BGB-Erbrecht. Lutz Michalski
sondern auch etwa wertvolle Bilder.[16] Entscheidend ist der funktionelle Bezug der Gegenstände zum ehelichen Haushalt.[17] Daran fehlt es bei Gegenständen, die dem persönlichen Gebrauch (z.B. Kleidung, Schmuck, Kosmetika) oder spezifischen beruflichen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder hobbymäßigen Interessen (z.B. Fachliteratur, Kunstsammlung, Angelausrüstung) eines Ehegatten dienen.[18] Einen Pkw wird man jedenfalls dann als Haushaltsgegenstand ansehen müssen, wenn er neben beruflichen auch ehelichen/familiären Zwecken dient.[19] Nach dem Normzweck sind zudem nicht nur Sachen, sondern auch Rechte erfasst (z.B. Anwartschaftsrecht an unter Eigentumsvorbehalt erworbenen Sachen, Schadensersatzansprüche wegen Zerstörung einer Sache).[20] Ausdrücklich ausgenommen sind jedoch Gegenstände, die Zubehör (§ 97) eines Grundstücks sind (insoweit wertet der Gesetzgeber die wirtschaftliche Einheit des Grundstücks als vorrangig). Weiterhin gehören zum Voraus die Hochzeitsgeschenke (selbst wenn sie keinen funktionellen Bezug zum Haushalt haben oder Grundstückszubehör sind).[21] Da Hochzeitsgeschenke aber im Zweifel im gemeinschaftlichen Eigentum beider Ehegatten stehen, richtet sich der Anspruch regelmäßig nur auf Verschaffung der ideellen Eigentumshälfte des Erblassers.[22]
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Eingeschränkt ist der Voraus gem. § 1932 Abs. 1 S. 2 neben Abkömmlingen des Erblassers: Hier gebührt der Voraus dem Ehegatten nur insoweit, als er die betreffenden Gegenstände zur Führung eines angemessenen Haushalts benötigt.
a) Zugewinnausgleichsanspruch
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Wurde der überlebende Ehegatte durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen und wurde ihm auch kein Vermächtnis zugewendet, so kann der (pauschalierte) Zugewinnausgleich nicht durch die Erhöhung des gesetzlichen Erbteils erfolgen (vgl. § 1371 Abs. 2). Der enterbte Ehegatte hat stattdessen einen Anspruch gegen die Erben (§ 1967) auf Ausgleich des tatsächlich erzielten Zugewinns nach den §§ 1373–1383, 1390 (sog. güterrechtliche Lösung).
Die Berechnung erfolgt wie bei der Beendigung der Ehe durch Scheidung (§ 1372). Für jeden Ehegatten ist die Differenz zwischen seinem Endvermögen (= Vermögen bei Beendigung des Güterstandes, also hier bei Tod des Erblassers, § 1375) und seinem Anfangsvermögen (Vermögen bei Beginn des Güterstandes, also i.d.R. bei Eheschließung, § 1374) zu ermitteln. Der Differenzbetrag ist der Zugewinn, der während der Ehe erzielt wurde. Wenn der Erblasser einen höheren Zugewinn erzielt hat als der überlebende Ehegatte, so besteht gem. §§ 1371 Abs. 2, 1378 Abs. 1 ein Ausgleichsanspruch des überlebenden Ehegatten in Höhe der Hälfte des diesbezüglichen Überschusses.
Beispiel:
Erblasser M hat seinen Sohn S testamentarisch als Alleinerben eingesetzt. M und F verfügten bei Eheschließung jeweils über ein Vermögen von 1.000 €. Im Zeitpunkt des Todes von M verfügte dieser über ein Vermögen von 200.000 €, F hatte lediglich ein Vermögen von 10.000 €. M hat somit einen Zugewinn von 199.000 € erzielt, F von 9.000 €. F hat folglich gegen M einen Ausgleichsanspruch gem. §§ 1371 Abs. 2, 1378 Abs. 1 auf 95.000 €.
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Hat dagegen der überlebende Ehegatte den höheren Zugewinn erzielt, wird überhaupt kein Zugewinnausgleich durchgeführt (d.h. die Erben des vorverstorbenen Ehegatten können keinen Ausgleichsanspruch geltend machen).[23]
Ein Anspruch auf Zugewinnausgleich kann nur in der Person des Ehegatten selbst entstehen, §§ 1371 Abs. 1 und 2, 1378 Abs. 3 S. 1. Daher muss ein Ehegatte die Beendigung der Zugewinngemeinschaft erlebt haben, um einen Ausgleichsanspruch erwerben und dann vererben zu können, § 1922 Abs. 1. Die §§ 1372 ff. betreffen nur die Regelung unter Lebenden.[24] Beim Todesfall vor oder gleichzeitig mit dem anderen Ehegatten entsteht somit kein Ausgleichsanspruch. Die Begünstigung des überlebenden Ehegatten bzw. der Erben des Ehegatten mit dem höheren Zugewinn bei gleichzeitigem Tod der Ehegatten war vom Gesetzgeber beabsichtigt.
b) Kleiner Pflichtteil
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Neben dem güterrechtlichen Ausgleichsanspruch kann der enterbte Ehegatte seinen Pflichtteil geltend machen (vgl. § 1371 Abs. 2 Hs. 2). Gem. § 2303 Abs. 2 steht ihm gegen die Erben ein Anspruch in Geld in Höhe der Hälfte des Wertes seines gesetzlichen Erbteils zu. Für die Berechnung ist gem. § 1371 Abs. 2 Hs. 2 vom nicht erhöhten gesetzlichen Erbteil auszugehen, wie er aus § 1931 Abs. 1 und 2 folgt (sog. kleiner Pflichtteil). Sind Abkömmlinge des Erblassers als Erben berufen, beträgt der Pflichtteil des enterbten Ehegatten demnach 1/8 des Nachlasswertes, da der nicht erhöhte gesetzliche Erbteil in diesem Fall 1/4 ist (§ 1931 Abs. 1 S. 1 Hs. 1). Die Geltendmachung des kleinen Pflichtteils ist im Gesetz eindeutig geregelt und steht dem enterbten Ehegatten in jedem Fall zu.
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Umstritten ist hingegen, ob der enterbte Ehegatte stattdessen auch die Option hat, den sog. großen Pflichtteil zu verlangen. Hintergrund ist, dass man die Formulierung „bestimmt sich in diesem Falle“ verschieden interpretieren kann. Nach der sog. „Wahltheorie“[25] bedeutet dies, dass der kleine Pflichtteil nur dann zu gewähren ist, wenn der Ehegatte den Zugewinnausgleich auch tatsächlich verlangt (nicht schon dann, wenn er ihn nur verlangen kann). Der Ehegatte habe somit die Wahl, ob er (1) den Zugewinnausgleich verlangt – und dann zusätzlich nur den kleinen Pflichtteil erhält –, oder ob er (2) den Zugewinnausgleich nicht verlangt und dann den sog. großen Pflichtteil erhält (= Hälfte des Wertes des nach § 1371 Abs. 1 erhöhten gesetzlichen Erbteils).
Wenn Abkömmlinge des Erblassers vorhanden sind, hätte der Ehegatte also die Wahl zwischen: (1) Zugewinnausgleich plus „kleiner Pflichtteil“ (= Hälfte von 1/4 = 1/8, §§ 1371 Abs. 2 Hs. 2, 1931 Abs. 1 S. 1 Hs. 1, 2303 Abs. 2), oder (2) kein Zugewinnausgleich, aber dafür „großer Pflichtteil“ (= Hälfte von 1/2 = 1/4, §§ 1371 Abs. 1, 1931 Abs. 1 S. 1 Hs. 1, 2303 Abs. 2). Der Ehegatte könnte also ggf. ausrechnen, welche Lösung für ihn finanziell günstiger wäre und dementsprechend sein Wahlrecht ausüben.
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Ein derartiges Wahlrecht wird jedoch von der Rspr.[26] und h.L.[27] zu Recht abgelehnt. Die Formulierung „in diesem Falle“ in § 1371 Abs. 2 bezieht sich richtigerweise auf den gesamten ersten Halbsatz, d.h. den Fall, dass der Ehegatte nicht Erbe oder Vermächtnisnehmer wird. Der Gesetzgeber hat bewusst darauf verzichtet, den pauschalierten Zugewinnausgleich nach § 1371 Abs. 1 zwingend vorzuschreiben. Dem Erblasser würde sonst die Möglichkeit genommen, seinen Ehegatten auf den tatsächlichen Zugewinn zu verweisen. Der tatsächliche Zugewinn ist aber genau der Betrag, der dem Ehegatten auch im Fall der Scheidung zusteht und eine eventuelle ungleiche Vermögensentwicklung bei den Ehegatten während der Ehe ausgleicht: Mehr kann der überlebende Ehegatte redlicherweise auch im Fall der Enterbung nicht für sich beanspruchen. Folglich ist der enterbte Ehegatte stets auf den kleinen Pflichtteil beschränkt (sog. Einheitstheorie); daneben besteht ggf. ein Zugewinnausgleichsanspruch.
3. Der durch Verfügung von Todes wegen bedachte Ehegatte
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Wenn der Ehegatte durch eine Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) als Erbe oder Vermächtnisnehmer bedacht worden ist, so hat er keinen Anspruch auf den pauschalierten Zugewinnausgleich gem. § 1371 Abs. 1. Das Gesetz eröffnet ihm jedoch zwei Optionen (dazu auch noch → Rn. 631):
a) Option 1: Annahme der Erbschaft bzw. des Vermächtnisses
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