Handbuch des Strafrechts. Dennis Bock
gemäß § 23 Abs. 1 StGB strafbar. Dem Versuchsstadium vorgelagerte Handlungen können beim Raub als versuchte Beteiligung (§ 30 StGB) strafbar sein, z.B. als Raubverabredung mehrerer Mittäter.[441] Aufgrund der Ausgestaltung des Raubes als zweiaktiges Delikt stellen sich Sonderfragen insbesondere hinsichtlich des „unmittelbaren Ansetzens“ (§ 22 StGB) sowie des Rücktritts (§ 24 StGB).[442]
(2) Tatentschluss
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Der Tatentschluss muss sich auf die Wegnahme, den Einsatz qualifizierter Nötigungsmittel und die raubspezifische Verknüpfung (Rn. 88 ff.) beziehen. Zudem muss der Täter Zueignungsabsicht (Rn. 91) sowie Vorsatz hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der angestrebten Zueignung (Rn. 92 f.) haben.
(3) Unmittelbares Ansetzen
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Nach allgemeinen Grundsätzen setzt ein Täter zu einem Delikt unmittelbar an, wenn er Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals unmittelbar vorgelagert sind und im Fall des ungestörten Fortgangs ohne Zwischenakte in die Tatbestandshandlung des Raubes unmittelbar einmünden.[443] Das ist der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschreitet, es eines weiteren „Willensimpulses“ nicht mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt.[444] In der Versuchslehre dem Grunde nach anerkannt ist die Regel, dass die Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals stets ein unproblematischer Fall des unmittelbaren Ansetzens zur gesamten Tat ist.[445] Im Bereich des § 249 StGB bedarf es jedoch Modifizierungen dieser „Teilverwirklichungs-Regel“.[446] Die Verwirklichung des Wegnahmemerkmals genügt nicht, noch weniger das unmittelbare Ansetzen hierzu.[447] Für ein unmittelbares Ansetzen gemäß § 22 StGB ist nach h.M. wegen der besonderen (finalen) Struktur des Raubes erforderlich, dass der Täter jedenfalls zur qualifizierten Nötigung ansetzt.[448] Wer dagegen ausnahmsweise mit Raubvorsatz zunächst zur Wegnahmehandlung ansetzt, begeht nur einen versuchten Diebstahl.[449] Die Gegenauffassung, die ausnahmsweise[450] auch das bloße Ansetzen zur Wegnahme genügen lässt, unterläuft § 244 Abs. 1 Nr. 1b StGB, wonach kein Raubversuch vorliegt, wenn der Täter einen Diebstahl versucht, bei dem er eventuellen Widerstand mit einer Waffe brechen will.[451]
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Sofern noch kein Raubmittel angewendet worden ist, sind nach den oben genannten Grundsätzen Versuch und bloße Vorbereitungshandlung voneinander abzugrenzen. Das Klingeln an der Haustür ist unmittelbares Ansetzen zum Raub, wenn nach dem Tatplan gegen denjenigen, welcher öffnen wird, sogleich Raubmittel eingesetzt werden sollen.[452] Ein Versuch ist auch angenommen worden, wenn der Täter einen Begleiter des Opfers angreift[453] oder mit gezogener Schusswaffe vor der Postdienststelle erscheint.[454] Wer sich auf die Lauer legt, setzt zum Raub erst unmittelbar an, wenn er sich in seiner Vorstellung dem Opfer so genähert hat, dass der nächste Akt Gewalt oder Drohung ist.[455] Nicht die Versuchsschwelle überschreitet, wer noch auf einen nicht erschienenen Mittäter warten will[456] oder wer am Sonntagabend zu einer Sparkasse fährt, in die er eindringen will, um am Montagmorgen die zur Arbeit kommenden Bankmitarbeiter zu überfallen.[457] Soll die Tat mittäterschaftlich begangen werden, beginnt der Versuch nach allgemeinen Grundsätzen für jeden Mittäter, sobald nur einer von ihnen unmittelbar ansetzt.[458]
(4) Rücktritt vom Versuch
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Die Zweiaktigkeit des Raubtatbestandes eröffnet zusätzliche Rücktrittsmöglichkeiten nach § 24 StGB. Als Aufgabe der Tatausführung bzw. Verhinderung der Tatvollendung sind nämlich auch Maßnahmen anzuerkennen, mit denen der eine (andere) Straftat vollendende Täter dafür sorgt, dass die Tat nicht als Raub vollendet wird.[459] Ein strafbefreiender freiwilliger Rücktritt vom Raubversuch liegt nicht vor, wenn der Täter nach der Nötigung von der Wegnahme der vorgefundenen Sachen absieht, weil er mit lohnenderer Beute gerechnet hat.[460] Nach h.M. handelt es sich dabei um einen Fall des fehlgeschlagenen Versuchs.[461]
bb) Vollendung und Beendigung
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Vollendet ist der Raub mit der Vollendung der Wegnahme, d.h. mit der Begründung neuen Gewahrsams an der Sache, die sich der Täter rechtswidrig zueignen will (Rn. 70 ff.).[462] Vollendeter Raub liegt nicht vor, wenn der Täter sich den Inhalt eines gewaltsam weggenommenen Behältnisses zueignen möchte, das Behältnis aber abweichend vom Tatplan leer ist oder andere, für den Täter belanglose Gegenstände enthält.[463] Hinsichtlich des Behältnisses und der vorgefundenen Gegenstände fehlt es dem Täter zum Zeitpunkt der Wegnahme am Zueignungswillen, sodass nur versuchter Raub bezüglich der erwarteten Gegenstände, auf die die Zueignungsabsicht gerichtet war, vorliegt.[464]
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Beendigung tritt wie beim Diebstahl (→ BT Bd. 5: Kudlich, § 29 Rn. 50) mit Sicherung des Gewahrsams an der Beute ein,[465] wenn hinsichtlich der Beute keine direkten Eingriffsmöglichkeiten des Eigentümers oder eines Beobachters mehr bestehen[466] oder wenn der Angriff auf das betroffene Rechtsgut schon vorher seinen unabänderlichen Abschluss gefunden hat.[467]
aa) Konkurrenzverhältnis zu §§ 253, 255 StGB
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Die Rspr. und ein Teil der Lehre sieht den Raub als Sonderfall der Erpressung und damit als lex specialis an, da das Opfer unter Einsatz eines qualifizierten Nötigungsmittels dazu gebracht wird, die Wegnahme der Sache zu dulden.[468] Im Schrifttum wird dagegen überwiegend (und zu Recht) für das Vorliegen des Erpressungstatbestandes eine Vermögensverfügung des Opfers verlangt, sodass zwischen Raub- und Erpressungsdelikten ein Exklusivitätsverhältnis angenommen wird.[469] Dieser Streit hat zwar Auswirkungen auf die Einordnung des Raubtatbestandes, behandelt jedoch die Frage der Voraussetzungen der Erpressungstatbestände, sodass er vorrangig dort zu verorten ist (→ BT Bd. 5: Heinrich, § 32 Rn. 34 ff.). Versucht der Täter zunächst eine räuberische Erpressung (§§ 253, 255, 22 StGB) und nimmt er die Sache schließlich selbst weg, dann liegt auf Konkurrenzebene nur ein vollendeter Raub gemäß § 249 StGB vor.[470] Für die umgekehrte Konstellation verdrängt die vollendete räuberische Erpressung gemäß §§ 253, 255 StGB den versuchten Raub gemäß §§ 249, 22 StGB.[471] Tateinheit ist lediglich in denjenigen Fällen denkbar, in denen dasselbe Nötigungsmittel dazu eingesetzt wird, die eine Sache wegzunehmen, während damit gleichzeitig die Vermögensverfügung über eine andere Sache erzwungen werden soll.[472]
bb) Konkurrenzverhältnis zu §§ 242 ff. StGB und §§ 240 f. StGB
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Systematisch ist der Raub ein gegenüber dem Diebstahl (§ 242 StGB) sowie der Nötigung (§ 240 StGB) eigenständiges Delikt.[473] § 249 StGB verdrängt § 242 StGB, auch wenn das Regelbeispiel des § 243 StGB verwirklicht ist.[474] Spezialität besteht gegenüber § 244 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB, da dann notwendigerweise auch die qualifizierte Form des Raubes gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB erfüllt ist;[475] hinsichtlich des § 244 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 4 StGB dürfte wegen der Verletzung eines weiteren Rechtsgutes (Privat- und Intimsphäre) Tateinheit gegeben sein. Kann nur der Diebstahl nachgewiesen werden, ist keine Wahlfeststellung