Klausurenkurs im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht. Thomas Rauscher
Sonstige Familiensache
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Für Sonstige Familiensachen sind deutsche Gerichte international zuständig gemäß §§ 105, 267 FamFG. Da keine Ehesache anhängig ist (§ 267 Abs. 1 FamFG), ist, wie schon für die Güterrechtssache, abzustellen auf die ZPO-Zuständigkeiten (§ 267 Abs. 2 FamFG), wobei in §§ 12, 13 ZPO der gewöhnliche Aufenthalt den Wohnsitz ersetzt. Da der Antragsgegner keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, käme wiederum nur eine Zuständigkeit deutscher Gerichte aus § 23 ZPO in Betracht, für die sich aus dem Sachverhalt nichts ergibt.
2. Örtliche, sachliche Zuständigkeit
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Damit ist die örtliche Zuständigkeit, die sich ebenfalls nach § 267 FamFG bestimmt, nicht zu prüfen, auch nicht die sachliche, die sich nach § 111 Nr 10 FamFG beurteilt.
Ergebnis:
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Eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für ehegüterrechtliche Ansprüche fehlt. Ebenso fehlt eine internationale Zuständigkeit für Ansprüche auf mehriye, die verfahrensrechtlich als sonstige Familiensachen zu qualifizieren sind.
Für Unterhaltsansprüche folgt die internationale und örtliche Zuständigkeit des AG München – Familiengericht – aus Art. 3 lit. b EG-UntVO.
Für den nachzuholenden Versorgungsausgleich besteht eine internationale Zuständigkeit aus § 102 Nr 1 FamFG, sowie die örtliche Zuständigkeit des AG München – Familiengericht – aus § 218 Nr 4 FamFG; das Verfahren ist Familiensache nach § 111 Nr 7 FamFG.
Frage 3: Wirksame Ehescheidung
1. Verfahrensrechtliche Vorfrage
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Soweit der Tatbestand einer anzuwendenden materiellen Norm die Ehescheidung voraussetzt, handelt es sich um eine Vorfrage. Dies ist vorliegend für §§ 1569 ff, 1573 BGB sowie für §§ 1 ff VersAusglG (der VA findet nach §§ 9 ff, 20 ff VersAusglG nur bei oder nach Scheidung statt) der Fall. Da eine ausländische gerichtliche Ehescheidung vorliegt, findet jedoch keine kollisionsrechtliche Vorfragenanknüpfung statt, sondern es ist die Anerkennung der ausländischen Ehescheidung zu prüfen.
2. Keine Anwendung der Brüssel IIa-VO
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Die Scheidung aus Florida müsste also in Deutschland anzuerkennen sein.
Art. 21 ff Brüssel IIa-VO sind für die Anerkennung einer Ehescheidung aus den USA nicht anzuwenden; die Anerkennung nach der VO erfasst nur die „in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen“ (Art. 21 Abs. 1 Brüssel IIa-VO). Da die Ehescheidung aus deutscher verfahrensrechtlicher Sicht eine Familiensache ist (§§ 111 Nr 1, 121 Nr 1 FamFG), bestimmt sich die Anerkennung nicht nach § 328 ZPO, sondern nach §§ 107 ff FamFG.
3. Anerkennungsmonopol der LJV (§ 107 FamFG)
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Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung in Ehesachen erfolgt gemäß § 107 FamFG in einem bei der Landesjustizverwaltung durchzuführenden gesonderten Anerkennungsverfahren in Ausnahme vom sonst (§ 328 ZPO, § 108 FamFG, Art. 21 Abs. 1 Hs. 2 Brüssel IIa-VO) geltenden Grundsatz der Inzidentanerkennung. Ausgenommen sind nur Entscheidungen aus dem Staat, dem beide Ehegatten zur Zeit der Entscheidung angehörten (§ 107 Abs. 1 S. 2 FamFG), was vorliegend nicht der Fall ist. Das mit der Folgesache befasste AG München – Familiengericht – kann also nicht selbst die vorfragliche Anerkennungsfähigkeit prüfen.
Das vor der Landesjustizverwaltung des Bundeslandes, in dem ein Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 107 Abs. 2 S. 1 FamFG), also Bayern, durchzuführende Verfahren wurde bisher nicht durchgeführt. Da das Gericht mangels eines eigenen rechtlichen Interesses nicht selbst antragsberechtigt ist (§ 107 Abs. 4 S. 2 FamFG), wird es daher das Unterhaltsverfahren und das VA-Verfahren[19] nach § 113 Abs. 1 FamFG iVm § 148 ZPO wegen Vorgreiflichkeit der Entscheidung der bayerischen Landesjustizverwaltung auf Antrag eines Beteiligten (hier absehbar der Leila) aussetzen.
4. Anerkennungsvoraussetzungen (§ 109 FamFG)
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Ob die Ehegatten im Ergebnis wirksam geschieden sind, hängt von der Beurteilung der Anerkennungsvoraussetzungen im Verfahren nach § 107 FamFG ab. Diese bestimmen sich auch im Verfahren nach § 107 FamFG für gerichtliche ausländische Ehescheidungen gemäß § 109 FamFG, der die Anerkennungsvoraussetzungen sowohl für die Anerkennung nach § 107 FamFG als auch für die nach § 108 FamFG regelt.
a) Spiegelbildliche Zuständigkeit
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Die Gerichte des Urteilsstaates müssten spiegelbildlich zuständig gewesen sein (§ 109 Abs. 1 Nr 1 FamFG). Dabei genügt es für Entscheidungen aus einem Staat mit verschiedenen Jurisdiktionen, wenn der Gesamtstaat (hier USA) bei gespiegelter Anwendung deutschen Zuständigkeitsrechts zuständig wäre. Die innerstaatliche Zuständigkeitsverteilung fremder Staaten ist deren Sache und entzieht sich der Bewertung im Anerkennungsstadium.
Fraglich ist, ob im Rahmen des § 109 Abs. 1 Nr 1 FamFG nur auf Zuständigkeiten nach § 98 FamFG abzustellen ist oder, wie für die eigene Zuständigkeitsbestimmung, vorrangig auf Art. 3 Brüssel IIa-VO. Für Ersteres spräche prima facie, dass gegenüber Drittländern die Anerkennung nicht nach Art. 21 ff Brüssel IIa-VO erfolgt. Gleichwohl erfordert es die ratio des § 109 Abs. 1 Nr 1 FamFG fremde Urteile anzuerkennen, solange sie sich im Rahmen der vor deutschen Gerichten geltenden Zuständigkeitsmaßstäbe halten; ein Anerkennungshindernis kann nur bestehen, wenn in einem gespiegelten Fall deutsche Gerichte sich nicht für zuständig hielten, das ausländische Verfahrensrecht also nach deutschem Maßstab sich eine zu weite Zuständigkeit anmaßt. Zum Arsenal der aus deutscher Sicht anwendbaren Zuständigkeiten gehört aber auch Art. 3 Brüssel IIa-VO, der bei gewöhnlichem Aufenthalt beider Ehegatten in einem Mitgliedstaat unbeschadet der Beteiligung von Nicht-EU-Bürgern sogar Ausschließlichkeit gegenüber der Anwendung nationalen Zuständigkeitsrechts in anderen Mitgliedstaaten beansprucht. Gegen eine Spiegelung des Art. 3 Brüssel IIa-VO spricht auch nicht, dass dort von „Gerichte des Mitgliedstaats“ die Rede ist. § 98 FamFG spricht sogar von „deutschen Gerichten“; der Austausch solcher Begriffe bedeutet gerade das Prinzip der Spiegelung. Lediglich die Ausschließlichkeit der Brüssel IIa-VO ließe sich nicht spiegeln, sodass jedenfalls subsidiär immer auch § 98 FamFG eine spiegelbildliche Zuständigkeit vermitteln kann.[20] Im Fall folgt die spiegelbildliche Zuständigkeit von US-Gerichten jedoch bereits aus Art. 3 Abs. 1 lit. a Str. 2 Brüssel IIa-VO (letzter gemeinsamer, von einem Ehegatten beibehaltener gewöhnlicher Aufenthalt).
b) Zustellung verfahrenseinleitendes Schriftstück
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§ 109 Abs. 1 Nr 2 FamFG müsste gewahrt sein. Fraglich ist, ob sich Laila im dortigen Verfahren eingelassen hat; davon kann bei einem schlichten Brief ohne anwaltliche Vertretung nicht ohne nähere Kenntnis des fremden Prozessrechts ausgegangen werden.
Die Einlassung kann aber dahinstehen, wenn eine ordnungsgemäße und rechtzeitige Zustellung[21] des Scheidungsantrags erfolgt ist. Die Zustellung müsste nach dem Zustellungsrecht des Gerichtsstaates einschließlich der völkervertraglichen Übereinkommen wirksam sein.
Maßgeblich für die Ordnungsgemäßheit