Ein Märchenbaum erzählt. Manfred Sacher

Ein Märchenbaum erzählt - Manfred Sacher


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ich doch nur wüsste, wie es weitergehen soll, ohne dich hat das Leben keinen Sinn für mich. Am besten wird es sein, ich lasse mich auch von einem Zauberer in einen Fisch verwandeln. Dann sind wir für immer zusammen.“

      Dicke Tränen tropften aus ihren Augen. Deshalb konnte sie auch nicht sehen, wie das Wasser zu brodeln anfing. Große Blasen stiegen empor, aus denen sich eine zarte, durchsichtige Gestalt formte. Erst, als sie eine zarte Stimme vernahm, drehte sie sich verwundert um, konnte aber niemanden sehen.

      „Schau zum Wasser“, hörte sie die Stimme wieder.

      „Wer bist denn du? Dich habe ich hier noch nie gesehen“, brachte sie nur hervor.

      „Ich, liebe Prinzessin, bin die Wasserfee dieses Sees. Ich beobachte dich schon lange und weiß, dass du ein guter Mensch bist. Ich weiß natürlich auch, was deinem Prinzen zugestoßen ist, dass er jetzt in meinem Reich als Fisch herumschwimmen muss.“

      „Da kannst du ihn mir sicher auch wieder herzaubern. Eine Fee kann das doch, oder?“

      „Ich habe zwar magische Kräfte, doch diese Bitte kann ich dir nicht erfüllen. So mächtig bin ich nicht. Was aber in meiner Macht steht, das will ich auch tun. Damit du deinen Prinzen immer erkennst, werde ich ihm eine Krone aufsetzen und sprechen soll er auch.“ Damit versank die Fee wieder im Wasser. Es war, als wäre sie nie da gewesen.

      Dann plötzlich hörte sie wieder eine Stimme: „Liebe Prinzessin Goldhaar, hier unten an dem großen Stein.“

      Die Prinzessin schaute zu der angegebenen Stelle. Ein glänzendes Fischlein mit einer goldenen Krone war zu sehen. „Prinz, lieber Prinz! Ich mache mir die größten Vorwürfe, dass ich dich hierhergebracht habe. Doch jetzt, da ich dich erkennen kann, werde ich dich aufs Schloss mitnehmen. Du sollst einen kleinen See bekommen, damit du immer in meiner Nähe bist.“

      „Nein, nein, Prinzessin. Das ist zwar lieb von dir, doch hier im See bei der Fee fühle ich mich gut und vor allem sicher. Ich möchte auch versuchen, von ihr zu erfahren, wie der Zauber aufgehoben werden kann. Erzähl niemandem von mir, denn jeder würde einen Fisch mit einer Krone haben wollen. Prinzessin, es nähert sich jemand. Komm, wenn du kannst, aber denke immer daran, mit keinem über mich zu sprechen.“

      Eine ihrer Zofen kam und holte sie zum Essen. Mit einem tiefen Seufzer trennte sie sich von ihrem Liebsten.

      Im Schloss saßen ihre Eltern schon am Tisch. Keiner von beiden sprach ein Wort. Sie schauten auch die Prinzessin nicht an, als sie sich setzte. Die spürte aber, dass ihre Eltern böse auf sie waren. Vor allem ihre Mutter machte ein mürrisches Gesicht, wie es selten vorkam. Ihr war es am schwersten gefallen, sich von den Juwelen zu trennen. Die Prinzessin hielt sich auch nicht lange auf. Die Nachspeise ließ sie einfach stehen und war schon wieder auf dem Weg zum See.

      Vierzehn Tage waren seitdem vergangen und noch immer hatten sie nicht erfahren, wie man diesen Zauber rückgängig machen konnte. Sie war schon so weit, einen Zauberer zu suchen und um Hilfe zu bitten. Dies wollte sie heute ihrem Prinzen sagen. Doch so sehr sie auch nach ihm Ausschau hielt, sie konnte ihn nirgends sehen. Kein Fisch, der sich im Wasser tummelte, hatte eine Krone auf.

      Wie hingezaubert erschien auf einmal die Wasserfee.

      „Ist mit meinem Prinzen irgendetwas geschehen?“, fragte die Prinzessin erstaunt, als sie die Wasserfee erblickte.

      „Nein, nein“, beruhigte sie die Fee. „Diesmal bin ich deinetwegen gekommen. Ich beobachte dich jeden Tag und freue mich, dass du die Liebe zu deinem Prinzen nicht aufgegeben hast, obwohl er ein Fisch ist. Dafür will ich dich belohnen. Gehe in den Moorwald und suche die uralte Mooreiche. Zwischen ihren Wurzeln wirst du eine Kröte finden. Brich einen Zweig von der Eiche ab und berühre damit die Kröte. Pass aber auf, dass dich die Kröte nicht bemerkt. Sie wird sich sonst tief ins Moor zurückziehen und du wirst nichts erreichen. Wenn du sie aber berührt hast, dann tritt schnell zurück, denn sie wird sich aufblähen und zerplatzen. Damit ist die Zauberkraft des Zauberers von diesem genommen. Denn seine Zauberkraft hat er in dieser Kröte versteckt. Dann musst du schnell aus dem Moorwald verschwinden, denn der Zauberer wird nicht lange auf sich warten lassen. Er muss die Kröte wieder zum Leben erwecken, um zaubern zu können. Ich werde es spüren, wenn du die Zauberkraft des Zauberers gebrochen hast, und werde deinem Prinzen seine frühere Gestalt wiedergeben können. Sollte etwas schiefgehen, wird der Prinz für immer ein Fisch bleiben.“

      Die Prinzessin hatte gespannt zugehört. Sie versprach, alles zu tun, um ihren geliebten Prinzen wieder in die Arme schließen zu können. Sie wusste aber auch, dass es verboten war, in den Moorwald zu gehen.

      „Eine Warnung will ich dir noch mit auf deinen gefahrvollen Weg geben. Nimm dich vor dem Moorgeist in Acht. Wenn seine Augen rot leuchten sollten, dann bleib ganz ruhig stehen und warte ab. Sollten sie dagegen grün leuchten, dann schreite zügig voran. Lass diesen Burschen aber nie aus den Augen, denn all zu schnell ändert er sein Verhalten.“

      Die Prinzessin bedankte sich bei der Fee und versprach, darauf zu achten.

      Im Laufschritt ging es zum Schloss zurück. Am Tor gab sie den Befehl, ihr Pferd zu satteln und bereitzustellen. Sie zog sich ihre Reitsachen an, um beweglicher und schneller zu sein als in einem Kleid. Schon wegen des Moorgeistes. Im Galopp ging es in Richtung des Waldes, der sich in der Ferne abzeichnete. Bald stand er ihr wie eine schwarze Wand gegenüber. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Auch ihr Mut schien mit jeder Minute, die verging, zu sinken. Nur der Gedanke an ihren Prinzen trieb sie vorwärts.

      Je tiefer sie in den Wald hineinritt, desto mehr sank ihr Pferd ein. Deshalb stieg sie ab und band es fest. Auch sie sank bis zu den Knöcheln ins Moor ein. Die Prinzessin blieb stehen und schaute sich um. In dem Halbdunkel war allerdings nicht viel zu erkennen. Sie hatte gehofft, ein Anzeichen eines Weges zu erblicken. Doch nichts als Moor war zu erkennen. Immer darauf gefasst, einzusinken, setzte sie einen Fuß vor den anderen. Schon lange lief das Moor ihr in die Stiefel und jedes Mal, wenn sie einen Fuß herauszog, musste sie aufpassen, das Gleichgewicht nicht zu verlieren.

      Plötzlich vernahm sie eine innere Stimme, die ihr sagte, wohin sie treten solle, um festen Boden unter den Füßen zu haben. Trotzdem versank sie bei jedem Schritt bis zu den Knöcheln im tiefschwarzen Moor. Ihre Augen wanderten hin und her, um ja nichts zu übersehen. Vor allem den Moorgeist nicht. Doch der Bursche hatte sie schon lange bemerkt und schlich ihr hinterher. Er war neugierig, was diese zarte Frau vorhatte. Sie in seine Gewalt zu bringen, dazu hatte er immer noch Zeit.

      Als sie einmal nicht aufpasste, weil ihre Gedanken bei ihrem Prinzen waren, verfehlte sie den Weg und versank bis zum Hintern im Moor. Den kurzen Angstschrei hatte sie eigentlich vermeiden wollen, er rutschte aber doch über ihre Lippen. Schnell hielt sie sich die Hand vor den Mund.

      An einen Baum gelehnt, erblickte sie den Moorgeist, der lächelnd mit dem Arm zu ihr zeigte. Im ersten Moment durchfuhr sie ein gewaltiger Schreck. Doch sie hatte sich schnell wieder in der Gewalt. „Hab ich dich endlich gefunden! Hättest dich auch schon eher sehen lassen können. Ich bin nämlich zu dir gekommen, weil man von dir behauptet, du seiest so schlau, dass es keiner mit dir aufnehmen kann. Oder ist das alles nur von den Menschen erfunden und du kannst nur die Leute im Moor versinken lassen? Dann wärst du nicht der mächtige Moorgeist, vor dem alle Angst haben.“ „Was redest du denn da für einen Blödsinn? Ich weiß alles, ich kann alles, ich habe eine ungeheure Macht“, schrie er sie mit großen Augen an.

      „Und warum lässt du mich dann hier versinken, wenn du doch so allmächtig bist und alles kannst?“

      Kaum hatte sie es ausgesprochen, stand sie auf festem Boden.

      „Und was willst du nun wirklich in meinem Reich?“, fragte er mit ernster Stimme und rollte mit seinen schwarzen Augen.

      „Prinz Haubold, den ich heiraten soll, behauptet, dass er der Reichste weit und breit sei. Dass du ein ganz armes Würstchen seiest und er mit dir machen könne, was er wolle.“

      Der Moorgeist spuckte vor Wut Feuer und Rauch. „Und so einen Unsinn glaubst du? Ich will dir beweisen, welche Schätze ich habe. Folge mir.“

      Die Prinzessin hatte damit erreicht, dass er erst einmal nicht


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