Recht des geistigen Eigentums. Thomas Ahrens
Das BPatG stellt dem Beklagten die Klage zu und fordert ihn auf, sich darüber innerhalb eines Monats zu erklären. Tut er das nicht, so kann ohne mündliche Verhandlung sofort nach der Klage entschieden und dabei jede vom Kläger behauptete Tatsache für erwiesen angenommen werden (§ 82 PatG). Widerspricht der Beklagte rechtzeitig, so entscheidet das BPatG auf Grund mündlicher Verhandlung, sofern die Parteien nicht darauf verzichten (§ 82 Abs. 3 S. 2 PatG).
In dem Nichtigkeitsverfahren weist das BPatG nach § 83 Abs. 1 die Parteien so früh wie möglich auf Gesichtspunkte hin, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung sein werden oder der Konzentration der Verhandlung auf die für die Entscheidung wesentlichen Fragen dienlich sind. Ein solcher Hinweis wird jedoch dann nicht gegeben, wenn die zu erörternden Gesichtspunkte den Parteien offensichtlich erscheinen. Das BPatG kann nach § 83 Abs. 2 den Parteien eine Frist setzen, binnen welcher sie zu dem genannten Hinweis Stellung nehmen können. Das kann z.B. durch sachdienliche Anträge, Ergänzungen oder dergleichen erfolgen. Diese Frist kann nur bei Vorliegen von erheblichen Gründen verlängert werden. Wird die gesetzte – und ggf. verlängerte – Frist nicht eingehalten, kann das BPatG unter den in § 83 Abs. 4 genannten Voraussetzungen Angriffs- und Verteidigungsmittel einer Partei oder eine Klageänderung oder eine Verteidigung des Beklagten mit einer geänderten Fassung des Patents zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden.
Der seit dem 1. Oktober 2009 geltende § 83 enthält in seinem Abs. 4 also Regelungen, aufgrund derer ein Vorbringen der Parteien nach Ablauf der Stellungnahmefrist zurückgewiesen werden kann und dann für die Entscheidung des BPatG keine Berücksichtigung mehr findet. Diese Regelungen stehen zwar in einem gewissen Spannungsverhältnis zu dem grundsätzlich geltenden AmtsermittlungsgrundsatzAmtsermittlungsgrundsatz nach § 87 Abs. 1 PatG, sie widersprechen diesem aber nicht.1 Nach diesem Amtsermittlungsgrundsatz erforschtUntersuchungsgrundsatz das BPatG den Sachverhalt von Amts wegen und ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. Das ermöglicht z.B. die Ermittlung von maßgeblichem SdT und die Einbringung solcher Druckschriften in das Nichtigkeitsverfahren.2 Dennoch steht die Verfügung über das Verfahren den Parteien zu (VerfügungsgrundsatzVerfügungsgrundsatz). Der Verfügungsgrundsatz gilt auch hinsichtlich der Bestimmung des Umfangs der Prüfung durch die Anträge der Beteiligten.3 Damit ist das BPatG bei der Überprüfung des Patents an die gestellten Anträge (§ 99 Abs. 1 PatG i.V.m. § 308 ZPO) und die geltend gemachten gesetzlichen Nichtigkeitsgründe gebunden. Es kann das Patent nicht stärker einschränken, als es der Kläger begehrt, und seine Entscheidung nicht auf einen Nichtigkeitsgrund stützen, auf den er sich nicht beruft. Dabei gilt mangelnde Patentfähigkeit (nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG) als einheitlicher Nichtigkeitsgrund und umfasst neben der Prüfung auf Neuheit z.B. auch die auf Vorliegen einer technischen Erfindung.4 Der Kläger kann die Nichtigkeitsklage jederzeit, auch nach Beginn der mündlichen Verhandlung ohne Zustimmung des Patentinhabers nach § 99 PatG i.V.m. § 269 ZPO zurücknehmen.5 Die Klagerücknahme führt dazu, dass der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden gilt. Eine Prüfung und Entscheidung in der Sache erfolgt nicht mehr.6
Über die KlageKlage (und über die KostenKosten) wird durch UrteilUrteil entschieden (§ 84 PatG). Dabei kann es zu einer Nichtigerklärung oder Beschränkung des PatentsBeschränkung des Patents oder zu einer Abweisung der Klage kommen. Eine Beschränkung erfolgt regelmäßig durch entsprechende Änderung der Patentansprüche. Eine Anpassung der Beschreibung ist grundsätzlich nicht erforderlich. Die Urteilsgründe ergänzen oder ersetzen die Beschreibung, soweit diese nicht mehr zu der neuen Anspruchsfassung passt.7
Eine rechtskräftige Nichtigerklärung oder Beschränkung bewirkt – ähnlich wie beim Einspruchsverfahren – dass die entsprechenden Wirkungen des Patents und der Anmeldung als von Anfang an nicht eingetreten gelten (§ 22 Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 3 PatG). Die Entscheidung über das Patent gilt für und gegen alle. Soweit das Urteil die Klage abweist, hindert es zwar den Kläger, jedoch nicht einen Dritten, wegen desselben Nichtigkeitsgrundes erneut zu klagen. Wegen eines Nichtigkeitsgrundes, der nicht geltend gemacht war, kann auch der abgewiesene Kläger eine neue Nichtigkeitsklage erheben.8
III. Begründung der NichtigkeitsklageNichtigkeit-sverfahrenVerfahrenNichtigkeits-
Wirksame NichtigkeitNichtigkeit-sgrundsgründe sind die oben genannten Widerrufsgründe nach § 21 Abs. 1 PatG sowie zusätzlich eine unzulässige SchutzbereichSchutzbereich-erweiterungserweiterung (§ 22 PatG). Auf weitere Gründe, wie Verfahrensfehler bei der Patenterteilung oder bei der Behandlung von Einsprüchen, kann das Verfahren nicht gestützt werden.
§ 15 Wirkungen des PatentPatentWirkungs
Erst mit Veröffentlichung der Patenterteilung im Patentblatt treten die gesetzlichen Wirkungen des Patents ein (§ 58 Abs. 1, S. 3 i.V.m. §§ 9ff., 139ff. PatG bzw. Art. 97 Abs. 3 EPÜ). Dazu gehört insbesondere auch der Anspruch auf Schadenersatz, der nach deutschem Recht1 zu unterscheiden ist von dem EntschädigungsanspruchAnspruchEntschädigung für veröffentlichte Patentanmeldungen (§ 33 PatG; Art. 67 Abs. 2 EPÜ i.V.m. Art. II, § 1 Abs. 2 IntPatÜG). Diese gesetzlichen Wirkungen, also die Rechte aus dem Patent, können nach unterschiedlichen „Dimensionen“ unterschieden werden, nämlich:
räumlich,
zeitlich und
inhaltlicher Schutzbereich (im Wesentlichen durch die Patentansprüche definiert).
Diese Wirkungen können jedoch aufgrund verschiedener Gründe begrenzt sein (s.u. § 17).
I. Räumliche Wirkung des PatentsWirkung des PatentsräumlicheWirkung des Patents
Eine PatentanmeldungAnmeldungräumliche Wirkung der Patent- bzw. ein darauf erteiltes Patent entfaltet nach dem TerritorialitätsprinzipTerritorialitätsprinzip Wirkung für das Territorium des Staates, für den die Anmeldung eingereicht bzw. für den das Patent erteilt ist. Für die Bundesrepublik Deutschland bedeutet das insbesondere:
1 Patentanmeldungen (und darauf erteilte Patente), die vor dem 3. Oktober 1990 beim Deutschen Patentamt (damaliger Name des heutigen DPMA) eingereicht wurden, haben nur Wirkung für die alten Bundesländer entfaltet (also das Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik ausgenommen). Erst durch das ErstreckungsgesetzErstreckungsgesetz1 wurden mit Wirkung zum 1. Mai 1992 die bis dahin in einem der beiden Teilgebiete eingereichten „Altrechte“ auf das jeweilig andere Gebiet erstreckt, so dass auch diese seitdem das Gesamtgebiet der gesamten Bundesrepublik umfassen.
2 EuropäischeuropäischPatente Patente können aufgrund Art. I, II des IntPatÜG auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilt werden (Art. 3 EPÜ), sofern diese in der Anmeldung benannt ist. Ein solches Patent entfaltet nach Art. 2, 64 EPÜ grundsätzlich dieselbe Wirkung wie ein deutsches Patent, das vom DPMA erteilt wurde.
3 Internationale Patentanmeldungen nach dem PCTPCT haben aufgrund Art I, II des IntPatÜG bei Benennung der Bundesrepublik Deutschland die Wirkung einer nationalen Anmeldung (Art. 11 Abs. 3 PCT), wenn die internationale AnmeldunginternationaleAnmeldung in deutscher SpracheSprache veröffentlicht wird. Andernfalls ist die Veröffentlichung einer deutschsprachigen Übersetzung durch das DPMA nötig (Art. III § 8 Abs. 1, 2 IntPatÜG)
Die Folge des TerritorialitätsprinzipTerritorialitätsprinzips ist, dass mit einem für das Inland geltenden Patent nur solche Benutzungen (i.S.v. §§ 9ff. PatG) – wie z.B. Herstellung, Vertrieb und Vermarktung eines Erzeugnisses – verfolgt werden können, die auch im Inland stattfinden. Wenn z.B. ein in Polen hergestellter Tisch in die Bundesrepublik Deutschland importiert wird, so kann der InhaberPatent-inhaber eines Patents – das in Kraft ist und einen entsprechenden Schutzumfang aufweist – dagegen vorgehen, da das Inverkehrbringen und das Importieren