Kapitalmarktrecht. Petra Buck-Heeb

Kapitalmarktrecht - Petra Buck-Heeb


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ist auch § 400 AktG, wonach vorsätzliche unrichtige Angaben in Prospekten unter Strafe gestellt sind[84]. Dagegen dient die Auskunftspflicht des § 41 BörsG nur dem institutionellen Anlegerschutz („Publikum“). Sie ist deshalb weder selbständige Anspruchsgrundlage noch Schutzgesetz iS des § 823 Abs. 2 BGB. Auch die Pflicht zur Prospekterstellung bzw -veröffentlichung bzw Zurverfügungstellung wesentlicher Anlegerinformationen kann kein Schutzgesetz darstellen, obwohl teilweise für § 127 Abs. 2 InvG aF angenommen wurde, dieser könne zivilrechtliche Haftungsansprüche begründen[85]. Bei Verletzung des § 26 BörsG (Verleitung zu Börsenspekulation) wird überwiegend eine Schutzgesetzverletzung bejaht[86].

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      Schaubild: Prospektpflicht und Prospekthaftung

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      Lösung Fall 2 (Rn 266):

      A könnte gegen die B-Bank einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 9 Abs. 1 Satz 1 WpPG haben. Bei den Aktien der X-AG handelt es sich um Wertpapiere, die zum Börsenhandel aufgrund eines Prospekts zugelassen sind. Der Emissionsprospekt müsste des Weiteren in Bezug auf Angaben, die für die Beurteilung der Aktien der X-AG wesentlich sind, unrichtig oder unvollständig sein. Als unrichtige Prospektangabe kommt hier die Prognose der X-AG bzgl Marktreife und Gewinn in Betracht. Prospektangaben sind nach hM nicht nur Tatsachen, sondern auch Prognosen und Werturteile. Maßgeblich für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts ist der Zeitpunkt der Prospekterstellung bzw dessen Veröffentlichung. Hier war bereits bei der Prospekterstellung ungewiss, ob die Forschungen jemals zu einem marktreifen Medikament führen würden. Damit war zugleich die Gewinnerwartung unzutreffend. Die prognostizierten Gewinne waren ausschlaggebend für die Entscheidung der Anleger, in die Aktien der X-AG zu investieren. Folglich war der Emissionsprospekt hinsichtlich der Angaben unrichtig, die für die Beurteilung der Aktien wesentlich waren. A hat die Aktien kurz nach deren Emission und damit nach Veröffentlichung des Prospekts innerhalb von sechs Monaten nach erstmaliger Einführung der Wertpapiere erworben.

      Die haftungsbegründende Kausalität zwischen Prospektfehler und Erwerb der Aktien durch A wird nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 WpPG vermutet. A hat im vorliegenden Fall den Emissionsprospekt gelesen und auf dessen Grundlage die Aktien der X-AG erworben, sodass die B-Bank diese Vermutung auch nicht entkräften kann. Das gilt auch für die Kenntnis bzw grob fahrlässige Unkenntnis der B-Bank von der fehlerhaften Prognose im Emissionsprospekt (§ 12 Abs. 1 WpPG). So hätte die B-Bank laut Sachverhalt erkennen können, dass es der X-AG unmöglich war, innerhalb von zwei Jahren das Medikament auf den Markt zu bringen und ein Jahr später erhebliche Gewinne zu generieren. Ein Haftungsausschluss gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 3–5 WpPG ist ebenfalls nicht ersichtlich, sodass A dem Grunde nach einen Anspruch auf Schadensersatz gegen die B-Bank nach § 9 Abs. 1 Satz 1 WpPG hat.

      A ist noch Inhaber der Aktien der X-AG und kann daher gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 WpPG die Erstattung des Erwerbspreises, maximal jedoch den Ausgabepreis, sowie die üblichen Erwerbskosten verlangen. Im Gegenzug ist er zur Übertragung der Aktien an die B-Bank verpflichtet. A hat 30 Euro pro Aktie bezahlt, der Ausgabepreis betrug indes nur 20 Euro. Somit kann A von der B-Bank lediglich Zahlung von 4000 Euro verlangen. Ein Haftungsausschluss nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 WpPG (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht gegeben. Nach der Mitteilung der X-AG, dass die Forschung an dem Medikament keinen Erfolg verspricht, sind deren Aktien faktisch wertlos geworden. Somit hat der wahre Sachverhalt – Scheitern des Forschungsvorhabens und Ausbleiben von Gewinnen – zu einer Minderung des Börsenpreises geführt. Dementsprechend kann A von der B-Bank Zahlung von 4000 Euro nebst den üblichen Erwerbskosten Zug um Zug gegen Übertragung der Aktien der X-AG verlangen.

      Ein Schadensersatzanspruch aus allgemein-zivilrechtlicher Prospekthaftung scheidet neben der Haftung aus § 9 WpPG aus, da letztere nach hM lex specialis ist. Andere Schadensersatzansprüche, etwa aus einem (vor-)vertraglichen Verhältnis mit der Bank, aus § 823 Abs. 2 BGB iVm einem Schutzgesetz oder aus § 826 BGB sind zwar grds denkbar (vgl § 16 Abs. 2 WpPG), aufgrund des Sachverhalts hier aber nicht ersichtlich.

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      Gutachtenaufbau

      § 9 Abs. 1 Satz 1 WpPG (Haftung für fehlerhaften Prospekt)

1. Prospekt (Art. 3 Abs. 1, 6 Abs. 1 ProspektVO) – Börsenzulassungsprospekt (§ 32 Abs. 3 Nr. 2 BörsG, § 9 Abs. 1 Satz 1 WpPG) oder – Verkaufsprospekt (§ 10 WpPG)
2. Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben (Anlegerhorizont)
3. Haftungsadressat – Prospektverantwortlicher (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 iVm § 8 WpPG) – Prospektveranlasser (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpPG)
4. Ersatzberechtigung des Anspruchstellers – entgeltlicher Erwerb der Wertpapiere – innerhalb von sechs Monaten nach erstmaliger Einführung der Wertpapiere
5. Haftungsbegründende Kausalität – zwischen fehlerhaftem Prospekt und Erwerb der Wertpapiere – wird vermutet (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 WpPG)
6. Verschulden – Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Prospektfehlers
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