Examens-Repetitorium Handels- und Gesellschaftsrecht. Walter Bayer
BGH verneint den Schutz des § 15 I HGB schließlich, wenn der Dritte sein Handeln nicht auf die (unzutreffende) Registereintragung einrichten konnte:[35]
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Fall 7:
B beauftragte W mit Maurerarbeiten, bezahlte aber den Werklohn nicht. W trat die Werklohnforderung an G, die geschäftsführende Gesellschafterin der G-GmbH ab. Diese war von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit und trat die Forderung weiter an die G-GmbH ab, die gegen B Klage erhob. B beruft sich auf Verjährung (§ 214 BGB) und ist der Auffassung, die Verjährung sei durch die (noch rechtzeitige) Klageerhebung nicht gehemmt worden (vgl. § 204 I Nr. 1 BGB), weil nicht der Anspruchsinhaber die Klage erhoben habe. Denn die Abtretung an die G-GmbH sei ihm gegenüber gem. § 15 I HGB unwirksam, weil die Befreiung von § 181 BGB – entgegen der hM[36] – nicht in das Handelsregister eingetragen wurde.
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Dieser Argumentation ist der BGH indes nicht gefolgt, weil nicht ersichtlich sei, dass sich die unrichtige Registereintragung auf das rechtsgeschäftliche Verhalten von B auswirken konnte. Allein das Vertrauen in eine mögliche Verjährung der Forderung werde durch § 15 I HGB nicht geschützt. Dem ist im Ergebnis zu folgen, und zwar mit Blick auf die Lehre von der potenziellen Kausalität (Rn. 77). Hier fehlt es wiederum an der Möglichkeit eines Zusammenhangs zwischen dem Vertrauen auf den Verjährungseintritt und der Unkenntnis des B von der Nichtgeltung des § 181 BGB im Verhältnis zwischen G und der G-GmbH.
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gg) In Abweichung zur allgemeinen Rechtsscheinhaftung (dazu unten Rn. 816) verzichtet die zutreffende hM bei § 15 I HGB auf eine konkrete Kausalität zwischen dem Vertrauenstatbestand (unrichtige Registerlage) und dem Handeln des Dritten; § 15 I HGB gewährleistet vielmehr „abstrakten Vertrauensschutz“ (dazu bereits Rn. 71).[37] Insbesondere kommt es nicht darauf an, dass der Dritte tatsächlich Einblick in das Handelsregister genommen oder die Bekanntmachung gelesen hat,[38] was bereits deshalb richtig ist, weil die Kenntnis der bisherigen Rechtslage auch durch Umstände außerhalb des Handelsregisters begründet sein kann.[39] Im Hinblick auf den Normzweck des § 15 I HGB ist dem Anmeldepflichtigen – entgegen einer Literaturauffassung[40] – auch der Gegenbeweis hinsichtlich der Unkenntnis der vertrauensbegründenden Tatsachen zu versagen.[41] Andernfalls würden die mit § 15 I HGB intendierten Erleichterungen des Handelsverkehrs verwässert und der Dritte letztlich dennoch gezwungen, im Handelsregister Einsicht zu nehmen.[42]
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hh) Nach dem Wortlaut des § 15 I HGB kommt es für dessen Anwendung nicht darauf an, warum die Eintragung bzw. Bekanntmachung unterblieben ist; anders als bei § 15 III HGB (unten Rn. 110 ff.) entspricht dies auch unstreitig der gesetzgeberischen Wertung.[43] In diesem Sinne ist es auch nicht erforderlich, dass dem Anmeldepflichtigen die Unterlassung zugerechnet werden kann.[44] Auch Verzögerungen oder Fehler des Registergerichts[45] gehen zu seinen Lasten; ggf. bestehen Regressansprüche aus Amtspflichtverletzung gem. Art. 34 GG, § 839 BGB.[46] Da es auf die Zurechenbarkeit nicht ankommt, gilt § 15 I HGB schließlich auch zu Lasten von beschränkt Geschäftsfähigen und Geschäftsunfähigen.[47]
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Fall 8:[48]
Veräußert ein Minderjähriger ein ererbtes Handelsgeschäft einschließlich der Firma mit Zustimmung des Familiengerichts (vgl. § 1822 Nr. 3 BGB) und unterbleibt die Eintragung im Handelsregister (vgl. § 31 I HGB), dann resultiert daraus eine Haftung des Minderjährigen nach § 15 I iVm § 27 HGB für die Verbindlichkeiten des späteren Erwerbers.
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Hiermit wird keineswegs der bürgerlichrechtliche Minderjährigenschutz überspielt. Denn die Unwirksamkeitsfolge der §§ 106 ff. BGB beschränkt sich auf Willenserklärungen des Minderjährigen. Dabei muss es auch im Grundsatz bleiben. Allerdings steht hier die Wirksamkeit der vom Minderjährigen abgegebenen Willenserklärung nicht in Frage. Die Veräußerung war letztlich durch die familiengerichtliche Zustimmung legitimiert. Dementsprechend erscheint auch die Haftung des Minderjährigen als konsequente Folge der familiengerichtlichen Zustimmung.
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Nur für den Fall einer Fälschung des Handelsregisters durch eine unbefugte Privatperson oder bei einer von außen kommenden Beeinträchtigung der Verfahrensintegrität durch Täuschung, Drohung oder vis absoluta findet § 15 I HGB keine Anwendung. Denn nach der Lehre vom unwirksamen Rechtsscheinträger[49] entfällt die Legitimationswirkung des Handelsregisters in diesen Fällen ebenso wie die Rechtsscheinwirkungen von Grundbuch[50] und Erbschein[51].
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ii) § 15 I HGB schützt nur Dritte, die geeignet sind, den redlichen Rechtsverkehr zu repräsentieren, also etwa nicht die Gesellschafter einer OHG, auch nicht im Rahmen von Drittgeschäften.[52] Bei Gesellschaftern von Kapitalgesellschaften kann dies aufgrund des Trennungsprinzips anders sein.[53]
c) Rechtsfolgen
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aa) Die eintragungspflichtige Tatsache kann „von demjenigen, in dessen Angelegenheiten sie einzutragen war“, dem gutgläubigen Dritten „nicht entgegengesetzt werden“. Dies bedeutet: Der Anmeldepflichtige (Unternehmen, Einzelkaufmann, Gesellschafter) – einschließlich seiner Rechtsnachfolger – kann sich gegenüber dem redlichen Dritten nicht auf die Wirkung der eintragungspflichtigen Tatsache berufen, d.h. die Änderung der Rechtslage nicht geltend machen.
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bb) Der Dritte kann, muss aber nicht die Rechtsfolge des § 15 I HGB für sich nutzen. Er hat vielmehr ein Wahlrecht und kann sich daher auch unter Verzicht auf die Rechtsscheinwirkung für die der Wirklichkeit entsprechende geänderte Rechtslage entscheiden, wenn er dies für günstiger erachtet.[54]
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cc) Im Schrifttum teilweise auf heftige Kritik gestoßen ist indes die Auffassung des BGH, wonach im Falle, dass die nicht eingetragene Tatsache dem Dritten teils zum Vorteil und teils zum Nachteil gereicht, der Dritte sein Wahlrecht im Sinne einer Meistbegünstigung ausüben dürfe (sog. „Rosinentheorie“).
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Fall 9[55]
soll die Problematik verdeutlichen:[56] In der A+B-KG ist für die beiden Komplementäre A und B Gesamtvertretung vereinbart, was auch ordnungsgemäß eingetragen und bekanntgemacht wird. Nachdem A, ohne dass dies zum Handelsregister angemeldet wurde, aus der KG ausgeschieden ist, schließt B mit X einen Kaufvertrag. Kann X hierfür den A in Anspruch nehmen?
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Nimmt man an, dass X sich zwischen der Registerlage und der wahren Rechtslage entscheiden muss, dann wäre in beiden Alternativen ein Anspruch gegen A nicht begründet: Nach der Registerlage hätte B allein die KG nicht verpflichten können, so dass auch keine Gesellschaftsverbindlichkeit begründet worden wäre. Stützt sich X hingegen auf die wirkliche Rechtslage, dann ist zwar ein Anspruch gegen die KG entstanden, doch würde A als ausgeschiedener Gesellschafter für die nach seinem Ausscheiden neu begründete Verbindlichkeit nicht mehr haften.[57]
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Der BGH und ein Teil der Lehre gehen die Problematik indes anders an:[58] Zunächst wird – wie in der gutachterlichen Klausurlösung – untersucht, ob eine Verbindlichkeit der KG vorliegt; dies