Examens-Repetitorium Handels- und Gesellschaftsrecht. Walter Bayer
des § 5 HGB gelten auch zugunsten des Fiktivkaufmanns, vgl. oben Rn. 20). Umstritten ist allerdings, ob die Rechtswirkungen des § 366 HGB im Falle des Handelns eines Scheinkaufmanns zulasten des Eigentümers eintreten können:
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Fall 4:[88]
Der eingetragene Kannkaufmann K beschließt, das Sortiment seines Modegeschäfts auf einen anderen Lieferanten umzustellen. Er verschickt deshalb zum Abverkauf auf Geschäftsbriefpapier gedruckte Einladungen an seine besten Kunden. Aufgrund einiger Misserfolge in den Tagen danach beschließt K, sein Geschäft vollständig aufzugeben. Die Löschung der Firma wird wenig später vorgenommen und bekanntgemacht. Als K die Geschäftsabwicklung schon weitgehend abgeschlossen hat, betritt der befreundete G – durch die Einladung angelockt – den Laden, der von der Geschäftsaufgabe jedoch nichts weiß. Aus einem früheren Gespräch weiß G aber, dass K alle Kleidungsstücke vom Lieferanten L unter Eigentumsvorbehalt bezieht, nicht aber, dass wegen großer Außenstände L dem K bereits vor Monaten den Weiterverkauf bis zur vollständigen Zahlung untersagt hat. Gleichwohl verkauft K dem G einen Mantel, für den noch einige Raten ausstehen. Nachdem L davon erfährt, verlangt er von G Herausgabe.
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Durch die aufschiebend bedingte Übereignung (§§ 929 S. 1, 158 I BGB) scheidet ein Eigentumsverlust des L an K aus, da infolge noch ausstehender Raten die Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung für den Mantel nicht eingetreten ist. Auch ein gutgläubiger Erwerb des G von K nach §§ 929 S. 1, 932 BGB scheitert, weil G bekannt war, dass K nicht Eigentümer der Ware ist. In Betracht kommt ein redlicher Erwerb nur nach § 366 I HGB, weil G zumindest an die Verfügungsbefugnis des K glaubte (dazu ausf. unten Rn. 303 ff.). Allerdings hatte K seinen Gewerbebetrieb gerade aufgegeben und die Firma war auch im Handelsregister gelöscht, so dass weder § 2 noch § 5 HGB eingreifen. Zwar können auch Abwicklungsgeschäfte eine Kaufmannseigenschaft nach § 1 HGB begründen.[89] Abgesehen davon, dass K die Abwicklung schon weitgehend beendet hatte, erforderte sein Modegeschäft auch keine kaufmännische Einrichtung iSd § 1 II HGB. Umstritten ist nun, ob ein gutgläubiger Erwerb nach § 366 I HGB auch vom Scheinkaufmann in Betracht kommt. Während dies die hM[90] unter Hinweis darauf verneint, dass die nachteiligen Wirkungen des § 366 I HGB hier nicht den Scheinkaufmann treffen, sondern den Eigentümer, der sich das Handeln des Scheinkaufmanns hingegen nicht zurechnen lassen muss, meint die Gegenauffassung[91], dass es für den redlichen Erwerber keinen Unterschied mache, ob der Verfügende tatsächlich Kaufmann sei oder dies nur vorspiegele.
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Wenn die Gegenauffassung nun auf die subjektive Sichtweise des Erwerbers abstellen will, dann übersieht sie, dass – nach der Lehre vom unwirksamen Rechtsscheinträger[92] – der bloße Anschein für das Vorliegen eines Vertrauenstatbestands als taugliche Legitimationsgrundlage für einen redlichen Erwerb nicht ausreicht. Legitimationsgrundlage für das Eingreifen des § 366 I HGB ist die Eigenschaft des Veräußerers als Kaufmann im Rechtsverkehr. Hier vertraute G auf das bloße Gerede des K, nicht aber auf einen tatsächlich vorliegenden Rechtsscheinträger. Daher muss die von § 366 I HGB intendierte Lösung des Interessenkonflikts – mangels Zurechnung gegenüber dem wahren Eigentümer – zulasten des redlichen G ausfallen.[93]
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Abwandlung zu Fall 4:
Wie ändert sich die Rechtslage, wenn durch den Antrag des K beim Registergericht nicht seine Firma, sondern versehentlich die des Konkurrenten H gelöscht wird?
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Hier war K noch fälschlich im Handelsregister als Kaufmann eingetragen. § 5 HGB kommt nicht zur Anwendung, da K im Zeitpunkt der Veräußerung sein früheres Gewerbe nicht mehr ausübte. Das Betreiben des Gewerbebetriebs ist aber Voraussetzung für § 5 HGB: oben Rn. 20. Nach verbreiteter Auffassung muss jedoch der Eigentümer L als Dritter gem. § 15 I HGB die Wirkungen der fehlenden Handelsregistereintragung gegen sich gelten lassen (negative Publizität des Handelsregisters: unten Rn. 59 ff.), obgleich nicht er, sondern der zur Eintragung verpflichtete K Adressat des § 15 I HGB ist.[94] Dieses Ergebnis mag zwar angesichts der Registerpublizität naheliegen. Der Wortlaut des § 15 I HGB ist insofern jedoch klar: Die einzutragende Tatsache kann einem Dritten nur „von demjenigen, in dessen Angelegenheiten sie einzutragen war“, nicht entgegengesetzt werden. Zudem ist auch der Eigentümer Dritter iSd § 15 HGB und dementsprechend stets berechtigt, sich auf die wahre Rechtslage zu berufen. Mithin kann § 366 I HGB auch in dieser Situation nicht zulasten des wahren Eigentümers wirken.[95] Daher gilt § 366 HGB weder für den Scheinkaufmann noch für den im Handelsregister eingetragenen Nichtkaufmann (§ 15 I HGB).
Anmerkungen
Siehe auch den instruktiven Beitrag von Petig/Freisfeld JuS 2008, 770 ff.
Canaris, Handelsrecht, § 3 Rn. 13; Oetker, Handelsrecht, § 2 Rn. 25.
Brox/Henssler, Handelsrecht, Rn. 41; K. Schmidt, Handelsrecht, § 10 Rn. 51; zum Einzelunternehmer ausf. K. Schmidt JuS 2017, 809 ff.
Hübner, Handelsrecht, Rn. 14; Oetker, Handelsrecht, § 2 Rn. 38.
Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, § 2 Rn. 4, § 3 Rn. 6 f.
Hübner, Handelsrecht, Rn. 16; Oetker, Handelsrecht, § 2 Rn. 71.
Dazu unten Rn. 33 f.
Auch die eingetragene Genossenschaft (eG) ist nach § 17 II GenG Kaufmann kraft Rechtsform.
K. Schmidt, Handelsrecht, § 10 Rn. 19 (hM).
Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, § 11 Rn. 8.
Vgl. auch Beck Jura 2015, 383.
Ausf. BGHZ 121, 224, 228 ff. mwN.
Vgl. hierzu nur BGH NJW 2000, 1179, 1180; OLG Düsseldorf ZIP 2003, 1696, 1697; OLG Köln ZIP 1998, 150 mit Anm Bayer/Rzesnitzek EWiR 1998,