Arbeitsrecht in der Umstrukturierung. Stefan Schwab
Praxistipp:
Dies fängt an mit einer zielführenden Informationspolitik und endet mit einer effizienten Verhandlungsführung im Rahmen eines ggf. erforderlichen Einigungsstellenverfahrens.
b) Einstweilige Verfügung auf Unterlassung der Umsetzung der geplanten Betriebsänderung bis zum Abschluss der Verhandlungen
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Differenziert werden muss bei der Planung nicht nur in Bezug auf die Informationspolitik und die geplanten Maßnahmen, sondern zusätzlich auch danach, in welchem LAG-Bezirk die Maßnahme vollzogen werden soll. Denn in manchen LAG-Bezirken gewähren die Arbeitsgerichte dem zuständigen Betriebsrat ggf. eine einstweilige Verfügung, die auf eine Unterlassung der Betriebsänderung bis zum Abschluss der Verhandlungen gerichtet ist.[13] Daran können Zeit- und Liquiditätspläne scheitern.
c) Praxisrisiko: Verkannte Betriebsänderung
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Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Betriebsänderungen auch bei beschäftigungsneutralen Umstrukturierungen vorliegen können. Ob und in welchem Umfang im Zusammenhang mit der Umstrukturierungsmaßnahme Entlassungen geplant bzw. erforderlich sind, spielt zwar eine wichtige Rolle – und zwar nicht nur wegen eines etwaigen Sozialplanvolumens. Dass keine Entlassungen geplant sind, darf aber nicht zu der irrigen Annahme verführen, es handele sich nicht um eine Betriebsänderung und dem Betriebsrat stünden daher nicht die vorgenannten Verzögerungsinstrumente zur Verfügung.
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Beispiel:
Auch eine bloße Betriebsspaltung, selbst wenn sie rechtsträgerintern durchgeführt wird und sich letztlich in der bloßen Etablierung separater Leistungsstrukturen in den wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten des BetrVG erschöpft (Einrichtung separater Personalleitungen), ist unter den in § 111 BetrVG geregelten Voraussetzungen als Betriebsänderung zu qualifizieren.
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Dass sozialplanpflichtige Nachteile in ihrem Rahmen typischerweise nicht entstehen, ändert nichts daran, dass ein Interessenausgleich versucht werden muss und dies im Bezirk mancher Landesarbeitsgerichte per einstweiliger Verfügung für den Betriebsrat durchsetzbar ist. Im Übrigen darf im Zusammenhang mit Betriebsänderungen – wie gezeigt (vgl. Rn. 78) – nicht bei der Gefahr einer einstweiligen Verfügung stehengeblieben werden: Die Nichtbeachtung des Mitbestimmungsrechts des zuständigen Betriebsrates nach § 111 BetrVG bewirkt zudem nach § 113 BetrVG für die von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer Nachteilsausgleichsansprüche, sofern sie kausal entsprechende Nachteile herbeiführt.
1. Kapitel Unternehmensumstrukturierungen und ihre Erscheinungsformen › C. Arbeitsrechtliche Maßnahmen › II. Betriebsübergang
1. Bloßer Rechtsträgerwechsel
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Ein Betriebsübergang i.S.d. § 613a BGB ist nach zutreffender h.M.[14] keine Betriebsänderung (und zwar auch dann nicht, wenn er sich umwandlungsrechtlich vollzieht[15]). Daran ändert angesichts des klaren Wortlauts von § 111 BetrVG auch Art. 4 Abs. 2c RL 2002/14/EG nichts.[16] Auch eine analoge Anwendung umwandlungsrechtlicher Beteiligungsvorgaben kommt nicht in Betracht.[17] Einflussnahmemöglichkeiten der Arbeitnehmervertreter bestehen daher nicht in rechtlicher, sondern allein in tatsächlicher Hinsicht (kommunikative Begleitung der vom Arbeitgeber geplanten Übertragung). § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG erfasst auch Betriebsübergänge, sodass eine Information des Wirtschaftsausschusses zu erfolgen hat. Unterschätzt werden darf diese kommunikative (politische) Einflussnahme allerdings unter keinen Umständen.
2. Große Einflussnahmemöglichkeit der Belegschaft
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Im Rahmen von Asset Deals besteht nämlich eine große Einflussnahmemöglichkeit der Arbeitnehmer auf den Umstrukturierungserfolg jedenfalls dann, wenn die Übertragung der Mehrheit der Arbeitsverhältnisse bzw. zumindest einer bestimmten Zahl und/oder Qualität von Arbeitsverhältnissen Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg der Transaktion ist.
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Beispiel:
Das kann z.B. der Fall sein, wenn in der Belegschaft ein in bestimmten Arbeitnehmern verkörpertes Spezialwissen vorhanden ist, das notwendige Voraussetzung für die Fortsetzung des Geschäftsbetriebs durch den Erwerber ist.
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Soll ein Betriebs(teil)übergang i.S.d. § 613a BGB im Wege eines Asset Deals ausgelöst werden, ist bei betriebsmittelarmer Tätigkeit die Zustimmung des nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Personals sogar tatbestandliche Voraussetzung für die Auslösung einer Übertragung gemäß § 613a BGB.[18]
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Aber auch bei betriebsmittelintensiver Tätigkeit kann der Transaktionserfolg ggf. durch – nach der Rechtsprechung des BAG bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs zulässige – Massenwidersprüche i.S.d. § 613a Abs. 6 BGB[19] gefährdet werden, wenn dies Kunden, Lieferanten und Geschäftspartner verschreckt, zu erheblichen Produktionsausfällen führt oder erhebliche Sozialplankosten bewirkt, die der Veräußerer oder (je nach Risikoverteilung im Kaufvertrag (Asset Purchase Agreement) der Erwerber nicht wirtschaftlich sinnvoll leisten oder finanzieren kann.
1. Kapitel Unternehmensumstrukturierungen und ihre Erscheinungsformen › C. Arbeitsrechtliche Maßnahmen › III. Mischformen (Betriebsänderung anlässlich eines Inhaberwechsels)
III. Mischformen (Betriebsänderung anlässlich eines Inhaberwechsels)
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Kombinierte Einflussnahmemöglichkeiten für die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen bestehen, wenn die Umstrukturierung sowohl eine Betriebsänderung als auch einen Übertragungsvorgang i.S. eines Betriebs(teil)übergangs beinhaltet. Denkbar sind unterschiedliche Erscheinungsformen, von denen hier lediglich beispielhaft die folgenden genannt werden:
1. Übertragung eines Betriebsteils und separate Fortführung beim Erwerber (Outsourcing)
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Denkbar ist zunächst, dass ein Betriebsteil aus dem bestehenden Betrieb herausgelöst und auf einen Erwerber übertragen werden soll, der ihn als separaten eigenständigen Betrieb fortführt.
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Beispiel:
In der Praxis geschieht dies z.B. häufig bei Outsourcing-Projekten, in denen Betriebsteile, die sich mit Funktionen oder Produkten beschäftigen, die günstiger eingekauft werden können oder nicht zum Kerngeschäft gehören, auf Dritte übertragen werden. Ebenfalls denkbar ist dies im Zusammenhang mit der Einführung einer Spartenorganisation (vgl. bereits Rn. 50 ff.).
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In diesem Fall (separate Führung beim Erwerber)