Einführung in das Verfassungsrecht der USA. Guy Beaucamp
Befugnisse des US-Präsidenten
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Für das Verhältnis zu den anderen Staaten der Welt ist der jeweilige US-amerikanische Präsident tatsächlich von zentraler Bedeutung[1]. Er ist Oberbefehlshaber aller US-amerikanischen Soldaten (Art. II, section 2, cl. 1 USC) und zentraler Akteur der Außenpolitik, weil er – allerdings mit Zustimmung von zwei Dritteln der Senatsmitglieder – völkerrechtliche Verträge abschließt und alle Botschafterinnen und Botschafter ernennt (Art. II, section 2, cl. 2 USC).
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Ferner wird aus der sogenannten receiving-clause des Art. II, section 3 USC das ausschließliche Recht des Präsidenten entwickelt, fremde Staaten anzuerkennen bzw. diese Anerkennung zurückzunehmen[2]. Außenpolitisch relevant sind ferner die durch historisch gewachsene Staatspraxis anerkannten Kompetenzen des Präsidenten, völkerrechtliche Verträge zu kündigen[3] und Regierungsvereinbarungen (executive agreements) abzuschließen[4] und damit die für völkerrechtliche Verträge eigentlich notwendigen 2/3 Mehrheit im Senat (Art. II, section 2, cl. 2 USC) zu umgehen. Schließlich hat der Kongress durch die War Powers Resolution von 1973 akzeptiert, dass es einen begrenzten Truppeneinsatz seitens des Präsidenten ohne offizielle Kriegserklärung durch den Kongress geben darf und damit seine eigene Kompetenz aus Art. I, section 8, cl. 11 USC eher restriktiv gehandhabt[5].
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Innenpolitisch hat der US-Präsident ebenfalls eine dominante Rolle[6]. Er darf alle Bundesbediensteten und Bundesrichterinnen bzw. -richter ernennen (Art. II, section 2, cl. 2 USC). Hierzu zählen auch die Minister und Ministerinnen seiner Regierung und die Richterinnen und Richter des obersten Bundesgerichts. Für die Ernennungen – nicht aber für Entlassungen[7] – braucht der Präsident die Zustimmung des Senats (Art. II, section 2, cl. 2 USC)[8]. Ähnlich wie der deutsche Bundespräsident ist der US-Präsident für Begnadigungen auf Bundesebene zuständig (Art. I, section 2, cl. 1 USC, Art. 60 Abs. 2 GG).
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Der US-Präsident ist nicht nur Staatschef sondern auch Regierungschef[9], er leitet die Exekutive (Art. II, section 1, cl. 1 USC) und trägt die Verantwortung für diese allein[10]. Ressortverantwortung der Ministerinnen und Minister oder den Regierungschef bindende Entscheidungen des Kabinetts, wie in Art. 65 GG vorgesehen, sind dem US-amerikanischen Verfassungsrecht unbekannt[11]. Der Präsident kann Ministerinnen und Minister sowie andere hochrangige Beschäftigte, etwa seinen Regierungssprecher, die ihm nicht mehr zusagen, entlassen[12]. Lebenszeitbeamtinnen und -beamte kennt das amerikanische Verfassungsrecht im Unterschied zu Art. 33 Abs. 4 GG nicht. Dies bedeutet, dass mit einem neuen Präsidenten auch rund 4000 Spitzenpositionen in Washington neu besetzt werden[13]. Man benennt deshalb die jeweilige Bundesverwaltung auch nach dem amtierenden Präsidenten und spricht etwa von der Bush-Administration, der Obama-Administration und aktuell von der Trump-Administration.
Anmerkungen
Barron/Dienes, S. 205 f.; Brugger, S. 85.
Zivotovsky ex re. Zivotovsky v. Kerry, 135 S.Ct. 2076, 2084 ff. (2015); Amar, (2012), S. 314.
Bradley/Morrison, Columbia Law Journal 113 (2013), 1097, 1098; Amar, (2006), S. 473; Amar, (2012), S. 315.
Dames v. Regan, 453 U.S. 654, 679 f. (1981); Chemerinsky, S. 401 f.; Bradley/Morrison, Columbia Law Journal 113 (2013), 1097, 1098 u. 1104 f.; Levinson, S. 22 u. 111; Brugger, S. 84 f.
Einzelheiten insoweit bei Currie, S. 41 f.; Brugger, S. 86; Tushnet, S. 113 f.; Levinson, S. 108 f.; Mayer, 222 f.
Tushnet, S. 78.
Schmidt-Aßmann, VerwArch 111 (2020), 1, 6; Brugger, S. 223.
Brugger, S. 79 f.
Heringa, S. 37 u. 167.
Amar, (2006), S. 197; Amar, (2012), S. 327.
Amar, (2006), S. 188 f. u. 197.
Amar, (2006), S. 194; Brugger, S. 222 f.; Mathews, S. 67; Heringa, S. 186; Amar, (2012), S. 320.
Schmidt-Aßmann, VerwArch 111 (2020), 1, 5 f.; Lütjen, S. 169.
B. Zentrale Institutionen der US-amerikanischen Verfassung › I. Der Präsident › 2. Vergleich mit den Aufgaben des deutschen Bundespräsidenten
2. Vergleich mit den Aufgaben des deutschen Bundespräsidenten
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Die geschilderten Befugnisse des US-Präsidenten (President of the United States = POTUS) lassen es plausibel erscheinen, dass er von manchen als mächtigster Mann der Welt bezeichnet wird[1]. Niemand würde auf die Idee kommen, dem deutschen Bundespräsidenten eine entfernt ähnliche Bedeutung zuzuschreiben. Der deutsche Bundespräsident – eine Bundespräsidentin hat es ebenfalls noch nicht gegeben – ist zwar das Staatsoberhaupt[2], seine tatsächliche Macht ist allerdings gering[3]. Art. 58 GG knüpft z.B. die Gültigkeit seiner Anordnungen und Verfügungen an die Gegenzeichnung der Bundeskanzlerin oder des zuständigen Bundesministers. Der Bundespräsident ist nicht Regierungs- oder Armeechef, er leitet die deutsche Bundesverwaltung nicht, sondern lediglich das Bundespräsidialamt. Er wird nicht vom Volk sondern von der Bundesversammlung gewählt (Art. 54 GG) und ist nicht in die Wahl der Bundesverfassungsrichterinnen und –richter eingebunden (s. insoweit Art. 94 Abs. 1 GG). Zwar hat er ebenfalls Ernennungsaufgaben, doch ist er – anders als sein US-amerikanischer Amtskollege – nicht befugt, die zu ernennenden Bundesbeamten, Bundesrichterinnen und -richter oder Bundesministerinnen und – minister selbst mit auszuwählen (Art. 60 Abs. 1, 64 Abs. 1 GG)[4]. Selbst im Verteidigungsfall (Art. 115a ff. GG) werden nicht dem Bundespräsidenten, sondern dem Bundeskanzler und dem Bundestag erweiterte Kompetenzen zugestanden.
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Im Bereich der Außenpolitik unterzeichnet der Bundespräsident zwar formell die völkerrechtlichen Verträge nach Art. 59 Abs. 1 GG. Die Vorbereitung, Aushandlung und Entscheidung über den jeweiligen Vertrag, die inhaltliche Arbeit also, ist jedoch der Bundesregierung und dem Bundestag vorbehalten[5].