Klausurenkurs im Strafprozessrecht. Marco Mansdörfer

Klausurenkurs im Strafprozessrecht - Marco Mansdörfer


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sich einige strafverfahrensrechtliche Fragenstellungen auch auf das materielle Strafrecht aus. Eine Systematisierung rechtlicher Fragestellungen zu bestimmten Klausurtypen ist im Gegensatz zum Zivilprozessrecht oder öffentlichen Gerichtsverfahrensrecht nur bedingt möglich. Materiell-rechtliche Fragestellung der bloßen Strafbarkeit treten bei strafprozessualen Fragen im Gegensatz zu verfahrensrechtlichen Klausuren anderer Rechtsgebiete eher in den Hintergrund, da das Strafverfahrensrecht nicht auf die bloße Durchsetzung der materiellen Rechtslage ausgerichtet ist, sondern in seiner Gesamtordnung auf die Wahrung und den Ausgleich unterschiedlicher rechtsstaatlich gewährter Interessen gerichtet ist. All dies fordert vom Rechtsanwender bei der Bearbeitung rechtlichen Fragestellungen ein hohes Maß an Verständnis für die normative Systematik der Strafprozessordnung, um die rechtlichen Auswirkungen der einzelnen Regelungen auf den Verfahrensablauf und Verfahrensabschluss erkennen zu können. Freilich gibt es trotz dieser Komplexität auch im Strafverfahrensrecht bestimmte Typen von Aufgabenstellungen, wie etwa die Revisionsklausur. Die Fallsammlung geht in den einzelnen Fällen auf verschiedene rechtliche Fragestellungen ein, um dem Leser die inneren Zusammenhänge der Regelungen der Strafprozessordnung aufzuzeigen und eine Hilfestellung bei ihrer weiteren Erschließung zu bieten. Auf dieser Grundlage soll die Fähigkeit entwickelt werden, eigenständig auch unbekannte Aufgabenstellungen gutachterlich zu lösen. Eine Überfrachtung der Inhalte mit Informationen und die damit verbundene Überforderung des Lesers soll grundsätzlich vermieden werden. Ziel der Fallsammlung ist nicht die erschöpfende Vermittlung des gesamten Strafverfahrensrechts; vielmehr steht die Veranschaulichung der methodischen Arbeit am Fall im Vordergrund, um dem Leser das weitere verständige und anwendungsorientierte Erarbeiten der Materie zu erleichtern. Der Umfang der in der Falllösung angegebenen Fundstellen wurde auf ein didaktisch sinnvoll erscheinendes Maß begrenzt, sodass der Leser beim Durcharbeiten der Lösung auf entsprechende Lernmaterialien hingewiesen wird. Zur Vertiefung finden sich – wo geboten – weitere Hinweise im Anschluss an den Lösungsvorschlag; hierbei handelt es sich um eine Zusammenstellung vertiefender methodischer Darstellungen, die weitergehende systematische Zusammenhänge aufzeigen.

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      Bei der Arbeit mit diesem Buch ist der Leser weitgehend frei, da es die unterschiedlichsten Lerntypen gibt. Eine verbindliche Lern- und Arbeitsvorgabe soll daher nicht gegeben werden; es kann allenfalls bei didaktischen Empfehlungen bleiben. Unverzichtbar bleibt aber in jedem Fall das Hinzuziehen eines Lehrbuchs. Das Buch stellt eine Zusammenstellung von 18 Fällen dar, die sich aus unterschiedlichen normativen Bereichen der Strafprozessordnung zusammensetzen. Alle Fälle können zum Bestandteil einer Prüfung gemacht werden; die Fälle sind jedoch aus didaktischen Gründen weitgehend von geringerem Umfang, sodass sie sich als strafprozessuale Zusatzfrage eigenen, nicht jedoch als eigenständige Klausur. Um das Lernen mit der Fallsammlung zu erleichtern, wurde die Darstellung um einige didaktische Hilfen ergänzt. Den eigentlichen Falllösungen stets vorangestellt sind gedankliche Vorüberlegungen, die sich mit der spezifischen Herangehensweise zur Erstellung der Lösung, der Schwerpunktsetzung und ggf. zu ähnlich gelagerten und zusammenhängenden Themenfeldern auseinandersetzen. Sie sollen dem Leser eine Hilfestellung zur Entwicklung einer gedanklichen Herangehensweise liefern. Die zu den Fällen gehörenden Lösungen wurden überwiegend als Rechtsgutachten ausgestaltet. Hierbei handelt es sich freilich stets nur um Lösungsvorschläge, die keinen Anspruch auf alleinige Richtigkeit unter Ausschluss aller anderer Lösungsmöglichkeiten für sich erheben; alternative Ansichten und Herangehensweisen sind im Rahmen korrekter Rechtsanwendung stets vertretbar. In der gutachterlichen Untersuchung sind die Prüfungspunkte als Überschriften kenntlich gemacht. Die gutachterliche Erörterung ist an den unproblematischen Punkten bewusst konzentriert gehalten; ein stoisch durchzuhaltender Gutachtenstil, der auf sämtliche noch so unproblematisch festzustellende normative Voraussetzungen rechtlicher Vorschriften eingeht, ist weder methodisch gefordert noch sachlich geboten und stellt eine analytische Fehlleistung dar (eingehend zur methodischen Problematik des Gebrauchs des Gutachtensstils Lagodny/Mansdörfer/Putzke, ZJS 2014, 157 [159 ff.]). Innerhalb der Falllösung finden sich bei didaktischer Gebotenheit Anmerkungen zu Methodik, rechtlichen Entwicklungen und vergleichbaren Problemgestaltungen. Am Ende der Falllösungen befinden sich bei didaktischer Sinnhaftigkeit weiterführende und vertiefende Lern- und Lesehinweise sowie Aufbauvorschläge als weitere Hilfestellung, um dem Leser die Möglichkeit zu eröffnen, die Tragweite der dargestellten Methodik für weitere dogmatische Felder des Strafverfahrensrechts zu erfassen.

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      Bei der Gestaltung der eigentlichen Lern- und Studienarbeit mit diesem Buch wurden dem Verwender alle Freiheiten gelassen. Die Fälle können unter Hinzuziehung von dogmatischen Lehrwerken durchgearbeitet werden. Als Lehrbuch für die umfassende Erarbeitung der dogmatischen Grundlagen zum Strafprozessrecht wird das Werk von Beulke/Swoboda empfohlen. Umgekehrt kann zur Erlangung eines Gesamtüberblicks über das Rechtsgebiet der Schwerpunkt zunächst auf die Erarbeitung der theoretischen Materie anhand eines Lehrbuchs gesetzt werden, wobei die Fallsammlung als praktischer Anwendungsleitfaden herangezogen werden kann. Schließlich können die Fälle auch nach dem Prinzip „learning by doing“ als Übungsmaterial für die eigenständige gutachterliche Fallbearbeitung herangezogen werden; hierzu wurde jedem Fall eine empfohlene Höchstbearbeitungszeit beigefügt. Schließlich kann die Fallsammlung zum reinen Erlernen der Methodik systematischer Rechtsanwendung von Lesern herangezogen werden, die bereits über umfassende dogmatische Kenntnisse des Strafprozessrechts verfügen, wie Studierende in Vorbereitung auf die Erste Juristische Prüfung oder Rechtsreferendare. Gleich auf welchem Ausbildungsstand sich der Verwender dieser Fallsammlung befindet, sind ihre didaktischen Anwendungsmöglichkeiten zum Erwerb methodischer Fertigkeiten im Strafprozessrecht vielseitig.

      Ich wünsche dem Leser bei der Erschließung eines der spannendsten Rechtsgebiete unserer Rechtsordnung viel Vergnügen und für dessen weiteren Weg viel Durchhaltevermögen und Erfolg.

      Fall 1 Ablehnung eines Richters bzw. Staatsanwalts wegen Befangenheit

      Fall 1 Ablehnung eines Richters bzw. Staatsanwalts wegen Befangenheit

      Inhaltsverzeichnis

       Vorüberlegungen

       Gliederung

       Lösungsvorschlag

       Ergänzungen und Vertiefung

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      Der Verteidiger des Angeklagten Y nahm am Abend des 22. Januar 2015 erstmals von dem Facebook-Account des Vorsitzenden der Strafkammer (V) Kenntnis. Im öffentlich zugänglichen Bereich war auf der Profilseite ein Lichtbild des Vorsitzenden zu sehen, auf dem dieser mit einem Bierglas in der Hand auf einer Terrasse sitzt und ein T-Shirt trägt, das mit der Aufschrift: „Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA“ bedruckt ist. Auf derselben Seite war vermerkt: „2. Große Strafkammer bei Landgericht Rostock“. In der Zeile darunter hieß es: „1996 bis heute“. Im Kommentarbereich befand sich ein Eintrag des Vorsitzenden, der wie folgt lautete: „Das ist mein ,Wenn du rauskommst, bin ich in Rente‘-Blick“. Dieser Eintrag wurde von einem Benutzer mit den Worten: „… sprach der schwedische Gardinen-Verkäufer! :-))“ kommentiert, was wiederum von zwei Personen, darunter der Vorsitzende, „geliked“ wurde. Ein solches „Like“ wird gemeinhin als Zustimmung zur Aussage verstanden.

      Zu Beginn des nächsten Hauptverhandlungstages lehnte der Angeklagte Y daraufhin den Vorsitzenden wegen des Inhalts der Facebook-Seite und weiterer Umstände wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. In der Folgezeit äußerte sich der Vorsitzende dienstlich zu dem, den Facebook-Account betreffenden, Inhalt des Ablehnungsgesuches


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