Steuerstrafrechtliche Risiken in Krise und Insolvenz. Jens M. Schmittmann
Die Steuererklärungspflicht besteht für den Insolvenzverwalter, sofern der Insolvenzschuldner neben der freigegebenen selbstständigen Tätigkeit noch weitere steuerrelevante Tätigkeiten ausübt. Der Insolvenzschuldner muss bei Vorliegen dieser Konstellation die im insolvenzfreien Bereich verwirklichten Steuertatbestände mitteilen und an der Erstellung der Steuererklärung mitwirken. So muss er beispielsweise für die Zwecke der Einkommensteuer die Gewinnermittlung fertigen und elektronisch einreichen.15
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In der Situation, dass der Insolvenzschuldner Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit erzielt, ist zu differenzieren, ob aus der Einkommensteuerveranlagung eine Einkommensteuerschuld entsteht oder ein Erstattungsanspruch. Die Einkommensteuerschuld ist keine Masseverbindlichkeit, sondern eine Forderung gegen das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners, sodass die Erklärungspflicht dem Insolvenzschuldner obliegt. Der Erstattungsanspruch aus der Einkommensteuerveranlagung ist hingegen nicht dem insolvenzfreien Vermögen, sondern der Insolvenzmasse zuzurechnen, sodass die Pflicht zur Abgabe der Erklärung den Insolvenzverwalter trifft.16
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Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Personengesellschaft wird diese zivilrechtlich grundsätzlich aufgelöst, steuerrechtlich besteht sie zunächst fort. Die Pflicht zur Abgabe der Feststellungserklärung obliegt gemäß § 181 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AO weiterhin den Feststellungsbeteiligten. Die Begründung ist darin zu sehen, dass die Erklärungspflicht zu den insolvenzfreien Angelegenheiten der Gesellschaft gehört. Sie berührt die persönliche Sphäre der Gesellschafter und nicht die der Gesellschaft.17
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Der Insolvenzverwalter ist zur Abgabe der Feststellungserklärung verpflichtet, wenn er der Insolvenzverwalter eines Beteiligten ist, über dessen Vermögen gleichzeitig das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, beispielsweise Komplementär-GmbH bei einer GmbH & Co. KG, und die Beteiligung an der Personengesellschaft zur Insolvenzmasse gehört. Sofern ein Erklärungspflichtiger eine vollständige Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung beim Finanzamt einreicht, führt dies dazu, dass die weiteren Beteiligten von ihrer Erklärungspflicht gemäß § 181 Abs. 2 Satz 3 AO befreit sind.18
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Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Personengesellschaft obliegt die Pflicht zur Abgabe der Steuererklärungen für die betrieblichen Steuern dem Insolvenzverwalter. Die Abgabepflicht umfasst die Zeiträume vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als auch die Zeiträume nach der Eröffnung.19
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Sofern über das Vermögen eines Gesellschafters das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, besteht regelmäßig lediglich die Pflicht zur Abgabe der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung gemäß § 181 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO. Aufgrund der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Gesellschafters ist der Insolvenzverwalter gemäß §§ 34 Abs. 3, 181 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO zur Abgabe der Steuererklärung verpflichtet. Der Insolvenzverwalter wird gemäß § 181 Abs. 2 Satz 3 AO von der Erklärungspflicht befreit, wenn einer der übrigen Gesellschafter der Erklärungspflicht nachkommt.20
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Die Einbindung des Insolvenzverwalters in das Steuerschuldverhältnis ist von einer eventuellen Masseunzulänglichkeit unabhängig.21
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Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen aufgehoben, so erlangt dieser als Insolvenzschuldner kraft Gesetzes seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen wieder zurück. Ab diesem Zeitpunkt kann vom Insolvenzverwalter nicht mehr die Erfüllung steuerlicher Pflichten verlangt werden.22 Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens kann das FA den Steuerbescheid nicht mehr dem Insolvenzverwalter bekannt geben. Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens endet das Amt des Insolvenzverwalters, und die Verfügungsbefugnis über die (verbleibende) Masse fällt an den Schuldner zurück (§ 259 Abs. 1 InsO). Es gibt keine vermögensrechtlich verselbstständigte Masse i.S. des § 35 InsO) mehr.23
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Die Verpflichtung des Insolvenzverwalters zur Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten besteht allerdings fort, wenn das Gericht eine Nachtragsverteilung angeordnet hat. Daraus ergibt sich auch die Prozessführungsbefugnis des früheren Insolvenzverwalters.24
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Mit der Anordnung einer Nachtragsverteilung tritt ein erneuter Insolvenzbeschlag ein.25
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Im Übrigen entfällt mit Beendigung des Insolvenzverfahrens neben der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zugleich die Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters.26
3. Stellung des (vorläufigen) Sachwalters
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Im Falle der Eigenverwaltung ist der Schuldner gemäß § 270 Abs. 1 Satz 1 InsO berechtigt, unter Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen. Der Sachwalter ist nicht Vermögensverwalter i.S.d. § 34 Abs. 3 AO.27
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Der Sachwalter hat daher die steuerlichen Pflichten des Schuldners nicht zu erfüllen.28
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Der Sachwalter kann gemäß § 275 Abs. 2 InsO vom Schuldner verlangen, dass alle eingehenden Gelder nur vom Sachwalter entgegengenommen und Zahlungen nur vom Sachwalter geleistet werden. In diesem Falle handelt es sich um einen „Sachwalter mit Kassenführungsbefugnis“. Der Sachwalter handelt bei der Entgegennahme und bei der Leistung von Zahlungen nach Übernahme der Kassenführung für den Schuldner als dessen gesetzlicher Vertreter.29
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Mit der Übernahme der Kassenführung wird der Sachwalter gleichwohl nicht Vertreter i.S.v. § 34 Abs. 3 AO. Der Sachwalter kann aber zum Verfügungsberechtigten gemäß § 35 AO werden. Dann hat der Sachwalter die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1 AO), soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann.
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Im Falle der Übernahme der Kassenführung besteht für den Sachwalter die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit, Zahlungen an die Finanzverwaltung zu bewirken, wobei die Verteilungsreihenfolge gemäß § 209 InsO nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit gemäß § 286 InsO zu berücksichtigen ist.30
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In dieser Lage fallen die Erklärungspflicht, die beim Schuldner verbleibt, und die Zahlungspflicht, die dem Sachwalter mit Kassenführungsbefugnis obliegt, auseinander. Dies erfordert in der Praxis ein besonderes Maß an Zusammenarbeit.
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Für den vorläufigen Sachwalter im Eröffnungsverfahren gelten gemäß § 270b Abs. 1 InsO die vorstehenden Ausführungen sinngemäß.
1 Vgl. Hess, in: Hess, Sanierungshandbuch, Kap. 24 Rn. 1; Brete/Raik, Beratungs- und Haftungsrisiken in der Krise, S. 17. 2 Vgl. Sternal, in: K. Schmidt, InsO, § 80 Rn. 4. 3 So Schmittmann, in: K. Schmidt, InsO, § 155 Rn. 65. 4 Vgl. BGH, Urt. v. 29.5.1979 – VI ZR 104/78, BGHZ 74, 316ff. = ZIP 1980, 25ff. (m. Anm. Kilger, S. 26); BGH, Urt. v. 10.7.2008 – IX ZR 118/07, ZIP 2008, 1685ff. = ZVI 2008, 530ff.; BGH, Urt. v. 6.9.2010 – IX ZR 121/09, BFH/NV 2011, 189ff. = ZIP 2010, 2164ff. = NZI 2010, 955ff., dazu EWiR 2010, 827 (H.-F. Müller); OLG Koblenz, Urt. v. 9.4.1992 – 5 U 471/91, ZIP 1993, 52ff., dazu EWiR 1993, 67ff. (App). 5 Vgl. Rüsken, in: Klein, AO, § 140 Rn. 15; OFD Hannover v. 27.1.2003, AO-Kartei