Arbeitsrecht in der Umstrukturierung. Stefan Schwab
gemäß § 613a Abs. 6 BGB mit der Folge widerspricht, dass im entsprechenden Umfang betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden müssen.[38]
1. Kapitel Unternehmensumstrukturierungen und ihre Erscheinungsformen › C. Arbeitsrechtliche Maßnahmen › IV. Gegenstrategien der Unternehmensseite
IV. Gegenstrategien der Unternehmensseite
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An Gegenstrategien zur Verhinderung etwaiger Störmaßnahmen des Betriebsrates bzw. der Belegschaft fehlt es nicht unbedingt.
1. Vorübergehender Gemeinschaftsbetrieb
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So kann der im Zusammenhang mit der geplanten Übertragung von als Betriebsteilen zu qualifizierenden Unternehmensteilen durch Verzögerung betriebsratsseitig bewirkte zeitliche Druck ggf. dadurch von der Transaktion genommen werden, dass sich die beteiligten Rechtsträger entschließen, den in Rede stehenden Betrieb zwar eigentumsrechtlich aufzuteilen und auf den Erwerber den geplanten Betriebsteil zu übertragen, ihn aber bis zum Abschluss der Verhandlungen mit dem Betriebsrat hierüber als gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen (§ 1 Abs. 2 BetrVG) fortzuführen. Da die Veränderung der Eigentumsstruktur die Organisationsstrukturen, die den Betrieb im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn kennzeichnen, unberührt lässt und ihrerseits nicht als Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG zu qualifizieren ist, ist dem Betriebsrat durch eine derartige Übereinkunft der beteiligten Rechtsträger das zeitliche Druckmittel aus der Hand genommen.
2. Vermeidung von Zustimmungsverweigerungen oder Massenwidersprüchen durch gesellschaftsrechtliche Gestaltungsformen
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Etwaige Zustimmungsverweigerungen bzw. Massenwidersprüche können, wenn sie erwartbar sind, dazu führen, dass statt eines Asset Deals eine umwandlungsrechtliche Umstrukturierung oder Anwachsung gewählt wird, die mit dem Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers verbunden ist, da in derartigen Fällen weder ein Zustimmungserfordernis (str.)[39] noch ein Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB besteht.[40]
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Praxistipp:
Natürlich können derart „erzwungene“ Übergänge nicht verhindern, dass Arbeitnehmer von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch machen. Sie führen auch nicht notwendig zu Betriebsfrieden und Harmonie, sodass der Einsatz dieser Gestaltungsform mit dem Ziel, eine Übertragung von Arbeitsverhältnissen zu erzwingen, wohl bedacht und geprüft sein sollte. Psychologisch ist es aber häufig einfacher, Arbeitnehmer davon zu überzeugen, sich nach einem ohne ihre aktive Zustimmung erfolgten Arbeitgeberwechsel nun auch nicht aktiv zu trennen,[41] als sie davon zu überzeugen, einen Arbeitgeberwechsel durch aktives Handeln (Zustimmung) erst herbeizuführen. In der betrieblichen Praxis können durch gesellschaftsrechtliche Mittel also Hemmschwellen ggf. leichter überwunden werden. Hinzu kommt, dass sich viele Arbeitgeberwechsel im Nachhinein als weit weniger „schlimm“ herausstellen, als dies in der Belegschaft ggf. zuvor (bisweilen völlig ohne Tatsachengrundlage und lediglich politisch initiiert) vermutet wurde.
3. Erleichterungen in der Insolvenz
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Kraft Gesetzes bestehen bei Betriebsänderungen und -übergängen in geringem Umfang Erleichterungen, sofern ein insolventes Unternehmen betroffen ist.
a) Betriebsänderungen
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In der Insolvenz sind Sanierungsinstrumente nicht nur die erleichterte Kündbarkeit von Kollektivvereinbarungen nach § 120 InsO,[42] sondern auch deren Anfechtbarkeit nach §§ 129 ff. InsO.[43]
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Vor allem die in § 123 InsO normierte Beschränkung des zulässigen Sozialplanvolumens[44] nimmt in der Regel den Druck aus den – dennoch vollumfänglich erforderlichen – Verhandlungen. Erforderlich sind sie in der betrieblichen Praxis dennoch, denn die gesetzgeberischen Erleichterungen in §§ 121 f. InsO für die Durchführung einer Betriebsänderung[45] sind in der Praxis irrelevant, wie schon die geringe Zahl an gerichtlichen Entscheidungen zu diesen Normen deutlich macht.[46]
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Häufiger als außerhalb insolvenzbedingter Betriebsänderungen genutzt wird in der Insolvenz allerdings die Möglichkeit des Abschlusses eines Interessenausgleichs mit Namensliste (§ 125 InsO), durch welche der Kündigungsschutz der von Entlassung betroffenen Arbeitnehmer erheblich eingeschränkt wird. Ein Interessenausgleich mit Namensliste ist nach § 1 Abs. 5 KSchG zwar auch außerhalb der Insolvenz möglich, kommt dort aber seltener zum Tragen, weil die Motivation für die geplanten Entlassungen dort weniger evident und daher weniger leicht zu vermitteln ist.
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§ 125 InsO, der erst durch den endgültigen Insolvenzverwalter genutzt werden kann,[47] ermöglicht zudem eine Verbesserung der Personalstruktur unter Altersgesichtspunkten, die außerhalb von Insolvenzverfahren nicht möglich ist. Nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des BAG stehen dieser Gestaltungsmöglichkeit europarechtliche Antidiskriminierungsvorgaben nicht entgegen.[48] Strategische Insolvenzen erfolgen dennoch in der Regel nicht arbeitsrechtlich motiviert, auch wenn dies in der Praxis bereits vorgekommen ist und als Gestaltungsoption insbesondere dann in Erwägung gezogen werden muss, wenn die Arbeitnehmerseite – was durchaus vorkommt – rationalen Argumenten aus politischen Überlegungen heraus nicht mehr zugänglich ist.
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Praxistipp:
Wegen der mit einer Insolvenz verbundenen Haftungsrisiken sowie der zumeist eintretenden Rufschädigung im Markt muss dies allerdings intensiv geprüft und bewertet werden.
b) Betriebsübergang
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Über die durch die Rechtsprechung des BAG vor dem Hintergrund des insolvenzrechtlichen Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung entwickelten teleologischen Reduktionen des § 613a Abs. 1, 2 BGB,[49] findet § 613a BGB im Grunde auch in der Insolvenz volle Anwendung, wie § 128 InsO klarstellt. Erleichterungen ergeben sich insoweit lediglich (theoretisch) mit Blick auf das Kündigungsverbot nach § 613a Abs. 4 BGB[50] gemäß § 128 Abs. 2 InsO, sofern – wiederum vom endgültigen Insolvenzverwalter – mit dem zuständigen Betriebsrat ein Interessenausgleich mit Namensliste abgeschlossen wird. Während der Einsatz von Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften (Transfergesellschaften) nur dann in Frage kommt, wenn damit keine Umgehung der zwingenden Rechtsfolgen des § 613a BGB bzw. des KSchG (Stichwort: Sozialauswahl) verbunden ist,[51] werden in der Praxis (zunehmend) die Gestaltungsmittel des Erwerberkonzepts (bzw. des Veräußererkonzepts) genutzt.[52] Die Insolvenzpraxis sucht zudem nach neuen Modellen.[53]
Anmerkungen
Zu ihnen ausführlich Kap. 2 Rn. 108 ff.
Hierzu ausführlich Kap. 3.
Vgl.