Arbeitsrecht in der Umstrukturierung. Stefan Schwab
die Betriebsräte vor die endgültige Tatsache der Betriebsstillegung gestellt habe, nachdem in der Aufsichtsratssitzung der Stilllegungsbeschluss gefasst worden war, folgt hieraus nichts anderes. Aus den Entscheidungsgründen ergibt sich vielmehr, dass aufgrund besonderer Umstände der Kommunikation und zeitlichen Taktung de facto kein Raum mehr für eine Einwirkung durch den Betriebsrat gegeben war. Der Beklagten sei es – so das BAG – erkennbar nicht darum gegangen, mit dem Betriebsrat über eine von ihr geplante Betriebsstillegung zu beraten und über sie einen Interessenausgleich herbeizuführen, sondern allein darum, den in der Aufsichtsratssitzung gefassten Beschluss durchzuführen. In einem so weit fortgeschrittenen Stadium der Dinge habe für die Betriebsräte praktisch weder die Möglichkeit bestanden, zu versuchen, die von der Arbeitgeberin beschlossenen Maßnahmen rückgängig zu machen, noch sonst einen umfassenden Interessenausgleich herbeizuführen, der allein den Belangen des Unternehmers wie denen der Belegschaftsangehörigen gerecht wurde. Die Betriebsstillegungen standen demnach endgültig fest. Diese Entscheidung lässt damit weder einen Rückschluss darauf zu, dass eine Entscheidung durch den Aufsichtsrat eine Verletzung der Beteiligungsrechte nach § 111 BetrVG darstellt, noch kann daraus gefolgert werden, dass jede Beschlussfassung durch die Gesellschafterversammlung eine solche Verletzung darstellt.
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Das BAG hat auch in der Entscheidung vom 20.11.2001 klargestellt, dass es hierauf nicht ankommt.[209] Danach genügt es nicht, wenn die Gesellschafterversammlung der Beklagten die Stilllegung des Betriebs bereits beschlossen hat, sofern nicht tatsächlich Maßnahmen zur Umsetzung ergriffen werden. Das BAG stellte insofern zutreffend fest, dass ein Gesellschafterbeschluss als „Teil des Meinungsbildungsprozesses auf Arbeitgeberseite“ lediglich Art und Inhalt der geplanten Betriebsänderung bestimmt und damit den Gegenstand für die zwischen den Betriebsparteien zu führenden Verhandlungen vorgibt. Solange die Geschäftsführer ungeachtet des Beschlusses weder faktisch noch rechtlich gehindert sind, die sich aus den Verhandlungen über den Interessenausgleich ergebenden Alternativen an die Gesellschafter weiterzuleiten, um im Interesse des Unternehmens eine Abänderung des Stilllegungsbeschlusses zu erreichen, liege danach noch keine Maßnahme vor, die als Umsetzung des Entschlusses gewertet werden könne.[210]
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Dies zeigt: Einer rechtzeitigen Information steht nicht per se eine Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung oder anderer Organe entgegen.
Bei der Vorbereitung der Maßnahmen und der entsprechenden Kommunikation sollte jedoch deutlich gemacht werden, dass eine abschließende Entscheidung noch nicht getroffen wurde, sondern der Entschluss vorbehaltlich der Beteiligung des Betriebsrates bzw. der zuständigen Arbeitnehmervertretungen (sog. Gremienvorbehalt) gefasst wurde.
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Die Unterrichtung ist jedenfalls dann nicht mehr rechtzeitig, wenn der Arbeitgeber mit der Betriebsänderung bereits begonnen hat.[211] Entscheidend ist damit in der Praxis, wann diese Schwelle überschritten ist. Das BAG differenziert dabei im Zusammenhang mit Betriebsänderungen in Form von Betriebsstilllegungen zutreffend danach, ob der Unternehmer unumkehrbare Maßnahmen zur Auflösung der betrieblichen Organisation ergreift.[212]
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Folgerichtig verneint das Gericht den Beginn der Umsetzung (und etwaige daraus resultierende Nachteilsausgleichsansprüche), wenn der Arbeitgeber die vom Verlust ihrer Beschäftigungsmöglichkeit betroffenen Arbeitnehmer widerruflich freistellt. Zwar können Regelungen über Freistellungen Gegenstand eines Interessenausgleichs sein. Gleichwohl beginnt der Unternehmer mit der Freistellung von Arbeitnehmern noch nicht mit der Betriebsstilllegung. Nach Ansicht des BAG zieht er vielmehr damit lediglich die Konsequenz aus der Einstellung der betrieblichen Tätigkeit. Hierfür spricht, dass die Freistellung von Arbeitnehmern regelmäßig noch umkehrbar ist. Sie lässt den Bestand der Arbeitsverhältnisse unberührt und ist bei Fehlen anders lautender Vereinbarungen jederzeit widerruflich. Eine irreversible Auflösung der betrieblichen Organisation ist mit ihr deshalb nicht verbunden.[213]
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Beispiele:
Weitere Beispiele für Maßnahme, bei denen ein Beginn der Durchführung verneint wird, sind etwa der Stilllegungsentschluss und seine Verlautbarung (sofern es noch Gestaltungsmöglichkeiten gibt), die bloße Einstellung der Produktion, sowie die Kündigung einiger Ausbildungsverhältnisse.[214]
Der Ausspruch der Kündigungen[215], die Veräußerung der zur Fortführung des Betriebs erforderlichen Betriebsmittel[216], oder die Beendigung des Mietvertrags über die Räumlichkeiten[217] markieren hingegen den Beginn der Umsetzung. Entsprechendes kann dann gelten, wenn der Arbeitgeber zunächst nur die leitenden Angestellten kündigt, sofern damit die Auflösung der Betriebsorganisation verbunden ist.[218]
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Streitig ist, was gilt, wenn die Planung der Betriebsänderung durch die Konzernobergesellschaft, d.h. nicht durch den Arbeitgeber selbst, erfolgt. Schaffen die Planungen der Konzernobergesellschaft bereits Fakten und wird dadurch verhindert, dass der zuständige Betriebsrat über das Ob und Wie noch beraten kann, wird man indes davon ausgehen müssen, dass auch in diesem Fall eine Verletzung des § 111 BetrVG zu bejahen ist. Eine Aufteilung der Planungsverantwortung beseitigt also nicht die Beteiligungsrechte der §§ 111 ff. BetrVG.[219]
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Konsequenz einer verspäteten Unterrichtung ist das Eingreifen des Bußgeldtatbestandes gemäß § 121 BetrVG. Der Nachteilsausgleichsanspruch gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG entsteht dann, wenn der Arbeitgeber mit der Umsetzung der Maßnahme beginnt, ohne den Betriebsrat beteiligt zu haben (vgl. dazu unter Rn. 273).[220]
bb) Inhalt, Form und Umfang der Unterrichtung
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Die Unterrichtung des Betriebsrats nach § 111 Satz 1 BetrVG kann grundsätzlich auch mündlich erfolgen.[221] Eine bestimmte Form ist nicht vorgeschrieben. In der Praxis empfiehlt es sich aber schon allein aus Gründen der besseren Nachweisbarkeit, die Unterrichtung schriftlich (z.B. durch einen Ausdruck der Präsentationsunterlagen, alternativ auch durch ein entsprechendes Schreiben) vorzunehmen.[222] Soweit Massenentlassungen i.S.d. § 17 KSchG anstehen, ergibt sich eine Pflicht zur schriftlichen Unterrichtung aus § 17 Abs. 2 KSchG. Für den Arbeitgeber empfiehlt sich daher regelmäßig eine parallele Vorbereitung der entsprechenden Unterlagen, wenn die Betriebsänderung mit einer Personalreduktion verbunden ist. Schließlich sind auch im Rahmen des Konsultationsverfahrens die Gründe für die Entlassungen, die Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer etc. anzugeben (vgl. zu Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG nachstehend unter Rn. 306). Auch eine Verbindung der Verfahren, d.h. des Konsultationsverfahrens und der entsprechenden Unterrichtungspflicht mit den Interessenausgleichsverhandlungen, ist zulässig; es verstößt nach Ansicht des BAG nicht gegen unionsrechtliche Vorgaben, wenn der Arbeitgeber sein Pflichten nach § 17 Abs. 2 und 3 KSchG durch die Angaben im Interessenausgleich erfüllen will (vgl. dazu ausführlich Rn. 306).[223]
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Die Unterrichtung nach § 111 Satz 1 BetrVG verfolgt allerdings andere Zwecke als das im Konsultationsverfahren an den Betriebsrat und die Agentur für Arbeit zu übermittelnde Schreiben. Sie muss grundsätzlich umfassend sein und soll den Betriebsrat in die Lage versetzen, sich ein vollständiges Bild von der geplanten Maßnahme und deren Auswirkungen zu machen.[224] Der Unternehmer muss die Gründe, die aus seiner Sicht für die geplante Betriebsänderung sprechen, ebenso darlegen wie den Inhalt der geplanten Maßnahmen und die Auswirkungen auf die betroffenen Arbeitnehmer.[225] Die bei Personalabbaumaßnahmen erforderlichen Informationen nach § 17 Abs. 2 KSchG reichen hierfür regelmäßig nicht aus. Es ist