Handbuch des Strafrechts. Dennis Bock
genügen lässt. Leichtfertigkeit entspricht etwa dem Maßstab der aus dem Zivilrecht bekannten groben Fahrlässigkeit.[744] Leichtfertig handelt, wer die sich ihm aufdrängende Möglichkeit eines tödlichen Verlaufs aus besonderem Leichtsinn oder besonderer Gleichgültigkeit außer Acht lässt, wobei in die anzustellende wertende Betrachtung neben dem Umfang der Tatsachenkenntnis auch der Grad der Vermeidbarkeit einzustellen und damit zu berücksichtigen ist, inwieweit sich die Gefahr des Erfolgseintritts etwa wegen einer Opfersituation aufdrängen musste.[745] Notwendig ist somit, dass der Täter bewusst ein hohes Risiko für das Leben des Opfers eingeht; wobei die Konstitution des Opfers Berücksichtigung finden muss.[746]
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Aufgrund des Wortlauts („wenigstens“) kann § 251 StGB auch vorsätzlich begangen werden.[747] Vor dem 6. StrRG (Rn. 30) war die Frage umstritten, ob bei vorsätzlichem Handeln § 251 StGB erfüllt ist. Der Große Senat für Strafsachen entschied zugunsten der Vorsatzlösung.[748] Der vorsätzlich tötende Täter wird allerdings i.d.R. zugleich wegen (Habgier-)Mordes bestraft, sodass sich die Frage stellt, welchen Mehrwert die gesetzgeberische Klarstellung jenseits der Symbolik hat.[749] Der „entscheidende Grund“[750] besteht nach Vogel darin, die Strafbarkeit des § 251 StGB auch bei nicht erwiesenem Tötungsvorsatz zu gewährleisten. Wäre die Strafbarkeit auf leichtfertiges Handeln beschränkt, müsste man bei ungeklärter Sachlage (Fahrlässigkeit oder Vorsatz) zugunsten des Täters annehmen, dass bei ihm Vorsatz vorliege, und damit eine Strafbarkeit nach § 251 StGB unter Anwendung des Zweifelssatzes verneinen. Der BGH führt weitere Sachgründe an (z.B. Möglichkeit der Bestrafung nach § 251 StGB bei fehlendem Mordmerkmal).[751]
6. Täterschaft und Teilnahme
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Da es sich bei § 251 StGB gemäß § 11 Abs. 2 StGB auch bei nur leichtfertiger Erfolgsherbeiführung um ein Vorsatzdelikt handelt, erfolgt die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme nach der Art der Beteiligung am Grundtatbestand des § 249 StGB.[752] Hinsichtlich des gemeinsamen Tatplans bei § 25 Abs. 2 StGB dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden; auch eine spontane Verabredung von tödlicher oder lebensgefährlicher Gewalt ist möglich.[753] Hat bei einem Raub mit Todesfolge lediglich einer von mehreren Tatbeteiligten den qualifizierenden Erfolg verursacht, so sind die übrigen nach § 251 StGB grundsätzlich nur strafbar, wenn sich ihr zumindest bedingter Vorsatz auf die Gewaltanwendungen erstreckt, durch welche der qualifizierende Erfolg herbeigeführt worden ist, und wenn auch ihnen in Bezug auf die Todesfolge wenigstens Leichtfertigkeit vorzuwerfen ist.[754] Ein tödlich wirkender Exzess eines oder mehrerer Beteiligter wird nicht zugerechnet.[755] Ein Exzess liegt aber nicht bei jeder Abweichung des tatsächlichen Geschehens vom vereinbarten Tatplan vor, z.B. wenn zwar nicht die vereinbarte, aber doch eine gleichwertige lebensgefährliche Gewalt eingesetzt wird.[756] Ebenso ist der Beteiligte für jede Ausführungsart einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich, wenn ihm die Handlungsweise seiner Tatgenossen gleichgültig ist und deswegen auf deren Billigung geschlossen werden kann.[757]
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Auch in diesem Zusammenhang stellt sich die Problematik der Möglichkeit einer sukzessiven Mittäterschaft, etwa in der Konstellation, bei der ein Beteiligter eine nicht vom Tatplan gedeckte Tötungshandlung begeht und die anderen Beteiligten diese billigen, sodass sich ihr Einverständnis auf die Gesamttat bezieht. Die Rspr. und ein Teil der Lehre hält eine sukzessive Mittäterschaft grundsätzlich für möglich.[758] Die h.L. lehnt eine sukzessive Mittäterschaft zu Recht ab.[759]
7. Versuch und Rücktritt
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Der Versuch des gemäß § 11 Abs. 2 StGB als Vorsatzdelikt zu behandelnden § 251 StGB ist strafbar gemäß §§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB. Zu differenzieren ist zwischen dem erfolgsqualifizierten Versuch und dem Versuch der Erfolgsqualifikation. Ein erfolgsqualifizierter Versuch liegt vor, wenn die Raubtat im Versuch steckenbleibt, die schwere Folge aber eintritt; insbesondere wenn der Täter durch eine in finaler Verknüpfung mit der Wegnahme stehende räuberische Nötigungshandlung den Tod des Opfers verursacht, es aber nicht zur Vollendung der Wegnahme kommt.[760] Bei § 251 StGB ist der erfolgsqualifizierte Versuch möglich.[761] Der – seit dem 6. StrRG (Rn. 30) unstreitig mögliche – Versuch der Erfolgsqualifikation (auch versuchte Erfolgsqualifizierung) liegt vor, wenn der Einsatz der i.S.d. § 249 StGB tatbestandsmäßigen Gewalt zugleich eine vorsätzlich vorgenommene Tötungshandlung ist, die aber den qualifizierten Erfolg nicht bewirkt.[762]
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Verursacht der Täter vor Vollendung des Raubes den Tod und sieht er unter den Voraussetzungen des § 24 StGB von einer Wegnahme ab, ist nach heute h.M.[763] ein freiwilliger Rücktritt vom (nicht fehlgeschlagenen) Versuch des Grundtatbestands möglich, wodurch auch der Qualifikation des § 251 StGB die Grundlage entzogen wird. Es kommt damit nicht darauf an, ob sich der Täter bemüht, den Todeseintritt zu verhindern.[764] Die gegenteilige Auffassung stützt sich darauf, dass sich bei einer Fallgestaltung wie der vorliegenden bereits die tatbestandsspezifische Gefahr in dem Erfolgseintritt realisiert habe, sodass sowohl nach dem Schutzzweck der erfolgsqualifizierten Delikte als auch nach dem Regelungsgrund des Rücktrittsprivilegs eine strafbefreiende Wirkung des Rücktritts ausscheide.[765] Die Rspr.[766] argumentiert mit dem eindeutigen Wortlaut des § 249 StGB, der nicht in ein Unternehmensdelikt umgedeutet werden dürfe. Die Gegenauffassung führe zu einer teleologischen Reduktion des § 24 StGB zu Ungunsten des Täters, die mit dem Gesetzlichkeitsgrundsatz nicht vereinbar ist. Die Todesverursachung wird dann durch § 222 StGB oder bei Vorliegen seiner Voraussetzungen durch § 227 StGB erfasst.
8. Rechtsfolgen
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Der Raub mit Todesfolge ist mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bedroht. Die lebenslange Freiheitsstrafe ist entgegen des Wortlauts nicht der gesetzliche Regelfall, sondern darf nur verhängt werden, wenn die Tat mindestens nahe an einen Mord herankommt.[767] Liegt lediglich eine leichtfertige Tötung vor, scheidet die lebenslange Freiheitsstrafe aus.[768] Die Tatsache, dass ein Mensch getötet wurde, darf dem Täter gemäß § 46 Abs. 3 StGB nicht strafschärfend zur Last gelegt werden.[769] Im Jahre 2018 wurde die lebenslange Freiheitsstrafe nicht in einem einzigen Fall verhängt.[770] Ein Blick in die Strafverfolgungsstatistik für die Jahre 2007–2016 zeigt, dass diese Strafe in diesem Zeitraum insgesamt in nur fünf Fällen verhängt wurde. Zu den möglichen Maßregeln der Sicherung und Besserung (Sicherungsverwahrung und Führungsaufsicht) vgl. Rn. 116.
9. Konkurrenzen
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Tateinheit besteht mit §§ 211, 212 StGB, wenn der Tod vorsätzlich verursacht wird (Klarstellungsfunktion),[771] sowie mit § 227 StGB, wenn der Tod leichtfertig verursacht wird, da die raubrelevante Nötigung keine Körperverletzung sein muss (Klarstellungsfunktion).[772] § 222 StGB wird durch § 251 StGB verdrängt.[773] § 250 Abs. 2 Nr. 3b StGB und § 250 Abs. 1 Nr. 1c StGB werden immer von § 251 StGB verdrängt, weil sich die jeweilige Gefahr durch den Tod realisiert hat.[774] Mit anderen Begehungsweisen des § 250 StGB kann Idealkonkurrenz angenommen werden.[775]
8. Abschnitt: Schutz des Vermögens › § 30 Raub › E. Rechtsvergleich
E. Rechtsvergleich
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Der