Falltraining Insolvenzrecht. Josef Parzinger

Falltraining Insolvenzrecht - Josef Parzinger


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      Rechtsanwältin Stephanie Simon wurde vom Verband des Mittelstands (VdM) gebeten, einen Vortrag mit dem Titel „Einführung in das Insolvenzrecht“ zu halten. Im Interesse der Mandantenakquise hat Frau Simon ohne Zögern eingewilligt. Sie bittet einen Referendar, die folgenden Fragen stichpunktartig zu beantworten.

1. Was ist das Ziel eines Insolvenzverfahrens nach der InsO?
2. Welche drei Möglichkeiten der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger sieht die InsO im Fall einer Unternehmensinsolvenz vor?
3. Was ist der Sinn einer gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger?
4. Man stelle sich vor, es gäbe keine Insolvenzordnung. Würden die Gläubiger der InsO vergleichbare Regelungen vertraglich vereinbaren?
5. Welche Argumente könnten im Einzelfall für eine Reorganisation sprechen?
6. Inwiefern unterscheidet sich die Vollstreckung nach der InsO zur Vollstreckung nach den §§ 704 ff. ZPO?
7. Wie läuft ein Insolvenzverfahren ab? Bringen Sie die folgenden Begriffe in eine chronologische Abfolge: „Berichtstermin, Anfechtung, Verwertung der Masse, Eröffnungsverfahren, Eröffnungsbeschluss, Beendigung des Verfahrens, Prüfungstermin, Verteilung der Masse, Insolvenzantrag“.
8. Darf ein Prokurist einen Insolvenzantrag stellen? Wie verhält es sich bei einem Gesellschafter?
9. In welche Gruppen lassen sich die Gläubiger des Schuldners einordnen (§§ 38 ff. InsO)? Was ist für die jeweilige Gruppe kennzeichnend?
10. Wie unterscheiden sich aussonderungs- und absonderungsberechtigte Gläubiger?

      Einige Fragen zur Einführung in die InsO – Teil 1 › Lösung Fragen 1 – 10

Lösung Fragen 1 – 10

      Einige Fragen zur Einführung in die InsO – Teil 1Lösung Fragen 1 – 10 › 1. Was ist das Ziel eines Insolvenzverfahrens nach der InsO?

      1. Was ist das Ziel eines Insolvenzverfahrens nach der InsO?

      Gemäß § 1 InsO dient das Insolvenzverfahren dazu, „die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen“. Das Insolvenzverfahren dient also der kollektiven Befriedigung der Gläubiger. Darin unterscheidet es sich wesentlich von der Einzelzwangsvollstreckung nach den §§ 704 ff. der ZPO.

      Der Erhalt eines Unternehmens (oder der Erhalt von Arbeitsplätzen) ist kein primäres Ziel der InsO. Nur soweit der Erhalt eines Unternehmens, verglichen mit der Liquidation, zu einer höheren Befriedigung der Gläubiger führt, ist er geboten, um die Gläubiger zu befriedigen.

      Um die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger zu gewährleisten, wird ein Insolvenzverwalter eingesetzt. Die Kosten für den Insolvenzverwalter schmälern das Vermögen, das für die Verteilung an die Gläubiger zur Verfügung steht. Dennoch werden die Gläubiger in vielen Fällen bessergestellt, als wenn der Schuldner sich selbst überlassen bliebe.

      Natürlichen Personen wird die Gelegenheit gegeben, sich von ihren restlichen Verbindlichkeiten zu befreien, soweit sie im Insolvenzverfahren nicht befriedigt werden und daher weiter ausstehen (siehe zur Restschuldbefreiung die §§ 286 ff. InsO).

      Der Verwalter hat die Aufgabe, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen des Schuldners zu verwerten (§ 159 InsO). Gegen Ende des Verfahrens müssen alle verwertbaren Vermögensgegenstände des Schuldners in Geld umgewandelt worden sein, da nur Geld an die Gläubiger ausgezahlt werden kann, um die Forderungen der Gläubiger zumindest anteilig zu befriedigen. Spiegelbildlich können auch die Gläubiger nur auf Geld gerichtete Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden (§ 174 II InsO, zur Umrechnung von Forderungen in Geldforderungen siehe § 45 InsO).

      Einige Fragen zur Einführung in die InsO – Teil 1Lösung Fragen 1 – 10 › 2. Welche drei Möglichkeiten der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger sieht die InsO im Fall einer Unternehmensinsolvenz vor?

      2. Welche drei Möglichkeiten der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger sieht die InsO im Fall einer Unternehmensinsolvenz vor?

      § 1 InsO sieht zum einen die Liquidation des Vermögens vor („indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt“ wird). Die Liquidation kann auf zweierlei Weise vonstattengehen.

      Die erste und häufigste Variante der Liquidation ist die Verwertung der einzelnen Vermögensgegenstände. Bei einem Unternehmen bedeutet das meist die Verwertung zu einem Bruchteil der Buchwerte.

      Die zweite Möglichkeit der Liquidation ist bei einem Unternehmen die Verwertung des gesamten Unternehmens zu Fortführungswerten. Das ist einerseits möglich durch eine „übertragende Sanierung“. Die Vermögensgegenstände des Unternehmens (Aktiva) werden auf einem neuen Unternehmensträger fortgeführt. Das heißt anstelle des Unternehmensträgers „Blau GmbH“ wird das Unternehmen beispielsweise auf dem Unternehmensträger „Grün GmbH“ fortgeführt. Der alte Unternehmensträger, bei dem die Schulden (Passiva) verblieben sind, wird liquidiert.

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      Zum anderen erwähnt § 1 InsO, dass „in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird.“ Im Fall dieser Reorganisation bleibt der alte Unternehmensträger erhalten, indem die Gesellschaftsanteile auf die Gläubiger oder einen Plansponsor übertragen werden.

      Die drei Möglichkeiten der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger sind damit Zerschlagung, übertragende Sanierung und Reorganisation des Rechtsträgers.

      (Siehe auch Übungsfall 5 „Unternehmensverkauf und Insolvenz“)

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      Einige Fragen zur Einführung in die InsO – Teil 1Lösung Fragen 1 – 10 › 3. Was ist der Sinn einer gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger?

      3. Was ist der Sinn einer gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger?

      Ohne ein kollektives Vorgehen droht ein „Wettlauf“ der Gläubiger, um in einer Situation, in der nicht für alle Gläubiger genug vorhanden ist, rechtzeitig zum Zuge zu kommen. Dieser Wettlauf hätte negative Auswirkungen:


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