Rechtliche Grenzen vertraglicher Haftungsausschlüsse und -begrenzungen in B2B-Exportverträgen. Alexander Grieger
benachteiligende Regelung angesehen werden. Die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen haben zwar den Charakter von AGB (vgl. BGHZ 6, BGHZ Band 6 Seite 145 (BGHZ Band 6 Seite 147); 12, BGHZ Band 12 Seite 136 (BGHZ Band 12 Seite 139) = NJW 1954, NJW Jahr 1954 Seite 795); trotzdem können sie jedoch mit einseitig aufgestellten AGB eines Unternehmens nicht ohne weiteres gleichgestellt werden. Die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen sind unter Mitwirkung aller beteiligten Wirtschaftskreise zustandegekommen (vgl. BGHZ 41, BGHZ Band 41 Seite 151 (BGHZ Band 41 Seite 155) = NJW 1964, NJW Jahr 1964 Seite 1123); sie haben seit nunmehr über 50 Jahren weitgehende Anerkennung bei allen beteiligten Verkehrskreisen gefunden; sie sind zu einer “allgemein geregelten Vertragsordnung”, zu einer umfassenden “fertig bereitliegenden Rechtsordnung” geworden (vgl. BGHZ 1, BGHZ Band 1 Seite 83 (BGHZ Band 1 Seite 85f) = NJW 1951, NJW Jahr 1951 Seite 402; BGHZ 6, BGHZ Band 6 Seite 145 (BGHZ Band 6 Seite 147); 9, BGHZ Band 9 Seite 1 (BGHZ Band 9 Seite 3) = NJW 1953, NJW Jahr 1953 Seite 541; BGHZ 12, BGHZ Band 12 Seite 136 (BGHZ Band 12 Seite 139, BGHZ Band 12 Seite 142) = NJW 1954, NJW Jahr 1954 Seite 795; BGHZ 17, BGHZ Band 17 Seite 1 (BGHZ Band 17 Seite 2) = NJW 1955, NJW Jahr 1955 Seite 1145). Das enthebt sie zwar nicht dem Anwendungsbereich des AGB-Gesetzes, führt aber dazu, auch bei Beanstandungen nur einer bestimmten einzelnen Klausel – hier der Haftungshöchstgrenze nach §ADSP § 54a Nr. 2 ADSp – den jeweiligen Normzweck in der Gesamtheit der Regelung zu berücksichtigen. Es bedarf also einer umfassenden Würdigung des gesamten, dem Haftungs- und Versicherungssystem der Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen zugrundeliegenden wirtschaftlichen Sachverhalts. Die einzelne Klausel kann nicht isoliert am Gerechtigkeitsgehalt einer Norm des dispositiven Rechts gemessen werden; vielmehr ist die beiderseitige Interessenlage im Zusammenhang mit dem Gesamtgefüge der Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen zu werten. Wird aber hiervon ausgegangen, so kann bei dem ineinandergreifenden und aufeinander abgestellten Haftungssystem der Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen mit einerseits Haftungsbeschränkungen und Beweiserleichterungen andererseits den angepaßten Vergütungen, Versicherungsbedingungen und Versicherungsprämien nicht ohne weiteres eine Inkongruenz und unangemessene Benachteiligung der verladenden Wirtschaft angenommen werden (vgl. Krien, Speditions- und LagerR, Loseblatt-Slg., § 54 Anm. 1d; Krien-Hay, ADSp, 4. Aufl., § 54 Anm. 1 a II; Ulmer-Brandner-Hensen, AGB, 3. Aufl., Anh. §§ 9 bis 1 Rdnrn. 15, 22). Der BGH hat daher auch bislang keine Veranlassung gesehen, an der Wirksamkeit der in § ADSP § 54a Nr. 2 ADSp enthaltenen Haftungsbeschränkung zu zweifeln (vgl. BGHZ 20, BGHZ Band 20 Seite 164 (BGHZ Band 20 Seite 167) = NJW 1956, NJW Jahr 1956 Seite 908).“
An diese Bevorzugung wird jedoch eine zusätzliche Anforderung im Bereich der wirksamen Einbeziehung gestellt: So hat der BGH151 entschieden, dass die Grundsätze zur drucktechnischen Hervorhebung gem. §§ 449 Abs. 2 Nr. 1, 466 Abs. 2 Nr. 1 HGB im Rahmen der wirksamen Einbeziehung der ADSp eine wesentliche Rolle spielen152. Des Weiteren ist hervorzuheben, dass bei den ADSp der Grundsatz des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion nicht greift, nachdem nicht die Zielsetzung eines Verwenders nach Ausnutzung seiner Vormachtstellung im Raum stehe, sondern die beteiligten Verbände nach einem ausgewogenen Interessenausgleich gesucht haben153. Auf die inhaltlichen Bedenken hinsichtlich der Angemessenheit und somit Zulässigkeit der einzelnen Haftungsbegrenzungen der ADSp kann an dieser Stelle nur verwiesen werden (vgl. insbes. Bahnsen, TransportR 2010, S. 19ff. (25f.)).
Nur am Rande sei angesichts der Zielsetzung dieser Arbeit darauf verwiesen, dass auch die im Bauwesen paritätisch von Auftraggebern und Auftragnehmern erarbeiteten VOB/B – sofern diese inhaltlich unverändert im Ganzen übernommen werden – im Rahmen der Inhaltskontrolle eine Privilegierung erfahren. Der BGH hat dazu in seinem Urteil vom 22.01.2004 – VII ZR 419/02, Ziffer II, unter Abkehr von der bislang gültigen Rechtsprechung ausgeführt:
„[13] 2. Allerdings unterliegen die einzelnen Regelungen der VOB/B nach der Rechtsprechung des Senats zum Geltungsbereich des AGB-Gesetzes nicht der Inhaltskontrolle, wenn der Verwender die VOB/B ohne ins Gewicht fallende Einschränkung übernommen hat. Dieser Rechtsprechung liegt die Erwägung zugrunde, daß die VOB/B einen billigen Interessenausgleich zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber bezweckt. Würden einzelne Regelungen der Inhaltskontrolle unterzogen, so könnte der bezweckte Interessenausgleich gestört sein. Die VOB/B ist deshalb der Inhaltskontrolle entzogen worden, wenn der von ihr verwirklichte Interessenausgleich durch die Vertragsgestaltung nicht wesentlich beeinträchtigt worden ist (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1982 – VII ZR 92/82, BGHZ 86, 135, 142). Die Inhaltskontrolle war eröffnet, wenn der Vertrag Regelungen vorsah, die in den Kernbereich der VOB/B eingreifen. Einen derartigen Eingriff hat der Senat bejaht bei Änderungen von § 1 Nr. 3 (Urteil vom 28. November 2002 – VII ZR 4/00, BauR 2003, 380, 381 = ZfBR 2003, 248 = NZBau 2003, 150), von § 2 Nr. 3 und Nr. 5 (Urteile vom 20. Dezember 1990 – VII ZR 248/89 = BauR 1991, 210 = ZfBR 1991, 101 und vom 25. Januar 1996 – VII ZR 233/94, BGHZ 131, 392, 397), von § 8 Nr. 1 (Urteil vom 28. November 2002 – VII ZR 4/00 aaO), von § 9 Nr. 3 (Urteil vom 28. September 1989 – VII ZR 167/88, BauR 1990, 81, 83 = ZfBR 1990, 18), der Abnahmeregelungen (Urteile vom 6. Juni 1991 – VII ZR 101/90, BauR 1991, 740, 741 = ZfBR 1991, 253; vom 17. November 1994 – VII ZR 245/93, BauR 1995, 234, 236 = ZfBR 1995, 77 und vom 25. Januar 1996 – VII ZR 233/94 aaO), von § 13 Nr. 7 Abs. 4 (Urteil vom 21. Juni 1990 – VII ZR 109/89, BGHZ 111, 394, 397) und von § 16 Nr. 1 (Urteil vom 14. Februar 1991 – VII ZR 291/89, BauR 1991, 473 = ZfBR 1991, 199).
[14] Diese Rechtsprechung hat teilweise insoweit Widerspruch erfahren, als keine klaren Abgrenzungskriterien entwickelt worden seien, unter welchen Voraussetzungen eine wesentliche Beeinträchtigung des in der VOB/B verwirklichten Interessenausgleichs angenommen werden könne (Siegburg, BauR 1993, 9, 10, 16; Bunte, Festschrift für Korbion S. 18; Anker/Zumschlinge, BauR 1995, 323, 325; Kraus/Vygen/Oppler, BauR 1999, 964, 967; Kraus, BauR 2001, 1, 10; vgl. auch Tomic, BauR 2001, 14, 16). Dem ist zuzustimmen. Aus der bisherigen Senatsrechtsprechung lassen sich keine greifbaren Kriterien dafür ableiten, wann eine von der VOB/B abweichende Regelung in deren Kernbereich eingreift. Die vom Senat verwendeten Formulierungen haben sich nicht als brauchbares Abgrenzungskriterium erwiesen. Sie ermöglichen nicht die für den Rechtsverkehr erforderliche sichere Beurteilung, inwieweit ein vertragliches Regelwerk der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz unterliegt. Nötig ist aber eine Rechtsanwendung, die für die Vertragsparteien eine verläßliche Prognose ermöglicht. Aus den bisherigen Entscheidungen ergibt sich, daß der Bundesgerichtshof schon bei relativ geringfügigen Abweichungen einen Eingriff in den Kernbereich der VOB/B bejaht und tendenziell zu erkennen gegeben hat, daß grundsätzlich jede inhaltliche Abweichung einen Eingriff in die Ausgewogenheit der VOB/B darstellt. Diese Entwicklung ist im Interesse der Rechtssicherheit dahin abzuschließen, daß grundsätzlich jede inhaltliche Abweichung von der VOB/B als eine Störung des von ihr beabsichtigten Interessenausgleichs zu bewerten ist. Denn anderenfalls wäre die im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen notwendige Transparenz (vgl. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F.) nicht zu gewährleisten. Die VOB/B ist demnach nur dann einer Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz entzogen, wenn sie als Ganzes vereinbart worden ist. Es kommt nicht darauf an, welches Gewicht der Eingriff hat. Damit ist die Inhaltskontrolle auch dann eröffnet, wenn nur geringfügige inhaltliche Abweichungen von der VOB/B vorliegen und auch unabhängig davon, ob eventuell benachteiligende Regelungen im vorrangigen Vertragswerk möglicherweise durch andere Regelungen „ausgeglichen“ werden.“
Per Gesetzesänderung zum 01.01.2009 gilt nach § 310 Abs. 1 BGB diese Privilegierung nicht mehr bei Verwendung gegenüber Verbrauchern, nachdem die VOB/B zwar durch beteiligte Wirtschaftskreise, aber nicht durch Involvierung von Verbraucherinteressen entwickelt wurden; bei unveränderter vollständiger Einbeziehung im unternehmerischen Geschäftsverkehr unterliegt jedoch die z.B. nach § 6 Ziffer 6 VOB/B geltende Haftungsbeschränkungsklausel („Sind die hindernden Umstände von einem Vertragsteil zu vertreten, so hat der andere Teil Anspruch auf Ersatz des nachweislich entstandenen Schadens, des entgangenen Gewinns aber nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.“) keiner Inhaltskontrolle154.
Daneben sei auch an die vertraglichen Haftungsbegrenzungsmöglichkeiten von Rechtsanwälten, Steuerberatern155 und Wirtschaftsprüfern zu denken. Die drei Berufsgruppen, deren Falschberatung zweifellos erhebliche Folgeschäden verursachen kann, erhalten vom Gesetzgeber eine abgestufte Möglichkeit eingeräumt, Haftungsrisiken vertraglich zu limitieren. Zum einen kann die maximale Haftung mittels schriftlicher (Individual-)Vereinbarung auf die