Strafrecht Allgemeiner Teil. Klaus Hoffmann-Holland

Strafrecht Allgemeiner Teil - Klaus Hoffmann-Holland


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Vorschrift setzt in der Vollendungsvariante voraus, dass eine Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, zu einer Zeit in Brand gesetzt wird, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen. Auch der Vorsatz des Täters muss sich auf das Inbrandsetzen des Tatobjektes zu einem Zeitpunk beziehen, in dem sich Menschen in der Räumlichkeit befinden. Da der Täter davon überzeugt war, dass sich im Zeitpunkt des Brandes keine Person im Bürogebäude aufhalten würde, handelte er nicht vorsätzlich bzgl. der Tat nach § 306a Abs. 1 Nr. 3 StGB.

      176BGHSt 57, 183, 186ff.; Anforderungen an den Tötungsvorsatz, Hemmschwellentheorie: Während eines Diskobesuchs sowie unmittelbar danach geraten zwei Personen mehrfach in körperliche Auseinandersetzungen, die immer wieder durch das Eingreifen der Türsteher beendet werden. Nachdem |62|beide die Disko zunächst in unterschiedliche Richtungen verlassen haben, überrascht einer der beiden den anderen, der gerade an einem Taxistand steht, und stößt diesem aus schnellem Lauf kommend von hinten ein 11 cm langes Messer mit den Worten „Verreck’, du Hurensohn“ in den Rücken. Das Messer durchstößt eine Rippe und trifft die Lunge des Angegriffenen. Beim trinkgewohnte n Angreifer wird eine Blutalkoholkonzentration von 1,58 ‰ festgestellt. – Auch wenn bei Tötungsdelikten von einer besonderen Hemmschwelle auszugehen ist, heißt dies doch nicht, dass bei offensichtlicher Lebensgefährlichkeit des Angriffs die Annahme eines Tötungsvorsatzes durch bloßen Verweis auf die Hemmschwellentheorie abgelehnt werden kann. Die Hemmschwellentheorie fordert lediglich die besonders sorgfältige Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angreifer ernsthaft und nicht nur vage auf den Nichteintritt des Erfolges gehofft hat, kann in Fällen der vom Täter erkannten Lebensgefährlichkeit auch auf die Billigung des Tötungserfolges geschlossen werden. Die festgestellte Alkoholisierung des trinkgewohnten Angreifers ist dabei kein hinreichender Anhaltspunkt für eine fehlende Billigung.

      V. Tatbestandsirrtum

      1. Überblick: Tatbestandsirrtum und umgekehrter Tatbestandsirrtum

      177Gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 StGB bewirkt die fehlende Kenntnis eines Umstands, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, dass der Täter nicht vorsätzlich handelt. Ein derartiger, den Vorsatz ausschließender, Tatbestands- bzw. Tatumstandsirrtum liegt vor, wenn das Wissenselement des Vorsatzes im Hinblick auf ein Merkmal des objektiven Tatbestandes fehlt, unabhängig davon, ob der Irrtum vermeidbar war oder nicht.[187] Anwendungsfall eines Tatbestandsirrtums ist daher die in Rn. 151 behandelte Konstellation, in der Jäger A den Pilzsammler O irrtümlich für ein Reh hält und erschießt, ihm also schon die Kenntnis fehlt, einen anderen Menschen zu töten. Gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 StGB liegt daher kein vorsätzlicher Totschlag nach § 212 Abs. 1 StGB vor. Möglich ist nach § 16 Abs. 2 StGB jedoch eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB), in deren Rahmen es maßgeblich auf die Vermeid- und Vorwerfbarkeit des Irrtums ankommt.

      178Ein umgekehrter Tatbestandsirrtum liegt vor, wenn der Handelnde irrtümlich annimmt, dass ein Tatbestandsmerkmal vorliegt.[188] In diesem Fall ist der Täter wegen (untauglichen) Versuchs strafbar, es sei denn, der Versuch des jeweiligen Deliktes steht nicht unter Strafe (§ 23 Abs. 1 StGB). Somit ist Jäger A |63|strafbar wegen versuchten Totschlags gemäß §§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB, wenn er auf ein Reh schießt, welches er in der Dunkelheit irrig für den Liebhaber seiner Frau O hält, den er mit dem Schuss ums Leben bringen möchte.

      179Bei Qualifikationstatbeständen führt die Unkenntnis des Täters über ein (qualifizierendes) Tatbestandsmerkmal gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 StGB zum Vorsatzausschluss. Der Täter kann aber aus dem Grundtatbestand bestraft werden. Nimmt der Täter irrig an, das qualifizierende Tatbestandsmerkmal sei gegeben, kommt ein Versuch der Qualifikation (ggf. in Tateinheit mit dem vollendeten Grunddelikt) in Betracht.

      180Bei Privilegierungen führt die Unkenntnis eines privilegierenden Tatbestandsmerkmals dazu, dass die Bestrafung aus dem Grundtatbestand zu erfolgen hat, während die irrtümliche Annahme des privilegierenden Merkmals gem. § 16 Abs. 2 StGB zu einer Bestrafung aus dem Privilegierungstatbestand führt.[189] Tötet A den O, weil er irrig davon ausgeht, dass dieser ihn ausdrücklich und ernsthaft hierzu aufgefordert hat, ist A daher nach § 216 Abs. 1 StGB und nicht nach § 212 Abs. 1 StGB zu bestrafen, auch wenn O objektiv nicht mit der Tötung einverstanden war.

      181Abb. 3: Irrtum über Tatbestandsmerkmale

      2. Irrtum über den Kausalverlauf

      182Der Vorsatz des Täters muss sich auch auf den Kausalverlauf in seinen wesentlichen Zügen erstrecken.[190] Tritt der vom Täter gewollte Erfolg zwar ein, geschieht dies jedoch auf völlig andere Art und Weise als von ihm vorgestellt, handelt er nicht vorsätzlich. Nicht erforderlich ist allerdings, dass der Täter den Geschehensablauf in all seinen Einzelheiten vorhersieht. Nur bei erheblichen Abweichungen im tatsächlichen Geschehensablauf gegenüber dem |64|vom Täter vorgestellten Verlauf liegt ein Tatbestandsirrtum nach § 16 Abs. 1 S. 1 StGB vor, der zum Vorsatzausschluss führt.

      183Soweit im konkreten Fall das Geschehen auf andere Art und Weise zum Erfolg führt als vom Täter vorgestellt, ist in der Fallbearbeitung somit danach zu fragen, ob eine wesentliche Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf vorliegt. Der BGH nimmt hierbei eine unwesentliche und für den Tatbestandsvorsatz unbeachtliche Abweichung an, „wenn sie sich innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren (hält) und keine andere Bewertung der Tat rechtfertig(t).“[191] Hierdurch werden die Anforderungen an die Bejahung eines beachtlichen Irrtums über den Kausalverlauf hoch angesetzt. Nur unter engen Voraussetzungen, insbesondere wenn der Geschehensablauf als völlig unvorhersehbar erscheint, liegt eine vorsatzausschließende Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf vor. Besonders problemträchtig sind hierbei mehraktige Geschehensabläufe, bei denen der Erfolg entweder früher oder später eintritt als vom Täter vorgestellt.

      a) Früherer Erfolgseintritt

      184In dieser Konstellation wird der tatbestandliche Erfolg nicht durch die vom Täter vorgestellte, sondern eine früher liegende Handlung verwirklicht. Diese Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf ist nur dann unbeachtlich, wenn schon die frühere Handlung vom Vorsatz der Erfolgsherbeiführung getragen war. Es muss also zumindest die Versuchsphase erreicht sein.[192] Führt der Täter den tatbestandlichen Erfolg demgegenüber durch ein Verhalten herbei, das nach seiner Vorstellung von der Tat eine bloße Vorbereitungshandlung darstellt, handelt er unvorsätzlich. Nach diesen Abgrenzungskriterien ist im folgenden vom BGH entschiedenen Fall eine beachtliche Abweichung des Kausalverlaufs anzunehmen: A fesselte und knebelte O in dem Bewusstsein und mit dem Willen, sie später zu töten. Er verbrachte sie im Kofferraum seines PKW an einen abgelegenen Ort, führte die dort beabsichtigte Tötung dann aber nicht mehr aus, weil O bereits auf der Fahrt entgegen seinem Plan im Kofferraum erstickt war. Der BGH führt dazu aus: „Handlungen im Vorbereitungsstadium mögen zwar der Umsetzung des Tatplans dienen, setzen nach der Vorstellung und dem Willen des Täters aber noch nicht den unmittelbar in die Tatvollendung einmündenden Kausalverlauf in Gang (…). Wird der Taterfolg schon durch eine Vorbereitungshandlung bewirkt, kommt daher nur eine Verurteilung wegen fahrlässiger Verursachung dieses Erfolgs in Betracht.“[193]

      |65|b) Späterer Erfolgseintritt

      185Beachtliche Schwierigkeiten bereiten Konstellationen, in denen der Täter glaubt, den erstrebten Erfolg schon erreicht zu haben, dieser aber tatsächlich erst durch eine spätere Handlung herbeigeführt wird. Erstmals relevant wurde diese Problematik in der viel zitierten Jauchegruben-Entscheidung des BGH[194], der folgender Fall zu Grunde lag: A würgte die O mit bedingtem Tötungsvorsatz und stopfte ihr zwei Hände voll Sand in den Mund, um sie am Schreien zu hindern. O lag schließlich regungslos da und wurde von A für tot gehalten. A warf die vermeintliche Leiche in eine Jauchegrube. Erst dadurch erstickte O, die bis dahin


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