Strafrecht Allgemeiner Teil. Klaus Hoffmann-Holland

Strafrecht Allgemeiner Teil - Klaus Hoffmann-Holland


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die Rechtswidrigkeit ausschließt. Dabei ist entgegen einer verbreiteten Formel nicht davon auszugehen, dass der Tatbestand die Rechtswidrigkeit indiziere. Zwar lässt sich etwa bei einer Vergewaltigung (§ 177 Abs. 1, 2 Nr. 1 StGB) kaum der Fall einer Rechtfertigung konstruieren. Andererseits aber dürften viele Freiheitsberaubungen nach § 239 Abs. 1 StGB, die tatbestandlich Eingriffe in die persönliche Fortbewegungsfreiheit|14| voraussetzen, gerechtfertigt sein (insbesondere in Fällen der Freiheitsentziehung im Strafvollzug).

      41Auch der Tatbestand kann unterteilt werden in einen objektiven und einen subjektiven Tatbestand. Der Deliktstypus wird zum einen durch objektive (äußere) Elemente geprägt, z.B. beim Diebstahl (§ 242 Abs. 1 StGB) dadurch, dass eine fremde bewegliche Sache weggenommen wird. Zum anderen wird der Deliktstypus aber auch durch subjektive (innere) Elemente bestimmt, die einem subjektiven Tatbestand zuzuordnen sind. Die Unwertbeschreibung des Diebstahls wäre unvollständig, wenn nicht die Absicht rechtswidriger Zueignung davon umfasst wäre. Aber auch der Vorsatz (vgl. § 15 StGB) ist dem subjektiven Tatbestand zuzuordnen. Er unterscheidet bspw. den Deliktstypus des Totschlags, § 212 Abs. 1 StGB, von dem der fahrlässigen Tötung, § 222 StGB.

      42Aus diesen Unterteilungen kann das allgemeine Schema in Tab. 2 für das vollendete, vorsätzliche Begehungsdelikt als Grundform der Straftat abgeleitet werden:

      Tab. 2:

      43Vollendetes, vorsätzliches Begehungsdelikt

Prüfungsstufe Inhalt
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand Täter, Tathandlung, Taterfolg (im BT beschrieben) Kausalität objektive Zurechnung
2. Subjektiver Tatbestand Vorsatz Deliktsspezifische subjektive Tatbestandsmerkmale (im BT beschrieben)
II. Rechtswidrigkeit Rechtfertigungsgründe objektive und subjektive Rechtfertigungselemente
III. Schuld Schuldfähigkeit (§§ 19, 20 StGB) spezielle Schuldmerkmale (im BT beschrieben) Fehlen von Entschuldigungsgründen

      2. Koinzidenzprinzip und Hinweis für die Fallbearbeitung

      44Aus dem sog. Koinzidenzprinzip folgt, dass eine Strafbarkeit nur vorliegt, wenn sämtliche Voraussetzungen der Straftat in einem bestimmten Zeitpunkt gleichzeitig erfüllt sind.[47] Wer die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des |15|Totschlags erfüllt (d.h. vorsätzlich einen anderen Menschen tötet), ist daher nur dann nach § 212 Abs. 1 StGB zu bestrafen, wenn er in genau diesem Moment auch rechtswidrig und schuldhaft handelt. Liegen die Voraussetzungen von Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld zeitgleich (und sei es auch nur kurz) vor, kann sich der Täter demgegenüber nicht darauf berufen, dass er zu einem anderen Zeitpunkt die Voraussetzungen eines der Strafbarkeitselemente nicht erfüllte. Wer einen Menschen erschießt und im Zeitpunkt der Abgabe des Schusses rechtswidrig und schuldhaft handelt, kann einer Bestrafung nach § 212 Abs. 1 StGB also nicht dadurch entgehen, dass er sich darauf beruft, am vorrangegangenen Abend eine (die Schuldunfähigkeit begründende) BAK von 3,2 ‰ aufgewiesen zu haben.

      45In der Fallbearbeitung sind die Voraussetzungen von Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld nacheinander zu prüfen. Wird dabei auf einer Ebene festgestellt, dass die Strafbarkeitsvoraussetzungen nicht vorliegen, ist die Prüfung in der Regel zu beenden und nicht mehr auf die weiteren Stufen im Deliktsaufbau einzugehen, da die Straflosigkeit der betroffenen Person (hinsichtlich des geprüften Tatbestandes) bereits feststeht.

      V. Einteilung und Erscheinungsformen der Straftaten

      46Im Zusammenhang mit den Tatbeständen des Strafrecht BT können zahlreiche Unterscheidungen zwischen verschiedenen Straftaten vorgenommen werden.

      1. Verbrechen und Vergehen

      47Nach § 12 StGB sind Verbrechen und Vergehen anhand der Strafdrohung voneinander zu unterscheiden. Verbrechen sind gem. § 12 Abs. 1 StGB rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind (z.B. § 212 Abs. 1 StGB: Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren). Vergehen sind gem. § 12 Abs. 2 StGB rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bedroht sind (z.B. § 223 Abs. 1 StGB: Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe). Die Zweiteilung der Straftaten in Verbrechen und Vergehen ist relevant für

       die Strafbarkeit des Versuchs: Gem. § 23 Abs. 1 StGB ist der Versuch eines Verbrechens stets strafbar, der Versuch eines Vergehens dagegen nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt (so z.B. in § 223 Abs. 2 StGB für die versuchte Körperverletzung; die fehlende Bestimmung in § 185 StGB führt hingegen dazu, dass eine versuchte Beleidigung straflos ist).

       den Versuch der Beteiligung, der gem. § 30 StGB nur bei Verbrechen strafbar ist.

       den Verlust der Amtsfähigkeit (§ 45 Abs. 1 StGB).

      48Für die Einteilung als Vergehen oder Verbrechen bleiben gem. § 12 Abs. 3 StGB Schärfungen und Milderungen des Allgemeinen Teils oder für besonders |16|schwere oder minder schwere Fälle außer Betracht. § 12 Abs. 3 StGB betrifft Fälle, in denen der Charakter des Delikts unberührt bleibt und kein eigenständiger Deliktstypus erfasst wird. Solche Milderungen finden sich im Allgemeinen Teil z.B. in §§ 13 Abs. 2, 21, 23 Abs. 2 und 3, 27 Abs. 2 S. 2, 30 Abs. 1 S. 2, 35 Abs. 1 S. 2HS2 StGB. Minder schwere Fälle im Besonderen Teil sind z.B. §§ 213, 249 Abs. 2 StGB, besonders schwere Fälle z.B. §§ 212 Abs. 2, 253 Abs. 4 StGB.

      2. Qualifikationen und Privilegierungen

      49Anders als bei den vom Regelungsbereich des § 12 Abs. 3 StGB erfassten Strafschärfungen und -milderungen ist der Deliktstypus betroffen, wenn eine Qualifikation oder Privilegierung vorliegt. Dies ist der Fall, wenn ein Grundtatbestand durch Hinzutreten weiterer tatbestandlich beschriebener Gesetzesmerkmale so geändert wird, dass ein neuer Tatbestand entsteht, der eine höhere (dann Qualifikation) oder mildere (dann Privilegierung) Strafdrohung vorsieht. Grundtatbestände beschreiben die Grundform des Deliktstypus anhand von Mindestmerkmalen. Bsp. für eine Qualifikation ist somit die gefährliche Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 StGB) gegenüber dem Grundtatbestand der (einfachen) Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB). Bsp. für eine Privilegierung ist die Tötung auf Verlangen (§ 216 Abs. 1 StGB) gegenüber dem Grundtatbestand des Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB).[48]

      3. Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikte

      50Gem. § 15 StGB ist nur vorsätzliches Handeln strafbar, es sei denn, das Gesetz bedroht fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe. Dementsprechend ist zwischen Vorsatzdelikten, die voraussetzen, dass der Täter mit Vorsatz handelt (z.B. die Sachbeschädigung in § 303 Abs. 1 StGB), und Fahrlässigkeitsdelikten, die ein fahrlässiges Verhalten des Täters ausreichen lassen (vgl. etwa die fahrlässige Tötung


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