Rechtslexikon BGB. Sybille Neumann
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Erläuterungen
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Der Begriff des Gefahrübergangs oder der Gefahrtragung spielt eine große Rolle im Schuldrecht.
Im wichtigsten schuldrechtlichen Vertrag (Vertrag), dem Kaufvertrag (Kaufvertrag), geht gem. § 446 BGB die Gefahr der zufälligen Verschlechterung oder des zufälligen Untergangs mit Übergabe der Sache auf den Käufer über.
Beispiel:
Käuferin Annika Klein bezahlt an der Kasse des Kaufhauses van Vogt GmbH die von ihr zuvor ausgesuchte Kristallvase. Nach Zahlung und Übergabe der Vase rumpelt sie ein Passant an und die Vase fällt zu Boden. Da die Übergabe der Vase durch den Verkäufer bereits stattgefunden hat, ging die Gefahr des zufälligen Untergangs bereits auf Annika über und sie hat keinerlei Ansprüche mehr gegenüber dem Kaufhaus.
Die Begriffe Gefahrübergang und Leistungsort (Leistungsort) hängen eng miteinander zusammen: Denn der Leistungsort – in unserem Fall der Sitz des Kaufhauses – und der Ort des Gefahrübergangs sind meist identisch. Eine Ausnahme vom Gefahrübergang nach § 446 BGB stellt der Versendungskauf (Versendungskauf) nach § 447 BGB dar.
Bis zum Gefahrübergang trifft die Leistungsgefahr den Schuldner.
Beispiel:
Lässt im o.g. Beispielsfall der Kassierer die Vase vor der Übergabe an die Käuferin Klein fallen, so kann Annika Klein bei einer Gattungsschuld (Gattungsschuld) die Übergabe einer neuen Vase verlangen.
Für die Leistungsgefahr sind zudem die allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften (§§ 275, 280 ff., 311a Abs. 2, 323 BGB) zu beachten.
Weiterführende Literatur
Dagmar Coester-Waltjen, Die Gegenleistungsgefahr, JURA 2007, S. 110–114.
G › Gegenseitiger Vertrag §§ 320 ff. BGB
Gegenseitiger Vertrag §§ 320 ff. BGB
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Bei einem gegenseitigen Vertrag verpflichten sich die Vertragsparteien gegenseitig zu Leistungen. Beide Vertragsparteien sind sowohl Gläubiger (Gläubiger und Schuldner) als auch Schuldner. Kennzeichnend für die Gegenseitigkeit ist, dass die Hauptleistung der einen Partei jeweils die Hauptleistung der anderen Partei bedingt. Anders als beim unvollkommen zweiseitig verpflichtenden Vertrag (unvollkommen zweiseitig verpflichtender Vertrag) bestehen auf beiden Seiten Hauptleistungspflichten (Schuldverhältnis), die in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zueinander stehen, welches man auch Synallagma nennt.
G › Gegenseitiger Vertrag §§ 320 ff. BGB › Erläuterungen
Erläuterungen
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Der gegenseitige Vertrag ist im Wirtschaftsleben die Regel. Das BGB widmet ihm einen ganzen Titel (2. Buch, Abschnitt 3, Titel 2; §§ 320 – 326 BGB). Wichtige Beispiele für den gegenseitigen Vertrag sind der Kaufvertrag, der Mietvertrag, der Dienstvertrag und der Werkvertrag (dies sind nur wenige Beispiele für eine große Zahl an gegenseitigen Verträgen). Bei einem gegenseitigen Vertrag ist der Schuldner der Leistung der Gläubiger der Gegenleistung.
Beispiel:
Der Käufer ist Schuldner der Kaufpreiszahlung und Gläubiger der Übereignung der Sache. Umgekehrt ist der Verkäufer Schuldner der Übereignung der Sache und Gläubiger der Kaufpreiszahlung.
Nur die Hauptleistungspflichten stehen in einem solchen Gegenseitigkeitsverhältnis. Für Nebenpflichten – wie etwa die Beifügung einer Gebrauchsanleitung für ein kompliziertes Fernsehgerät – gilt dies nicht.
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Übung
Lesen Sie § 535 BGB. Bitte führen Sie aus, warum es sich bei dem Mietvertrag um einen gegenseitigen Vertrag handelt und welche Pflichten im Synallagma stehen.
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Lösung
Bei einem Mietvertrag handelt es sich um einen gegenseitigen Vertrag, da der Vermieter sich zur Überlassung der Mietsache verpflichtet und der Mieter im Gegenzug die Verpflichtung eingeht, die vereinbarte Miete an den Vermieter zu zahlen. Mietzahlung und Bereitstellung der Mietsache stehen deswegen in einem Gegenseitigkeitsverhältnis, dem Synallagma: Der Mieter würde sich nicht zur Zahlung des Mietzinses verpflichten, wenn der Vermieter sich ihm gegenüber nicht zur Überlassung der Mietsache verpflichten würde und umgekehrt.
G › Gesamtschuldner § 421 BGB
Gesamtschuldner § 421 BGB
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Für den Begriff des Gesamtschuldners hält das BGB in § 421 S. 1 BGB eine Legaldefinition vor. Aus dieser Definition ergibt sich, dass eine Gesamtschuld dann vorliegt, wenn es für eine Leistung mehrere Schuldner gibt und der Gläubiger sich nach seiner Wahl an einen oder mehrere Schuldner für die Begleichung seiner Forderung (Anspruch) wenden kann, allerdings die (gesamte) Leistung nur einmal verlangen darf.
G › Gesamtschuldner § 421 BGB › Erläuterungen
Erläuterungen
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Bei der Gesamtschuld hat der Gläubiger mehrere Schuldner, die ihm eine (ganze) Leistung schulden.
Die Gesamtschuld kann vertraglich vereinbart werden. Häufig ergibt sie sich aus dem Gesetz (s. beispielweise § 840 BGB, § 128 Abs. 1 HGB)
Für den Gläubiger ist die Gesamtschuld sehr vorteilhaft. Er kann sich nämlich aussuchen, an welche bzw. welchen Schuldner er sich wendet.
Beispiel:
Gläubigerin Sabine Müller hat gegenüber den Gesamtschuldnern Vera Meier, Matthias Schmitt und Silvie Klein eine Forderung in Höhe von 10.000 €. Frau Müller kann beispielsweise von Silvie Klein den gesamten Betrag von 10.000 € fordern oder von Vera und Silvie jeweils 3.000 € und von Matthias die restlichen 4.000 €. Die Aufteilung ist ihr überlassen. Freilich darf sie insgesamt nicht mehr als die geschuldeten 10.000 € verlangen.
Für die Schuldner ist die Gesamtschuld – wie man anhand des