Kapitalmarktrecht. Petra Buck-Heeb
Weitere Voraussetzung ist die haftungsbegründende Kausalität. Es muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem fehlerhaften Prospekt und dem Erwerb der Wertpapiere bestehen. Die Wertpapiere müssen aufgrund des Prospekts erworben worden sein (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 WpPG)[6]. Der Anspruchsgegner hat zu beweisen, dass der Anleger die Wertpapiere etwa nur auf den Rat eines Freundes hin oder wegen vermeintlicher Insiderkenntnisse erworben hat. Der Prospekt darf also in keiner Weise zum Erwerb der Wertpapiere beigetragen haben[7].
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Diese gesetzlich festgelegte Beweislastumkehr ist Ausfluss der Rechtsprechung zur sog. Anlagestimmung. Bei individuell geprägten Willensentschlüssen wie der Anlageentscheidung ist zwar grds ein Anscheinsbeweis ausgeschlossen, dennoch machte die Rechtsprechung für die Prospekthaftung ursprünglich eine Ausnahme[8]. So ging sie zugunsten des Anlegers davon aus, dass der Prospekt die Einschätzung des Wertpapiers in Fachkreisen mitbestimmt und damit beim Publikum eine Anlagestimmung erzeugt. Auf eine tatsächliche Kenntnis des Anlegers vom Prospekt kam es dabei nicht an[9].
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Für eine Haftung nach § 9 Abs. 1 WpPG ist Verschulden erforderlich, dh der Adressat der Prospekthaftung muss die Fehlerhaftigkeit des Prospekts gekannt oder grob fahrlässig nicht gekannt haben (§ 12 Abs. 1 WpPG). Das Verschulden wird vermutet; der Anspruchsgegner kann es im Einzelfall entkräften. Grobe Fahrlässigkeit bedeutet, dass die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wurde. Dabei spielt der persönliche Kenntnisstand des Prospektverantwortlichen eine Rolle.
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Es darf auch kein Haftungsausschluss nach § 12 WpPG vorliegen. Dabei ist zwischen individueller Entlastung mangels Verschuldens und allgemeiner Entlastung etwa durch den Nachweis fehlender haftungsbegründender (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 WpPG) oder haftungsausfüllender Kausalität (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 WpPG) zu unterscheiden.
282
Eine Haftungsbeschränkung oder ein Haftungserlass im Voraus ist unwirksam (§ 16 Abs. 1 WpPG). Anders als noch bei § 47 Abs. 2 BörsG aF besteht keine Beschränkung auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit, vielmehr kommen deliktische Ansprüche auch bei lediglich fahrlässigem Verhalten in Betracht (§ 16 Abs. 2 WpPG)[10].
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Es gelten die allgemeinen Verjährungsregeln der §§ 195, 199 BGB. Die Ansprüche wegen eines fehlerhaften (oder fehlenden) Prospekts verjähren daher innerhalb von drei Jahren ab dem Schluss des Jahres, in dem der Gläubiger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangt, spätestens aber in zehn Jahren[11]. Des Weiteren ist nun nicht mehr positive Kenntnis des Erwerbers für den Verjährungsbeginn erforderlich, sondern es genügt grob fahrlässige Unkenntnis (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).
b) Rechtsfolgen
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Rechtsfolge ist nicht voller Schadensersatz, sondern „Rückabwicklung“[12]. § 9 WpPG differenziert danach, ob der Anspruchsteller noch Inhaber der Wertpapiere ist oder nicht. Im ersteren Fall kann er nach § 9 Abs. 1 Satz 1 WpPG die Übernahme der Wertpapiere gegen Erstattung des Erwerbspreises – maximal des Ausgabepreises – sowie die mit dem Erwerb verbundenen üblichen Kosten[13] ersetzt verlangen (Naturalrestitution). Ist der Erwerber dagegen nicht mehr Inhaber der Wertpapiere, kann er nach § 9 Abs. 2 WpPG den Unterschiedsbetrag zwischen dem Erwerbspreis, soweit dieser nicht den Ausgabepreis übersteigt, und dem Veräußerungspreis der Wertpapiere sowie die mit dem Erwerb und der Veräußerung verbundenen üblichen Kosten verlangen.
2. Haftung für fehlenden Prospekt (§ 14 WpPG)
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Nach § 14 WpPG ist auch für einen fehlenden Prospekt zu haften. Zu berücksichtigen ist, dass ein fehlender Wertpapierprospekt bereits zur mangelnden Börsenzulassung führt. In der Gesetzesbegründung wird daher klargestellt, dass der Anwendungsbereich der Regelung faktisch auf solche Prospekte beschränkt ist, die nicht Börsenzulassungsprospekte sind[14].
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Eine haftungsbegründende Kausalität der Pflichtverletzung ist nach einer Ansicht nicht erforderlich, da es nicht darauf ankommt, ob der Erwerber die Anlage auch ohne Verfahrensverstoß gekauft hätte[15]. Richtigerweise wird aber eine solche, wie in anderen Fällen auch, zu verlangen sein[16]. Umstritten ist, ob ein Verschulden erforderlich ist. Überwiegend wird davon ausgegangen, dass Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorliegen müssen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 iVm § 14 Abs. 1 WpPG analog)[17]. Ein Haftungsausschluss ergibt sich aus § 14 Abs. 4 WpPG, wenn dem Erwerber die Prospektveröffentlichungspflicht bei Erwerb bekannt ist.
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Der Anspruch aus § 14 WpPG verjährt wie bei einem fehlerhaften Prospekt gemäß §§ 195, 199 BGB. Eine Haftungsbeschränkung oder ein -erlass im Voraus sind unwirksam (§ 16 Abs. 1 WpPG). Der Anleger kann neben einem Anspruch aus § 14 WpPG auch deliktische Ansprüche geltend machen. Es genügt fahrlässiges Verhalten des Anspruchsgegners (§ 16 Abs. 2 WpPG). In Bezug auf die Rechtsfolgen enthält § 14 WpPG eine dem § 9 WpPG entsprechende Regelung.
3. Haftung für fehlerhaftes Wertpapier-Informationsblatt (§ 11 WpPG)
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Bei einem fehlerhaften Wertpapier-Informationsblatt haften nach § 11 WpPG derjenige, von dem der Erlass eines Wertpapier-Informationsblatts ausgeht, sowie der Anbieter (§ 2 Nr. 6 WpPG iVm Art. 2 lit. i ProspektVO[18]) als Gesamtschuldner. Das führt zu einem weiten persönlichen Anwendungsbereich[19]. In sachlicher Hinsicht bezieht sich die Haftungsnorm auf Erwerbgeschäfte, die zwischen der Veröffentlichung des Wertpapier-Informationsblatts und dem Ende des öffentlichen Angebots abgeschlossen wurden (§ 11 Abs. 1 WpPG). Die Geschäfte müssen jedoch spätestens innerhalb von sechs Monaten nach dem ersten öffentlichen Angebot der Wertpapiere abgeschlossen worden sein (§ 11 Abs. 1 WpPG a.E.).
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Gehaftet wird nach § 11 Abs. 1 WpPG nur, wenn das Informationsblatt fehlerhaft ist, es einen irreführenden Inhalt aufweist, oder der Warnhinweis gemäß § 4 Abs. 4 WpPG nicht enthalten ist. Nicht gehaftet wird bei Unvollständigkeit, da der Umfang des Informationsblatts von vornherein beschränkt ist.
→ Definition:
Irreführung meint, dass die Prospektangaben zwar formal korrekt sind, aber beim durchschnittlichen Anleger einen fehlerhaften Gesamteindruck bewirken[20].
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Im Gesetzestext wird nicht verlangt, dass die Anlage „auf Grund“ des fehlerhaften Informationsblatts erworben wurde. Allerdings besteht kein Anspruch nach § 11 WpPG, wenn es an der Kausalität mangelt (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 WpPG). Daher wird die haftungsbegründende Kausalität widerleglich vermutet[21]. Auch das Verschulden (Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit) ist widerleglich zu vermuten. Denn es haftet nicht, wer als Haftungsadressat nachweisen kann, dass er die Unrichtigkeit des Informationsblatts oder die Irreführung nicht gekannt hat und die Unkenntnis nicht grob fahrlässig war (§ 13 Abs. 1 WpPG). In § 13 WpPG sind, ähnlich wie für den Prospekt in § 12 WpPG, bestimmte Haftungsausschlussgründe genannt. So scheidet ein Anspruch aus, wenn der Erwerber die Unrichtigkeit oder die Irreführung kannte (§ 13 Abs. 2 Nr. 3 WpPG).
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