Handbuch des Strafrechts. Manuel Ladiges
ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Soweit ermittelt wird, hat die Verwaltungsbehörde nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 160 Abs. 2 StPO nicht nur be-, sondern auch entlastendes Material zu ermitteln. Gegenüber Ermittlungshandlungen, durch die in die Rechte des Betroffenen oder Dritter eingegriffen wird, steht diesen nach Maßgabe des § 62 OWiG ein Rechtsmittel zu.
80
Der Abschluss des Ordnungswidrigkeitenverfahrens erfolgt durch eine Einstellung (§ 47 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, 3 OWiG), durch eine Verwarnung ohne oder mit Verwarnungsgeld (in Höhe von 5 bis 35 Euro, vgl. § 56 OWiG) oder durch einen Bußgeldbescheid (§§ 65 f. OWiG).
c) Einspruch und gerichtliches Verfahren
81
Ergeht ein Bußgeldbescheid, so kann der Betroffene gegen ihn nach § 67 Abs. 1 OWiG binnen zwei Wochen nach Zustellung Einspruch einlegen.[144] Verwirft die Verwaltungsbehörde diesen im Zwischenverfahren nach § 69 OWiG als unzulässig, ist dagegen innerhalb von zwei Wochen ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 69 Abs. 1 S. 2, 62 OWiG möglich. Ist der Einspruch dagegen zulässig und wird der Bußgeldbescheid von der Verwaltungsbehörde aufrechterhalten, so übersendet sie die Akten an die Staatsanwaltschaft (vgl. § 69 Abs. 3 OWiG), die diese dem nach § 68 OWiG zuständigen Strafrichter vorlegt. Verwirft auch dieser den Einspruch nicht als unzulässig (vgl. § 70 OWiG), so kommt es zu einem (öffentlichen) Hauptverfahren. Dieses richtet sich im Wesentlichen nach den Verfahrensregeln der StPO nach Einspruch gegen einen Strafbefehl (vgl. § 411 Abs. 1 S. 2 StPO, vgl. § 71 Abs. 1 OWiG; zu Modifikationen des Verfahrens, insb. mit erweiterten Möglichkeiten des Abwesenheitsverfahrens, vgl. §§ 72 ff. OWiG). Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Amtsgerichts ist allein die Rechtsbeschwerde zum OLG (vgl. § 79 OWiG). Diese ist im Wesentlichen der strafprozessualen Revision nachgebildet.
d) Beitreibung der Geldbuße
82
Zahlt der Betroffene das in einem rechtskräftig gewordenen Bußgeldbescheid festgesetzte Bußgeld nicht, kann aus dem Bescheid vollstreckt werden. Dies erfolgt nach § 90 Abs. 1 HS 1 OWiG (oder den übereinstimmenden Regeln in den einschlägigen Spezialgesetzen) nach den Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes des Bundes. Ein gerichtlicher Bußgeldbescheid wird dagegen gemäß § 91 OWiG nach § 451 Abs. 1 und 2 StPO, § 459 StPO bzw. § 459g Abs. 1 und Abs. 2 StPO i.V.m. § 459 StPO vollstreckt. Nach pflichtgemäßem Ermessen[145] der Vollstreckungsbehörde (d.h. nach § 92 OWiG grundsätzlich der Behörde, die auch den Bußgeldbescheid erlassen hat) kann diese nach erfolglosen Vollstreckungsversuchen oder auch schon vor bzw. statt einer Vollstreckung nach §§ 90, 91 OWiG nach § 96 OWiG Erzwingungshaft anordnen.
83
Auch ein rechtskräftig festgesetztes Bußgeld darf nach Ablauf der Vollstreckungsverjährungsfrist nicht mehr vollstreckt werden, § 34 Abs. 1 OWiG. Die Verjährungsfrist hängt nach § 34 OWiG von der Höhe der verhängten Geldbuße ab. Bei einer verhängten Geldbuße bis zu 1000 Euro beträgt sie nach § 34 Abs. 2 OWiG drei Jahre, bei einer Geldbuße von mehr als 1000 Euro fünf Jahre. Näheres regelt § 34 Abs. 3, 4 OWiG. Zur Sicherung und Durchführung der Vollstreckung kann nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 132 StPO eine Sicherheitsleistung angeordnet werden. Die Schwierigkeiten, die insb. im Zusammenhang mit Betroffenen auftreten können, die ihren (Wohn-) Sitz im Ausland haben, können im Einzelfall – insb. zur Sicherung des Verfalls – die Anordnung eines dinglichen Arrestes nach § 46 OWiG i.V.m. § 111d StPO angezeigt erscheinen lassen. Beide Möglichkeiten sind nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Tatsache zu sehen, dass die Rechtshilfe im Ordnungswidrigkeitenbereich und die Vollstreckung daraus erwachsender Geldforderungen im Ausland noch vielfach auf unsicheren Füßen stehen.[146]
Ausgewählte Literatur
Goldschmidt, James | Der Prozess als Rechtslage, 1925. |
Hagen, Johann | Elemente einer allgemeinen Prozeßlehre, 1972. |
Krey, Volker | Keine Strafe ohne Gesetz, 1983. |
Kudlich, Hans | Strafprozeß und allgemeines Mißbrauchsverbot, 1998. |
Kudlich, Hans | Erfordert das Beschleunigungsverbot eine Umgestaltung des Strafverfahrens? – Gutachten C zum 68. Deutschen Juristentag, 2010. |
Kudlich, Hans/Montiel, Juan Pablo/Schuhr, Jan (Hrsg.) | Gesetzlichkeit und Strafrecht, 2012. |
Niemöller, Martin/Schuppert Gunnar Folke | Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Strafverfahrensrecht, AöR 107 (1982), 387 ff. |
Volk, Klaus | Prozessvoraussetzungen im Strafrecht, 1978. |
Volk, Klaus | Wahrheit und materielles Recht im Strafprozeß, 1980. |
Weigend, Thomas | Deliktsopfer und Strafverfahren, 1989. |
Anmerkungen
Vgl. dazu auch → AT Bd. 1: Michael Kubiciel, Die Flexibilisierung des Strafrechts, § 24 Rn. 3 ff.
Vgl. → AT Bd. 1: Eric Hilgendorf, Strafrecht im Kontext der Normenordnungen, § 1 Rn. 2.
Vgl. zu diesen und weiteren Charakteristika jeweils ausführlicher → StPO Bd. 7: Fabian Stam, Offizialmaxime, Legalitätsprinzip und Anklagegrundsatz, § 10; Benno Zabel, Aufklärungsmaxime und freie Beweiswürdigung; § 11; Uwe Murmann, Beschleunigungsgrundsatz und Konzentrationsmaxime, § 12; Martin Heger, Unmittelbarkeit, Mündlichkeit und Öffentlichkeit, § 13.
Näher → StPO Bd. 8: Carl-Friedrich Stuckenberg, Opportunitätseinstellungen, § 38.
Vgl. insb. → StPO Bd. 8: Ferdinand Gillmeister, Konsensuale Erledigungsstrategien vor der Hauptverhandlung, § 39 und Matthias Jahn, Verständigung in der Hauptverhandlung, § 45.
Vgl. näher Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 2 Rn. 1.
Vgl. zur sinnvollen synonymen Verwendung