fast wie ein regennasser Hund wirkte, der sich trockenschütteln wollte.

      Obwohl sein Verstand ihm sagte, dass es keinen logischen Grund gab, Joas Worten mehr zu trauen als denen von Ephialtes, entschloss der Königssohn sich dazu, auf sein Herz hören.

      »Nein!«, brüllte der ehemalige Leibwächter von Neuem, als er endlich auf den Füßen war. »Tut das nicht.« Doch noch bevor er sich Nubrax, der fremden Zwergin oder einem der beiden Alben nähern konnte, gab sein verwundetes Bein wieder nach. Dank der Schnittwunde, welche der junge Angreifer ihm zugefügt hatte und die seinen rechten Oberarm der Länge nach zierte, war er noch nicht einmal in der Lage, sich richtig abzufangen.

      Wieder ließ Nubrax die mahnenden Worte von sich abprallen. Von Atemnot gepeinigt und des Kämpfens müde, wollte er einfach nur glauben, was seine Freundin von früher ihm sagte. Alles, was er wollte, war, dass die ständige gegenseitige Gewalt endlich ein Ende nahm. Doch wie ihm seine schwindenden Sinne schon einen Lidschlag später vermittelten, hatte er mit seiner Gutgläubigkeit einen verhängnisvollen Fehler begangen.

      Noch bevor sich seine Kniespitze gänzlich vom eingedrückten Brustkorb des Alben gelöst hatte, sah dieser seine Chance gekommen. Auch wenn er aufgrund seines durchbohrten Fußes ebenso große Schmerzen haben musste wie der Sohne Boringars’, schoss sein Oberkörper urplötzlich in die Höhe.

      Schneller als es ihm zuzutrauen war, griff er nach seinem Säbel, der zuvor nur wenige Handbreit neben ihm auf den Boden gefallen war. Gleichzeitig versuchte er mit der Linken das Messer seines Feindes zu packen. Die kurzen und sonst so kraftvollen Finger des Zwergenprinzen versuchten zwar dagegen zu halten, aber er war zu überrumpelt, um angemessen reagieren zu können.

      Er hatte Joa, die er aus seinem früheren Leben, einem Leben vor dem Kampf gegen Loës, zu kennen geglaubt hatte, vertraut. Doch in dem Moment, als der wutentbrannte Alb seinen ersten befreiten Atemzug tat und gleichzeitig das Schwert emporriss, erkannte Nubrax, dass dieses Vertrauen fehlangebracht war. Das einst so anmutige Gesicht des Mannes hatte sich vor lauter Hass zu einer dämonischen Fratze verzogen. Fingerdicke Furchen durchliefen seine Gesichtszüge und es klang, als würde er fauchen. Dem Königssohn war nun klar, dass er besser auf Ephialtes gehört und seinen Vorteil ausgespielt hätte, solange wie er noch dazu in der Lage gewesen war.

      »Grüß Barmbas von mir, wenn du ihn siehst!«, giftete der Alb zynisch und ließ die Klinge in einer fließenden Bewegung auf den Hals seines Feindes zuschnellen. »Dein selbst ernannter Heerführer wird dir nämlich schon bald ins Jenseitige Reich folgen!«

      Ein panisch grunzender Aufschrei fuhr durch den Kerker, direkt gefolgt von einem kaltblütigen Lachen.

      Noch immer hatte Drug sein Bein drohend erhoben, um sich mit seinem gesamten Körpergewicht auf den verhassten Menschen fallen zu lassen. Für einen Augenblick nahm die Vorstellung in seinem Kopf Gestalt an, wie Varinez und Baaludor dem Elfengeneral die Haut abzogen. Und obwohl er die beiden nicht leiden konnte, legte sich ein


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