Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung. Markus Berndt
generalpräventiv künftige Aufsichtspflichtverletzungen verhindert werden. Insbesondere bei strukturell ungenügender Compliance, die fortwährend Zuwiderhandlungen herausfordert oder in der Vergangenheit bereits herausgefordert hat, kommt der Ordnungswidrigkeit eine größere Bedeutung zu.[253] Ferner besteht ein Zusammenhang zwischen dem Merkmal der Bedeutung und dem Rang der betroffenen Rechtsgüter, da es anders zu werten ist, ob infolge einer Aufsichtspflichtverletzung lediglich Eigentum und Vermögen oder sogar Leib und Leben geschädigt werden.[254] Mildernd dürfte demgegenüber ins Gewicht fallen, wenn der Inhaber im Anschluss an eine Tat nunmehr Compliance-Programme erstmalig installiert oder zumindest verbessert, da angesichts eines solchen Nachtatverhaltens generalpräventive Bedürfnisse schwinden.[255]
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Das Merkmal des den Täter treffenden Vorwurfs adressiert den Gedanken der Tatproportionalität. Zum gesetzlichen Tatbestand zählende Umstände sind ebenso wie beim strafrechtlichen Doppelverwertungsverbot nach § 46 Abs. 3 StGB nicht berücksichtigungsfähig.[256] Daher kann zwar nicht auf die in fehlender oder unzureichender Compliance liegende Aufsichtspflichtverletzung als solche, wohl aber auf deren Intensität abgestellt werden: Je gravierender der Verstoß oder je stärker der Vorsatz- oder Fahrlässigkeitsgrad, desto mehr wird man dem Inhaber die Tat individuell zum Vorwurf machen können.[257] Sanktionserhöhend dürfte sich insbesondere auswirken, wenn der Inhaber Compliance lediglich im Sinne eines Windowdressings betreibt, da hier ein prinzipiell taugliches Instrument zur Sicherung von Normkonformität zweckentfremdet wird.[258] Umgekehrt mag sich mildernd auswirken, wenn der Inhaber aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten nicht das Optimum an kostenintensiver Compliance betreiben konnte, die Unternehmen an die Grenzen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bringen kann.[259]
b) Haftung für Sachgefahren
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Neben der Haftung für Personengefahren kommt eine Haftung der Leitungsperson wegen Sachgefahren in Frage. Im Ausgangspunkt wird man von einer Garantenpflicht des Betriebsinhabers zur Unterbindung von Gefahren für außenstehende Dritte ausgehen müssen, soweit diese auf Sachen zurückgehen, die im Zuge der Entfaltung unternehmerischer Tätigkeit genutzt werden und ein betriebstypisches Risiko darstellen.[260] Konkret lässt sich diese Garantenstellung auf eine der Leitungsperson obliegende Verkehrssicherungspflicht zurückführen.[261] Indes ist daran zu erinnern, dass die dem Zivilrecht entspringenden Verkehrssicherungspflichten nicht deckungsgleich mit strafrechtlichen Garantenpflichten sind.[262] Vor diesem Hintergrund kommt der Verteidigung insbesondere die Aufgabe zu, einer ungefilterten Transformation zivilrechtlicher Verkehrssicherungspflichten in das Strafrecht entgegenzuwirken und herauszuarbeiten, ob zwingende, spezifisch strafrechtliche Gründe für die Statuierung einer Garantenstellung bestehen (siehe Rn. 21 ff.). Die in diesem Zusammenhang auftretenden Probleme potenzieren sich im Bereich der strafrechtlichen Produkthaftung, bei der neben der Frage der Garantenpflicht noch weitere Themenkreise betroffen sind (siehe dazu Rn. 151 ff.).
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