Familien- und Erbrecht. Ute Brenneisen
Unter dem Begriff der Familie ist nach dem natürlichen Sprachgebrauch die Gesamtheit aller durch Ehe, durch Verwandtschaft oder durch Schwägerschaft verbundenen Personen zu verstehen.[1]
Dabei ist die mehrere Generationen umfassende Großfamilie von der nur maximal 2 Generationen umfassende Kleinfamilie zu unterscheiden. Das BGB regelt vorrangig die Rechtsbeziehungen innerhalb der Kleinfamilie. Einige Vorschriften des BGB wie z.B. die Unterhaltspflichten unter Verwandten §§ 1601 ff. betreffen allerdings auch die Großfamilie.
1. Teil Familienrecht › A. Grundbegriffe und Rechtsgrundlagen des Familienrechts › II. Verwandtschaft
II. Verwandtschaft
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Die Verwandtschaft wird begründet durch Abstammung (Blutsverwandtschaft). Personen, die voneinander abstammen, sind in gerader Linie verwandt (Großeltern, Kinder und Enkel), § 1589 S. 1. Nach § 1589 S. 2 sind Personen, die gemeinsam von einer dritten Person abstammen, in der Seitenlinie verwandt (Geschwister, Vettern, Tanten, Onkel etc.). Der Grad der Verwandtschaft bestimmt sich nach der Zahl der sie vermittelnden Geburten. Dabei wird die Person, die die Verwandtschaft herstellt, nicht mitgezählt, § 1589 S. 3.
Beispiel 1
Der Verwandtschaftsgrad von zwei Geschwistern wird durch zwei Geburten hergestellt. Die Geburt der Mutter zählt nicht mit. Deshalb sind Geschwister im zweiten Grad miteinander verwandt.
Beispiel 2
Der Verwandtschaftsgrad von Onkel und Neffe wird durch drei Geburten vermittelt (Geburt des Onkels, Geburt der Mutter des Neffen und Geburt des Neffen). Sie sind im dritten Grad miteinander verwandt.
Hinweis
Ein Verwandtschaftsverhältnis kann auch durch eine Annahme als Kind entstehen. Die Adoption von Minderjährigen ist in den Vorschriften der §§ 1741–1766, die Adoption von Volljährigen in den Vorschriften der §§ 1767–1772 geregelt. Das BVerfG[2] hält § 1754 Abs. 1, Abs. 2, § 1755 Abs. 1, Abs. 2 mit Art. 3 Abs. 1 GG insoweit für unvereinbar, als danach ein Kind von seinem Stiefelternteil, der mit einem rechtlichen Elternteil in nichtehelicher Beziehung lebt, nicht adoptiert werden darf. Eine entsprechende Gesetzesinitiative befindet sich zwischenzeitlich im Bundeskabinett.
1. Teil Familienrecht › A. Grundbegriffe und Rechtsgrundlagen des Familienrechts › III. Schwägerschaft
III. Schwägerschaft
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Nach § 1590 Abs. 1 S. 1 ist eine Person mit den Verwandten seines Ehegatten und mit dem Ehegatten seiner Verwandten verschwägert.
Beispiel
Eine Frau ist mit dem Bruder und den Eltern ihres Ehemannes verschwägert.
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Verschwägert sind auch Stiefeltern und Stiefkinder. Dagegen besteht keine Schwägerschaft zwischen den Verwandten der Ehefrau und den Verwandten des Ehemannes. Die Linie und der Grad der Schwägerschaft bestimmen sich nach § 1590 Abs. 1 S. 2 nach der Linie und dem Grad der sie vermittelnden Verwandtschaft.
Beispiel
Eine Ehefrau und die Schwester ihres Ehemanns sind im zweiten Grad miteinander verwandt (Geburt der Ehefrau und die Geburt der Schwester des Ehemannes sind maßgebend. Die Geburt des Ehemannes zählt nicht mit).
Hinweis
Ehegatten sind durch die Eheschließung nicht miteinander verwandt und nicht miteinander verschwägert.
Die Schwägerschaft besteht nach § 1590 Abs. 2 auch nach Auflösung der Ehe fort.
Anmerkungen
Palandt-Brudermüller Einl. v. § 1297 Rn. 2.
BVerfG Beschl. v. 26.3.2019 (Az. 1 BvR 673/17) = NJW 2019, 1793.
1. Teil Familienrecht › B. Verlöbnis
B. Verlöbnis
1. Teil Familienrecht › B. Verlöbnis › I. Begriff und Rechtsnatur des Verlöbnisses
I. Begriff und Rechtsnatur des Verlöbnisses
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Ein Verlöbnis ist das gegenseitig gegebene Versprechen, die Ehe einzugehen.
Unter dem Begriff des Verlöbnisses wird auch das dadurch begründete Schuldverhältnis verstanden. Das Eheversprechen kann formfrei und damit auch konkludent erklärt werden.
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Die Rechtsnatur des Verlöbnisses ist umstritten. Der Theorienstreit wirkt sich nur bei Verlöbnissen beschränkt geschäftsfähiger Personen aus.
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Nach der Vertragstheorie[1] handelt es sich um einen formlosen Vertrag, auf den die allgemeinen Vorschriften des BGB und damit auch die §§ 104 ff. Anwendung finden. Für das wirksame Zustandekommen des Vertrags ist daher die Geschäftsfähigkeit der Vertragsschließenden bzw. die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters des beschränkt Geschäftsfähigen erforderlich. Allerdings benötigt der beschränkt Geschäftsfähige keine Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters, wenn er von dem Verlöbnis zurücktreten will. Das ergibt sich daraus, dass niemand zur Eingehung einer Ehe nach § 1297 Abs. 1 gezwungen werden kann.[2] Ausnahmen von der Geltung des Vertragsrechts bestehen nur darin, dass die Vorschriften über die Stellvertretung nicht anwendbar sind, da das Verlöbnis ein höchstpersönliches Rechtsgeschäft ist.
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Nach der Theorie vom familienrechtlichen Vertrag[3] ist das Verlöbnis ein Vertrag sui generis, für den eine Geschäftsfähigkeit der Vertragsschließenden nicht erforderlich ist. Vielmehr kommt es auf die Verlöbnisfähigkeit in Form einer individuellen geistigen Reife an.
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Nach der Lehre der Vertrauenshaftung[4] ist das Verlöbnis kein Vertrag, sondern ein gesetzliches Vertrauensverhältnis der Verlobten zueinander. Für die Begründung des Verlöbnisses ist keine Geschäftsfähigkeit erforderlich, sondern nur eine Einsichtsfähigkeit.
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Stellungnahme: Die Theorie vom gesetzlichen Rechtsverhältnis (Vertrauenstheorie) berücksichtigt nicht, dass dem gegenseitigen Versprechen auf Eingehung