Rechtswissenschaftliches Arbeiten. Florian Keßenich
und im öffentlichen Recht Grundstrukturen, aus denen sich Aufbau- und Prüfungsschemata ableiten lassen. Man kann auch insofern von einer allgemeinen Methodik der Fallprüfung sprechen.
aa) Strafrecht
Die Straftat wird zumindest gedanklich in die systematischen Kategorien der Tatbestandsmäßigkeit, der Rechtswidrigkeit und der Schuld zerlegt. Man spricht in diesem Kontext vom sog. dreigliedrigen Verbrechensbegriff.[152] Hieraus lässt sich ein allgemeines Prüfungsschema ableiten, das den Ausgangspunkt für jede strafrechtliche Prüfung bildet.
Dreigliedriges Prüfungsschema:
1 Tatbestandsmäßigkeit
2 Rechtswidrigkeit, d.h. Fehlen von Rechtfertigungsgründen
3 Schuld, d.h. Vorhandensein von positiven Schuldmerkmalen und Fehlen von negativen Schuldmerkmalen
bb) Öffentliches Recht
Soll die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns geprüft werden, orientiert sich die Prüfung stets an folgendem Aufbau[153]:
1 |46|Ermächtigungsgrundlage
2 formelle Rechtmäßigkeit, d.h. Zuständigkeit, Verfahren und Form
3 materielle Rechtmäßigkeit, insbesondere Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
2. Juristische Themenarbeiten
Bei Themenarbeiten, wie Seminar-, Bachelor- oder Master-Arbeiten, ist der Verfasser in der Gliederung freier als bei einer juristischen Falllösung. Die Hinweise zur Bearbeitung müssen darum zwangsläufig auf grobe Richtlinien beschränkt bleiben. Eine Einteilung in die Hauptbestandteile Einleitung, Hauptteil und Schluss liegt aber nahe.
a) Einleitung
Die Einleitung einer juristischen Themenarbeit ist fester Bestandteil des Textteils. Sie soll dem Leser der Arbeit das Thema, den Aufbau und das Ziel der Ausarbeitung vorstellen und einen Überblick über die Arbeit bieten. Als Grundregel ist zu beachten, dass die Einleitung – obgleich am Anfang der Arbeit platziert – immer erst am Ende der Bearbeitung verfasst werden sollte.[154] Erst zu diesem Zeitpunkt stehen die Ergebnisse der Bearbeitung fest. Erst dann sind konzise und verlässliche Aussagen möglich.
b) Hauptteil
Nach dem einleitenden Kapitel folgt der Hauptteil als Kernstück der Themenarbeit. Dies ist der Teil der Arbeit, in dem der Verfasser seine Lösung entwickelt und begründet.
Der Aufbau und die Gliederung des Hauptteils hängen von der individuellen Fragestellung und dem Typus der Arbeit ab. Den einen Aufbau gibt es nicht. Oft bietet sich eine grobe Unterteilung in einen allgemeinen Teil an, der die Grundlagen vermittelt, und in einen besonderen Teil, der die konkrete Forschungsfrage auf der Basis des allgemeinen Teils vertieft. Dies muss aber nicht zwangsläufig so sein. Oberste Gebote sind allgemein die Grundsätze der Übersichtlichkeit, der Verständlichkeit und der logischen Schlüssigkeit.
Besonderes Gewicht ist neben der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Thema auf die Verständlichkeit zu legen. Nur wenn der Leser „an die Hand“ genommen wird, ist eine sinnvolle Auseinandersetzung mit den gewonnenen Erkenntnissen möglich. Die Verständlichkeit wird zunächst durch Klarheit und Stringenz der |47|Argumentation gefördert. Ein „roter Faden“ ist essentiell für die Vermittlung der Erkenntnisse einer Themenarbeit.[155]
Darüber hinaus erleichtert es das Verständnis, wenn bei längeren Texten den einzelnen Abschnitten oder Kapiteln kurze Einleitungen vorangestellt und kurze Zusammenfassungen ans Ende gestellt werden. Diese Art der „Wegweisung“ erleichtert das Verständnis – vor allem bei Lektüre unter Zeitdruck – erheblich.[156]
c) Schluss
Im Schlussteil der Themenarbeit werden die gewonnenen Erkenntnisse zusammengefasst. Dies ist auch der Ort für eine Schlussfolgerung oder ein Fazit, insbesondere aber auch für einen Ausblick. Vor allem der Ausblick auf weitere, noch erforderliche oder wünschenswerte Forschungen auf dem jeweiligen Rechtsgebiet können Teil der gewonnenen Erkenntnisse und damit wichtiger Bestandteil einer Themenarbeit sein. Der Schlussteil ist zudem auch der richtige Ort für die Formulierung weiterreichender Lösungsansätze oder -vorschläge, so z.B. der Formulierung von Gesetzgebungs- oder Gesetzesänderungsvorschlägen.
3. Überschriftennummerierung
Im Folgenden werden die zwei gängigen Arten zur Überschriftennummerierung – entweder im Dezimalsystem oder im alphanumerischen System – vorgestellt. Für juristisch-wissenschaftliche Arbeiten muss jeweils ausschließlich die eine oder andere Gliederungstechnik angewandt werden. Eine Kombination verschiedener Gliederungs- und Nummerierungsoptionen ist zu vermeiden.[157]
Allgemein ist überdies die zwingende Vorgabe zu beachten, dass sich auf jeder Ebene der Gliederung immer mindestens zwei Gliederungspunkte befinden.[158] Daher ist folgender Merksatz zutreffend:
Wer a) sagt, muss auch b) sagen!
|48|a) Dezimalsystem
Die Gliederung einer Arbeit im Dezimalsystem ist logisch nach mathematischen Prinzipien aufgebaut und wird gelegentlich als im Vergleich zur alphanumerischen Gliederung „moderner“ beschrieben.[159] Zu beachten ist jedoch, dass es für den Leser unter Umständen schwierig werden kann, bei der Lektüre den Überblick zu behalten. Dies gilt vor allem in Fällen zahlreicher Untergliederungspunkte.[160] Ob ein Dezimalsystem jenseits seiner erheblichen Probleme mit der Übersichtlichkeit einen Vorteil an Klarheit darüber bieten kann, an welcher Stelle der Argumentation sich der Leser gerade befindet,[161] mag bezweifelt werden. Letzten Endes muss wohl davon ausgegangen werden, dass das menschliche Gedächtnis besser mit einer Abfolge von Zahlen und Buchstaben als mit einer variierenden Ziffernfolge klarkommt.[162]
1 Ansprüche D gegen K 71.1 Anspruch auf Übereignung des Miteigentums (§ 433 Abs. 1 BGB) 71.1.1 Vorüberlegung: Vertragsschluss bei Online-Auktionen 71.1.2 Abgabe einer eigenen Willenserklärung der T 71.1.3 Handeln unter fremden Namen 71.1.3.1 Namenstäuschung („Namenslüge“) 81.1.3.2 Identitätstäuschung 81.1.3.3 Auslegung und Anwendung 81.1.4 Vertretungsmacht 91.1.4.1 Duldungsvollmacht 91.1.4.2 Anscheinsvollmacht 101.1.5 Ergebnis 121.2 Schadensersatz aus §§ 280, 281 Abs. 1, 433 BGB 12
Abb. 5: Schema der Dezimalgliederung aus Musterhausarbeit
b) Klassische (alphanumerische) Gliederung
Die traditionell gängigste Gliederungsoption für juristisch-wissenschaftliche Arbeiten ist die alphanumerische Gliederung. Diese ist auch für die juristische Falllösung empfehlenswert. Das alphanumerische System kombiniert römische sowie arabische Zahlen und groß oder klein geschriebene Buchstaben.[163] Der Vorteil gegenüber dem Dezimalsystem ist, dass letzteres bei zu vielen Gliederungsebenen leicht unübersichtlich werden kann. Dies gilt z.B. für einen Gliederungspunkt mit der Bezeichnung |49|„2.3.5.4.“ Eine entsprechende Gliederung im alphanumerischen System heißt z.B. „B. III. 5. d)“. Wenngleich sich der „Informationsvorteil“ nicht in jedem Fall sofort erschließen mag, spricht doch jedenfalls die Gewohnheit (auch und vor allem der benotenden Leser) für die letzte Variante. In jedem Fall sollte aber auch bei der alphanumerischen Gliederung darauf geachtet werden, dass in der Regel nicht mehr als fünf Gliederungsebenen gebildet werden.[164] Die Gliederungsebenen sind üblicherweise A. → I. → 1. → a) → aa) → (1).
1 Ansprüche D gegen K 7Anspruch auf Übereignung des Miteigentums (§ 433 Abs. 1 BGB) 7Vorüberlegung: Vertragsschluss bei Online-Auktionen 7Abgabe einer eigenen Willenserklärung der T 7Handeln unter fremdem Namen 7Namenstäuschung („Namenslüge“) 8Identitätstäuschung 8Auslegung und Anwendung 8Vertretungsmacht 9Duldungsvollmacht 9Anscheinsvollmacht 10Ergebnis