Das BGB für ausländische Studierende - Übungen zu Rechtssprache und Methodik. Lydia Scholz
andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.
§ 812 Herausgabeanspruch (1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt. (2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
1 › B. Lesen und Verstehen der Normen des BGB
B. Lesen und Verstehen der Normen des BGB
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Wie Sie bereits wissen, ist das deutsche Recht eine kodifizierte Rechtsordnung. Somit ist das Lesen und Verstehen von Gesetzestexten für ein erfolgreiches Jurastudium essenziell. Schwerpunkt dieses Kapitels ist daher, Ihnen Strategien zu vermitteln, wie die Normen des BGB richtig zu lesen und zu verstehen sind.
Im ersten Abschnitt wird der Aufbau einer Norm erklärt. Sie lernen, wie man ihre Voraussetzungen bzw. ihren Tatbestand und ihre Rechtsfolge erkennt. Die Normen des BGB sind sowohl sprachlich als auch inhaltlich für Nichtmuttersprachler wie für Muttersprachler schwer zu verstehen. Ein Grund hierfür ist der sprachliche und inhaltliche Abstraktionsgrad, der im zweiten Abschnitt näher erläutert wird. Da die Bedeutung einer Norm oder eines Wortes nicht immer eindeutig erkennbar ist, muss diese oftmals ausgelegt, d. h. interpretiert, werden. Hier kennt das deutsche Recht, so wie andere Rechtsordnungen auch, verschiedene Methoden, die Auslegungsmethoden genannt werden. Diese werden im dritten Abschnitt ebenso wie der sogenannte Verweis und die Analogie erklärt. Die genannten Methoden und Konzepte üben Sie zunächst anhand eines fiktiven Gesetzes, das wesentlich einfacher gefasst ist als das BGB. Somit lassen sich Auslegungsmethoden, der Verweis und die Analogie leichter und offensichtlicher erkennen.
Für das richtige Verständnis einzelner Normen spielen Bedingungssätze, auch Konditionalsätze genannt, eine wesentliche Rolle. Daher erfahren Sie in diesem Kapitel, welche Bedeutung sie haben und wie diese gebildet werden. Weiterhin setzen Sie sich mit dem für die Rechtssprache typischen Genitiv auseinander, den Sie in diesem Kapitel anwenden sollen, um Besitzverhältnisse auszudrücken. Sie wiederholen in diesem Zusammenhang die Deklination des bestimmten wie auch des unbestimmten Artikels in allen vier Fällen (Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ). So wird es Ihnen später leichter fallen, ebenso Pronomen, Adjektive und Nomen richtig zu deklinieren und korrekte Bezüge zwischen den einzelnen Satzgliedern herzustellen. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn die Sätze lang und verworren sind, was in der deutschen Rechtssprache oft der Fall ist.
Übungen zum rechtssprachlichen Fachwortschatz, vor allem zu häufig verwendeten Verben, typischen Präpositionen, Synonymen und festen Formulierungen, runden dieses Kapitel ab. Sie erwerben hier grundlegende Wortschatzkenntnisse, um sich schriftlich wie auch mündlich in der Rechtssprache ausdrücken zu können. Diese Übungen bilden die Voraussetzungen für alle weiteren Wortschatzübungen in dem vorliegenden Lernbuch. In Zweifelsfällen können Sie an dieser Stelle immer wieder nachschlagen.
1 › B › I. Bestimmung von Tatbestand und Rechtsfolge
1. Übung Tatbestand und Rechtsfolge
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a) Lesen Sie folgenden Text zur Zusammensetzung von Normen.
Lesen und Verstehen von Normen aus dem BGB
Eine Norm besteht aus Tatbestand und Rechtsfolge. Der Tatbestand umfasst die Voraussetzungen. Die einzelnen Voraussetzungen heißen auch Tatbestandsmerkmale. Nur wenn die jeweiligen Voraussetzungen bzw. Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, tritt die Rechtsfolge ein. Daher verhält sich der Tatbestand wie eine Bedingung, die erfüllt sein muss. Man kann sagen: Die Rechtsfolge tritt dann ein, wenn der Tatbestand erfüllt ist. Eine erfolgreiche Arbeit mit dem Gesetz setzt voraus, dass Tatbestand und Rechtsfolge einer Norm genau bestimmt werden können.
Beispiel
§ 1 BGB
§ 1 BGB lautet: Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt.
Tatbestand: Vollendung der Geburt.
Rechtsfolge: Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt.
Man kann auch sagen: Wenn die Geburt vollendet ist, dann ist der Mensch rechtsfähig.
Hinweis
Der Tatbestand wird im Gesetz häufig durch die Präpositionen mit (+ Dat.), zu (+ Dat.) oder durch (+ Akk.) oder das Adjektiv erforderlich gekennzeichnet. Die Konjunktionen oder und auch manchmal und können ausdrücken, dass eine Norm Tatbestandsalternativen enthält. Die Rechtsfolge wird in einigen Normen mit der Konjunktion so eingeleitet.
b) Markieren Sie in folgenden Sätzen den Tatbestand.
Beispiel
§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB
Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen.
§ 80 Abs. 1 BGB
Zur Entstehung einer rechtsfähigen Stiftung sind das Stiftungsgeschäft und die Anerkennung durch die zuständige Behörde des Landes erforderlich, in dem die Stiftung ihren Sitz haben soll.
§ 598 BGB
Durch den Leihvertrag wird der Verleiher einer Sache verpflichtet, dem Entleiher den Gebrauch der Sache unentgeltlich zu gestatten.
§ 812 Abs. 2 BGB
Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
§ 929 S. 1 BGB
Zur Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache ist erforderlich, dass der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt und beide darüber einig sind, dass das Eigentum übergehen soll.
2. Übung Konditionalsätze mit wenn
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a) Lesen Sie, wie Tatbestand und Rechtsfolge einer Norm durch einen Konditionalsatz ausgedrückt werden können.
§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB
Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen.
Tatbestand: | Kaufvertrag. |
Rechtsfolge: | Der Verkäufer einer Sache ist verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. |
Man kann auch sagen:
Wenn ein Kaufvertrag vorliegt, (dann) ist der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen.
Der Verkäufer einer Sache ist verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen, wenn ein Kaufvertrag vorliegt.