Umsatzsteuerrecht. Christian Möller
Leistungen sind nach § 3 Abs. 9 S. 1 UStG alle Leistungen, die keine Lieferungen sind. Das Gemeinschaftsrecht spricht von einer „Dienstleistung“. Als solche „gilt jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen ist“ (Art. 24 Abs. 1 MwStR). Art. 25 MwStR zählt beispielhaft einige Dienstleistungen auf.
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Als sonstige Leistungen kommen insbesondere in Betracht:
• | Handwerkliche Dienstleistungen; |
• | Beratungsleistungen (Rechtsanwälte, Steuerberater); |
• | Ärztliche Leistungen; |
• | Personenbeförderung und Transport von Gegenständen; |
• | Beherbergungsleistungen, Reiseleistungen (s. auch § 25 Abs. 1 UStG und dazu Rn. 1024 ff); |
• | Gebrauchs- und Nutzungsüberlassungen wie etwa Vermietung, Verpachtung oder Bestellung eines Nießbrauchs (jeweils regelmäßig steuerfrei). Auch die Darlehensgewährung ist eine sonstige Leistung (die aber häufig steuerfrei ist); |
• | Übertragung von Gesellschaftsanteilen (regelmäßig fehlt hier aber die Unternehmereigenschaft des Übertragenden, Rn 143; in anderen Fällen kommt eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr 8 lit. f) UStG in Betracht, Rn 492); |
• | Eingehung eines Wettbewerbsverbotes gegen Entgelt (s. Rn 114); |
• | Überlassung von Fotos zu Werbezwecken oder zur Veröffentlichung durch Zeitungs- oder Zeitschriftenverlage. |
§ 5 Lieferung und sonstige Leistung › B. Sonstige Leistung › II. Leistungskommission
II. Leistungskommission
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§ 3 Abs. 11 UStG regelt die Leistungskommission: „Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet und handelt er dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung, gilt diese Leistung als an ihn und von ihm erbracht.“ Wie bei der Lieferkommission ist also davon auszugehen, dass der Kommittent an den Kommissionär leistet und der Kommissionär (zeitgleich) an seinen Abnehmer; eine (Vermittlungs-)Leistung des Kommissionärs an den Kommittenten findet dagegen nicht statt.
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Beispiel:
Frau Lemp ist Eigentümerin eines Ferienhauses an der Ostsee. Die Vermietung hat eine Agentur übernommen, die gegenüber den Feriengästen im eigenen Namen handelt. Die Agentur selbst wird also als Vermieterin Partei der Mietverträge, sie tritt nicht als Vertreterin (§§ 164 ff BGB) der Eigentümerin Frau Lemp auf. Frau Lemp ist nicht Partei der Mietverträge. Zivilrechtlich erbringt hier die Agentur als Kommissionärin eine Dienstleistung an Frau Lemp als Kommittentin. Umsatzsteuerrechtlich sind dagegen nach § 3 Abs. 11 UStG Vermietungsleistungen Frau Lemps an die Agentur (sonstige Leistung der Kommittentin an die Kommissionärin) und Vermietungsleistungen der Kommissionärin an die Feriengäste zu bejahen.
§ 5 Lieferung und sonstige Leistung › B. Sonstige Leistung › III. Unentgeltliche Wertabgaben (§ 3 Abs. 9a UStG)
III. Unentgeltliche Wertabgaben (§ 3 Abs. 9a UStG)
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§ 3 Abs. 9a UStG fingiert in bestimmten Entnahmefällen und ähnlichen Fällen entgeltliche sonstige Leistungen. Die Vorschriften über unentgeltliche Wertabgaben werden unten in einem gesonderten Kapitel behandelt (Rn 860 ff).
§ 5 Lieferung und sonstige Leistung › C. Grenzfälle zwischen Lieferung und sonstiger Leistung
C. Grenzfälle zwischen Lieferung und sonstiger Leistung
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Wie ausgeführt (Rn 179), kann die Abgrenzung zwischen Lieferung und sonstiger Leistung u. a. Bedeutung haben für den Leistungsort, die Anwendbarkeit einer Steuerbefreiung sowie den anzuwendenden Steuersatz. Im Folgenden werden einige relevante Fälle behandelt, in denen die zutreffende Einordnung zweifelhaft sein kann.
§ 5 Lieferung und sonstige Leistung › C. Grenzfälle zwischen Lieferung und sonstiger Leistung › I. Werklieferung/Werkleistung
I. Werklieferung/Werkleistung
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Wenn ein Unternehmer für einen Kunden ein Werk herstellt und dafür selbst beschaffte – also nicht vom Kunden gestellte – Materialien verwendet, ist die Frage zu beantworten, ob eine einheitliche Lieferung oder eine einheitliche sonstige Leistung zu bejahen ist, oder ob der Vorgang in eine Lieferung und eine sonstige Leistung aufzuteilen ist. Die Frage stellt sich etwa, wenn ein Bauunternehmer eine Immobilie baut und das Baumaterial ausschließlich oder zum Teil selbst beschafft. Weiter kann es auf die Frage etwa ankommen, wenn ein Klempner bei der Reparatur von Sanitäreinrichtungen eigenes Material (z. B. Dichtungsringe oder Silikon) verbraucht.
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Die Abgrenzung ist in § 3 Abs. 4 UStG geregelt. Dort wird die „Werklieferung“ definiert. Von einer Werklieferung ist danach auszugehen, wenn ein Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstands übernommen hat, er dabei selbst beschaffte Stoffe verwendet, und es sich bei diesen Stoffen „nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt“. Stoffe, die keine bloßen Zutaten oder sonstigen Nebensachen sind, werden auch als „Hauptstoffe“ bezeichnet. Rechtsfolge einer Werklieferung ist, dass von einer einheitlichen Leistung auszugehen und diese insgesamt als Lieferung zu qualifizieren ist. Für den Leistungsort gelten daher nur die in § 3 Abs. 5a UStG genannten Regelungen. Der Fall, dass der Unternehmer entweder keine selbst beschafften Stoffe verwendet oder diese bloße Zutaten oder sonstige Nebensachen sind, ist im Gesetz nicht geregelt. In diesem Fall wird allgemein von einer einheitlichen sonstigen Leistung ausgegangen und diese als „Werkleistung“ bezeichnet.[29]
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Für die Abgrenzung zwischen Werklieferung und Werkleistung ist danach entscheidend, wie bloße Zutaten oder sonstige Nebensachen von Hauptstoffen abzugrenzen sind. Hier gibt das Verhältnis des Wertes der Arbeit zum Wert der vom Unternehmer beschafften Stoffe einen Anhaltspunkt, ist allein aber kein ausschlaggebendes Abgrenzungskriterium.[30] Weiter macht der Umstand, dass Material unentbehrlich für ein Werk ist, dieses noch nicht zum Hauptstoff. Kleinere