Verteidigervergütung. Andreas Mertens
könne missbräuchlich sein, ob ein Verstoß gegen § 242 BGB vorliege, sei aber eine Frage des Einzelfalles.[47] Das OLG Karlsruhe stellte klar, ein Viertelstundentakt sei jedenfalls nicht als im Sinne von § 632 Abs. 2 BGB üblich anzusehen und müsse daher ausdrücklich vereinbart werden (offen blieb, ob das – mit Blick auf § 307 BGB – formularmäßig geschehen kann).[48] Ganz auf der sicheren Seite ist man jedenfalls mit einer minutengenauen Abrechnung.[49]
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Zu achten ist bei der Stundensatzvereinbarung als AGB-Klausel weiterhin auf den Nachweis der anwaltlichen Tätigkeit. Die Beweislast für den Umfang der Tätigkeit kann nicht dem Mandanten auferlegt werden. Darin läge ein Verstoß gegen § 309 Nr. 12a BGB. Gültig ist hingegen eine Regelung, wonach die abgerechneten Stunden als anerkannt gelten, wenn der Mandant nicht innerhalb einer genannten Frist widerspricht.[50]
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Fingiert werden kann außerdem das Einverständnis des Mandanten mit einer Vergütungserhöhung, wenn der Rechtsanwalt eine ausreichende Erklärungsfrist einräumt und auf die Bedeutung des Schweigens besonders hinweist.[51]
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Zwingend zu beachten ist, dass im Falle der vorzeitigen Mandatskündigung eine vollständigen Abbedingung des § 628 BGB dergestalt, dass einem Rechtsanwalt in jedem Fall das vollständige (Pauschal-)Honorar zusteht, gegen § 308 Nr. 7a BGB verstößt.[52]
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Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen ergeben sich aus § 306 BGB: Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. Soweit die Bestimmungen demnach nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften. Schließlich ist der Vertrag unwirksam, wenn das Festhalten an ihm selbst unter Berücksichtigung der vorgesehenen Änderung eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde.
3. RVG: Vergütungsrechtliche Grenze – § 3a Abs. 2 RVG: Angemessenheit
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Weiterhin wird die Vergütungsvereinbarung durch § 3a Abs. 2 Satz 1 RVG eingeschränkt: Eine vereinbarte Vergütung kann im Rahmen eines Rechtsstreits auf den angemessenen Betrag bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung herabgesetzt werden, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände unangemessen hoch ist. Eine solche gerichtliche Überprüfung kommt insbesondere in Betracht, wenn der Rechtsanwalt Zahlungsklage erhebt oder der Auftraggeber auf Rückzahlung des überhöhten Betrages klagt. Nicht immer, sondern nur wenn das Gericht die Vergütung herabsetzen will, ist von Amts wegen ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, § 3a Abs. 2 Satz 2 RVG.
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Anders als im Falle der Sittenwidrigkeit bleibt die Vergütungsvereinbarung auch nach richterlicher Herabsetzung wirksam, allerdings kann der Rechtsanwalt nur noch den reduzierten Betrag verlangen. Nach Zahlung der höheren Vergütung steht dem Auftraggeber der Bereicherungsanspruch nach § 812 BGB zu.
a) Frage der Angemessenheit
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Wann eine vereinbarte Vergütung unangemessen hoch ist, ist nur schwer festzustellen. Das Gesetz gibt lediglich vor, dass alle Umstände berücksichtigt werden müssen. Naheliegend ist es, die Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG heranzuziehen.[53] Dieser nennt einige Modalitäten, die bei der Bestimmung der konkreten Gebühr aus einer gesetzlichen Rahmengebühr zu berücksichtigen sind.
aa) Bundesgerichtshof
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Konkreter verhielt sich der BGH zur Angemessenheit einer vereinbarten Strafverteidigervergütung in einer Aufsehen erregenden Entscheidung aus dem Jahr 2005.[54] Bei der Prüfung seien namentlich zu beachten die Schwierigkeit und der Umfang der Sache, ihre Bedeutung für den Auftraggeber, das Ziel, das der Auftraggeber mit dem Auftrag anstrebte, in welchem Umfang das Ziel durch die Tätigkeit des Rechtsanwalts erreicht wurde, die Stellung des Rechtsanwalts und die Vermögensverhältnisse des Auftraggebers.
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Im Grunde ist dieser Ansatz zunächst durchaus nachvollziehbar. Umso verwunderlicher war die Festlegung des BGH auf eine feste Grenze für die Tätigkeit des Strafverteidigers, bei deren Überschreiten regelmäßig davon auszugehen sei, das Honorar sei unangemessen hoch. Vereinbare ein Strafverteidiger eine Vergütung, die mehr als das Fünffache der gesetzlichen Höchstgebühr betrage, spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, sie sei unangemessen hoch. Diese Vermutung könne nur entkräftet werden, wenn der Verteidiger ganz ungewöhnliche, geradezu extreme einzelfallbezogene Umstände darlege, die es möglich erscheinen ließen, die Vergütung sei unter Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte eben doch nicht als unangemessen hoch anzusehen.
bb) Kritik
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Die Entscheidung stieß in der Literatur zu Recht auf breite Kritik. Die Bezugnahme auf die gesetzliche Vergütung ist bereits deshalb verfehlt, weil die gesetzliche Vergütung des Strafverteidigers kein auskömmliches Einkommen sicherstellen kann: Die gesetzlichen Gebühren beruhen auf der Idee einer Mischkalkulation. Und eine Vergütungsvereinbarung zwischen Rechtsanwalt und Auftraggeber bezweckt gerade die Loslösung von den gesetzlichen Gebühren.[55]
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Insbesondere führte die Begrenzung in einer Vielzahl von Fällen zu einer unangemessen niedrigen Vergütung des Verteidigers.[56] Das wird besonders deutlich, bringt der Verteidiger das Verfahren durch seine Arbeit noch vor Anklageerhebung zur Einstellung. Nach Maßgabe des BGH läge der Höchstbetrag dann bei 5.250 € (die Entscheidung erging vor dem 2. KostRMoG). Im Fall einer aufwändigen Tätigkeit zur Erreichung dieses Ziels bliebe dem Rechtsanwalt alsdann nur die vage Hoffnung auf Entkräftung der vom BGH genannten Vermutung (mittels extremer Umstände des Einzelfalles).[57]
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Vor allem steht eine starre Grenze im Widerspruch zur gesetzlichen Verpflichtung einer Einzelfallprüfung. Der gesetzliche Abwägungsauftrag wird auf diese Weise untergraben.[58] Zumal die Hürde, die der Bundesgerichtshof zur Entkräftung der von ihm vorgesehenen Vermutung aufstellte (ungewöhnliche einzelfallbezogene Umstände), so sehr hoch ist, dass sie der Verteidiger kaum jemals (verlässlich vorhersehbar) wird überwinden können. Das widerspricht dies allen Realitäten des Strafverfahrens.[59]
cc) Weitere Rechtsprechung
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Die Rechtsprechung reagierte in unterschiedlicher Weise auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Während sich das OLG Frankfurt nah an den BGH anlehnte,[60] hält das OLG Hamm die Grenzziehung insbesondere mangels gesetzlicher Grundlage für bedenklich im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG. Jedenfalls sieht es die Entscheidung als nicht anwendbar auf die Vereinbarung reiner Zeithonorare.[61] In einer weiteren Entscheidung betonte das OLG Hamm noch einmal die gesetzliche Verpflichtung zur Berücksichtigung aller Umstände, was eine allgemein verbindliche Höchstgrenze ausschließe.[62]
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Der BGH bestätigte alsdann in einer Entscheidung vom 12.2.2009 seine Auffassung über die grundsätzliche Höchstgrenze beim Fünffachen der gesetzlichen Gebühren: Der Rechtsanwalt könne die Vermutung der Unangemessenheit nur durch ganz ungewöhnliche, geradezu extreme einzelfallbezogene Umstände entkräften.[63]