Handbuch des Strafrechts. Группа авторов
Fall, worauf später einzugehen sein wird, auch die Vortäuschung eines Doppelselbstmordes und der prekäre seelische Zustand des Mannes zu berücksichtigen.
12. Abschnitt: Täterschaft und Teilnahme › § 52 Mittelbare Täterschaft › D. Die Irrtumsherrschaft
D. Die Irrtumsherrschaft
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Neben die Nötigungsherrschaft als Zwangseinwirkung auf den Willen des unmittelbar Handelnden tritt die Irrtumsherrschaft als zweite Grundkategorie der mittelbaren Täterschaft (der Willensherrschaft). Man kann eine Tatbestandsverwirklichung nicht nur dadurch beherrschen, dass man einem unmittelbar Handelnden seinen Willen aufzwingt, sondern auch, indem man seine Unkenntnis ausnutzt und ihn dadurch zum Werkzeug seiner Pläne macht. Eine solche Irrtumsherrschaft kann in vier Erscheinungsformen auftreten.[51] Sie sind schon oben (Rn. 19 ff.) genannt worden und werden nachfolgend dargestellt.
1. Der unmittelbar Ausführende handelt schuldlos oder unbewusst fahrlässig
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Hier liegt ein eindeutiger und unbestrittener Fall mittelbarer Täterschaft vor. Das sei an zwei bekannten Schulbeispielen verdeutlicht. Ein Mord in mittelbarer Täterschaft ist gegeben, wenn ein von einer Patientin als Erbe eingesetzter Arzt, um rascher an die Erbschaft zu kommen, einer Krankenschwester eine vorgeblich schmerzlindernde, in Wirklichkeit tödliche Spritze übergibt, die diese dem Opfer weisungsgemäß injiziert. Ein Diebstahl in mittelbarer Täterschaft ist anzunehmen, wenn jemand in einem Restaurant einen Bekannten bittet, ihm seinen am rechten Garderobenhaken hängenden Mantel zu bringen, der aber im Eigentum eines anderen steht, so dass der seine Herbeiholung Erbittende ihn sich rechtswidrig zueignen kann.
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Bei Schuldlosigkeit oder unbewusster Fahrlässigkeit des Ausführenden wird dieser vom Hintermann als blinder Kausalfaktor zur Erfolgsherbeiführung benutzt. Man könnte in solchen Fällen sogar von einer unmittelbaren Täterschaft des Veranlassenden sprechen, wie man dies beim Einsatz mechanischer Kausalfaktoren ohne weiteres tut. Da jedoch Menschen „andere“ i.S.d. § 25 Abs. 1 StGB sind, empfiehlt es sich, diesen Fall entsprechend dem herkömmlichen Sprachgebrauch bei der mittelbaren Täterschaft einzuordnen.
2. Der unmittelbar Ausführende handelt bewusst fahrlässig
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Etwas schwieriger wird die Beurteilung, wenn der unmittelbar Ausführende bewusst fahrlässig handelt. Er sieht also die Möglichkeit einer Tatbestandsverwirklichung – er erwägt also z.B., ob die Spritze möglicherweise vergiftet sei oder der Mantel in fremdem Eigentum stehe –, vertraut aber darauf, dass alles in Ordnung sei. Obwohl der Ausführende in solchen Fällen kein ganz blindes Werkzeug ist, muss dem Hintermann jedoch auch hier die Tatherrschaft und damit die mittelbare Täterschaft zugesprochen werden.[52] Das beruht einerseits darauf, dass der Hintermann den Sachverhalt weitaus besser übersieht als der Ausführende (er weiß, was der andere nur als eine theoretische Möglichkeit ansieht) und dass andererseits demjenigen, der auf die Rechtmäßigkeit des Vorganges vertraut, das Hemmungsmotiv fehlt, das der Bitte des Hintermannes entgegengesetzt werden könnte. Mindestens das letztgenannte Argument rechtfertigt auch dann noch die Annahme einer mittelbaren Täterschaft, wenn der Hintermann nur mit dolus eventualis handelt.
3. Der unmittelbar Ausführende handelt im Erlaubnistatbestandsirrtum
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Eine mittelbare Täterschaft durch ein vorsatzlos handelndes Werkzeug liegt auch dann vor, wenn der Hintermann dem Ausführenden eine Rechtfertigungslage vorspiegelt, ihn also in einen Erlaubnistatbestandsirrtum versetzt. Wenn A dem B vortäuscht, der ihn (den B) umarmende C wolle ihn berauben und B den C daraufhin niederschlägt, ist A als mittelbarer Täter einer Körperverletzung zu bestrafen. Entsprechendes gilt, wenn jemand durch die fälschliche Behauptung, es liege eine rechtfertigende Notstandslage vor, zu einer Tatbestandsverwirklichung veranlasst wird.
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Wenn man mit der ganz h.M. den Erlaubnistatbestandsirrtum als vorsatzausschließend ansieht, handelt es sich um einen Fall, der dem Fehlen des Tatbestandsvorsatzes gleichsteht. Eine mittelbare Täterschaft müsste aber auch dann bejaht werden, wenn man mit der sog. strengen Schuldtheorie in Fällen der Putativrechtfertigung eine vorsätzliche Tat des unmittelbar Handelnden annehmen würde. Denn der Hintermann ist der einzige, der strafrechtliches Unrecht verwirklichen will und den Unrechtssachverhalt übersieht. Das verschafft ihm die Tatherrschaft.[53]
4. Die Tatbestandsbezogenheit der mittelbaren Täterschaft
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Die mittelbare Täterschaft ist in den Fällen des vorsatzlosen Werkzeugs immer tatbestandsbezogen. Sie kann also bei der Veranlassung zur Erfüllung verschiedener Tatbestände ggf. unterschiedlich beurteilt werden. Ein Beispiel liefert die Entscheidung BGHSt 30, 363. Hier hatte der Angeklagte zwei Männer zu einem Raub aufgefordert und ihnen zur Betäubung des Opfers ein angebliches Schlafmittel ausgehändigt, das in Wahrheit aus tödlich wirkender Salzsäure bestand. Bei einer Durchführung der Tat (sie scheiterte daran, dass die Aufgeforderten die Tödlichkeit des Mittels erkannten) wäre der Angeklagte wegen eines Mordes in mittelbarer Täterschaft zu verurteilen gewesen, während hinsichtlich des Raubes nur eine Anstiftung vorgelegen hätte.
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Vereinzelt wird die Meinung vertreten, dass auch hinsichtlich des Mordes nur eine Anstiftung anzunehmen sei, weil schon das Ansinnen, einen Raub zu begehen, ein die Tatherrschaft des Hintermannes ausschließendes Hemmungsmotiv schaffe.[54] Aber das ist irrig. Denn die viel höhere Hemmschwelle, die gegenüber einer Mordtat besteht, wird durch die Täuschung gerade beseitigt. Einen bewussten Mord wollten die zum Raub entschlossenen Täter nicht begehen, wie auch der Geschehensverlauf im geschilderten Fall zeigt. Auch geht es nicht an, einen Sachverhalt, in dem ohne die Raubkomponente unstrittig eine mittelbare Täterschaft vorgelegen hätte, nur deshalb als Anstiftung zu beurteilen, weil noch eine Aufforderung zum Raub hinzutritt.
5. Die mittelbare Täterschaft bei rechtmäßig handelndem Tatmittler
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In den Bereich der mittelbaren Täterschaft durch ein vorsatzlos handelndes „Werkzeug“ fällt auch die Benutzung eines rechtmäßig handelnden Tatmittlers. Solche Fälle kommen vor allem bei der Täuschung von Staatsorganen (besonders der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder der Richterschaft) vor. Wenn jemand durch eine falsche Anschuldigung einen scheinbar dringenden Tatverdacht gegen einen anderen schafft, ist er bei einer vorläufigen Festnahme oder Verhaftung des Beschuldigten als mittelbarer Täter einer Freiheitsberaubung zu bestrafen, während der Polizist und der Staatsanwalt im Fall der Festnahme und der Richter bei Ausstellung des Haftbefehls rechtmäßig gehandelt haben. Entsprechendes gilt für den nicht seltenen Fall des Prozessbetruges, in dem der Kläger durch gefälschte Unterlagen eine das Vermögen des Beklagten schädigende Verurteilung oder ein Beklagter mit denselben Mitteln eine den Kläger um sein Geld bringende Klagabweisung erreicht. Da das Urteil bis zu seiner etwaigen Aufhebung Bestand hat, ist der Richter das vorsatzlose, aber rechtmäßig handelnde Werkzeug des Klägers oder Beklagten.
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Aber auch Privatleute können vorsatzlos-rechtmäßige Tatmittler sein. So kann jemand eine üble Nachrede durch einen gutgläubigen und in Wahrnehmung berechtigter Interessen handelnden Tatmittler