Handbuch IT-Outsourcing. Joachim Schrey
Rechtsverständnis bedürfen Verträge grundsätzlich zu ihrer Wirksamkeit oder Durchführbarkeit keiner besonderen Form, es sei denn, bestimmte gesetzliche Formvorschriften (z.B. §§ 311a, 873, 925 BGB, 15 GmbHG, 29 GBO) griffen ein oder die Parteien vereinbarten eine bestimmte Form für Beweiszwecke (§ 127 BGB). Im angloamerikanischen Recht dagegen sind Verträge über Kaufgegenstände mit einem Wert von 5.000 US$ oder mehr nur schriftlich beweisbar („Statute of frauds“);[444] auch das französische Recht fordert zum Nachweis des Bestehens jedenfalls eines Verbrauchervertrages über mehr als 767 EUR (früher FRF 5.000) mindestens Schriftform (Art. 1341 CC). Dazu kennt das angloamerikanische Recht die Institution des öffentlichen Notars als rechtskundiges, zur unparteiischen Beratung aller Parteien verpflichtetes Organ der Rechtspflege nicht. Deshalb sind dort auch die Form der notariellen Beurkundung allgemein und ihre bei uns häufige konstitutive Bedeutung für die Wirksamkeit bestimmter Rechtsgeschäfte unbekannt. Angloamerikanische notaries üben zwar ebenso ein öffentliches Amt aus, dieses beschränkt sich aber auf die Beglaubigung von Unterschriften und Abschriften.[445] Aus dieser Verschiedenheit entwickeln sich wegen der erheblichen Unterschiede im Maß der Förmlichkeiten und der Gebühren häufig kollisionsrechtliche Fragen beim Vertragsschluss, namentlich über die Maßgeblichkeit der Ortsform, der Form nach dem Vertragsstatut.[446] Allein die Betrachtung dieser beiden Aspekte (Eigentumsvorbehalt und Vertragsform) zeigt, wie schwer es ist, Verträge zu schließen, die in unterschiedlichen Rechtsgebieten gelten sollen.
(b) Vereinbarung des Gerichtsstands
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Aus der Sicht Deutschlands und vieler anderer Länder besteht grundsätzlich die Möglichkeit, einen Gerichtsstand und das anwendbare Recht frei zu wählen, wenn die Vertragsparteien nicht im gleichen Land ansässig sind. In Deutschland ist diese rechtliche Möglichkeit seit dem 17.12.2009 in Art. 3 Abs. 1 Rom-I-Verordnung (vormals Art. 27 Abs. 1 S. 1 EGBGB)[447] geregelt. Somit kann ein Cloud-Vertrag auch wirksam einem anderen Recht unterstellt werden, zu dem er sonst keine Beziehung aufweist, z.B. einem neutralen Recht.[448]
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Dabei können die Parteien gem. Art. 3 Abs. 2 Rom-I-Verordnung jederzeit vereinbaren, „dass der Vertrag nach einem anderen Recht zu beurteilen ist als dem, das zuvor entweder aufgrund einer früheren Rechtswahl nach diesem Artikel oder aufgrund anderer Vorschriften dieser Verordnung für ihn maßgebend war.“ So könnten die Cloud-Vertragspartner in den USA einen Cloud-Vertrag schließen und diesen in Deutschland dem deutschen Recht unterstellen, wenn beide Parteien in unterschiedlichen Ländern aktiv sind. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass unabhängig von der von den Parteien getroffenen Rechtswahl durch sog. Eingriffsnormen zwingende Vorschriften des jeweiligen Landesrechts vorrangig zum Vertrag gelten. Für Deutschland wurde dies in Art. 9 Rom-I-Verordnung kodifiziert (vormals Art. 34 EGBGB). Gerade viele angelsächsisch geprägte Verträge sind so umfassend ausgestaltet, dass sie kaum auf kodifiziertes Recht zurückgreifen müssen. Sodass – abgesehen von grundsätzlichen Rechtskonstrukten (z.B. das Abstraktionsprinzip in Deutschland) oder zwingendem Recht (Schrifterfordernis nach § 2-201UCC in USA) – es fast schon egal ist, welchem Recht sie unterstellt sind.[449]
(c) Kein Gerichtsstand vereinbart
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Ist einem Cloud-Vertrag weder ein Gerichtsstand noch eine Rechtswahlklausel zu entnehmen, so ist grundsätzlich der Gerichtsstand im Wege der Auslegung zu ermitteln. Die Virtualisierung des Cloud Computing ermöglicht es, Standortvorteile flexibel und dynamisch zu nutzen.[450] So könnte das eigentliche Rechenzentrum in einer kalten Region wie Alaska oder Sibirien liegen, um die Kühlkosten für Server zu sparen, während die Administration in Russland (z.B. Kasan) oder Indien (z.B. Mombai) liegen kann, weil dort die Lohnkosten für gut ausgebildete IT-Fachleute im Vergleich zu anderen Region gering sind. Dienst-Serviceverträge unterliegen gem. Art. 4 Abs. 1b Rom-I-Verordnung (vormals in Art. 28 Abs. 1 EGBGB) dem Recht des Staates, in dem der Dienstleister seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Unterstellt man, dass es sich bei Cloud-Services um Dienstleistungen handelt, wäre nach Art. 4 Ib Rom-I-Verordnung also zu ermitteln, wo der Cloud-Anbieter (Dienstleister) seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Hierbei ist aber Art. 4 Abs. 3 Rom-I-Verordnung zu berücksichtigen. Dieser besagt, dass wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Vertrag eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen als dem nach Absatz 1 oder 2 bestimmten Staat aufweist, das Recht dieses anderen Staates anzuwenden ist. Zu berücksichtigen ist ferner der Art. 4 Abs. 4 Rom-I-Verordnung: „Kann das anzuwendende Recht nicht nach Absatz 1 oder 2 bestimmt werden, so unterliegt der Vertrag dem Recht des Staates, zu dem er die engste Verbindung aufweist“, welche dem alten Art. 28 Abs. 1 S. 1 EGBGB entspricht.[451]
cc) Lizenzmanagement in der Cloud
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Das klassische Lizenzmanagement für Software ist in vielen Fällen basierend auf der Anzahl der Server oder auch der Anzahl der CPUs in einem Server (z.B. das Lizenzmodell der Oracle inc.), auf dem eine Applikation oder Datenbank betrieben wird. In einer Welt des Cloud Computings und der damit verbundenen Virtualisierung von Servern und Instanzen ist dieses klassische Modell des Lizenzmanagements für Software nur schwerlich anzuwenden. Die Virtualisierung des Cloud Computing ermöglicht es, Standortvorteile flexible und dynamisch zu nutzen.[452] So könnte das eigentliche Rechenzentrum in einer kalten Region wie Alaska oder Sibirien liegen, um die Kühlkosten für Server zu sparen, während die Administration in Russland (z.B. Kasan) oder Indien (z.B. Mombai) liegen kann, weil dort die Lohnkosten für gut ausgebliedete IT-Fachleute im Vergleich zu anderen Region gering ist.
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Bei der Servervirtualisierung werden mittels Software- oder Hardwaretechniken mehrere Instanzen eines Betriebssystems betrieben. Daher müssen sowohl Betriebssystemkomponenten als auch die Applikationen entsprechend der Anzahl der Instanzen (bzw. Betriebssysteme) lizenziert werden. Denn für das Betreiben der verschiedenen Instanzen (bzw. Betriebssysteme) ist die Software (zumindest in Teilen) mehrfach im Arbeitsspeicher (ggf. auch im Storage) vorzuhalten.[453] Nach der h.M. wird damit in das Vervielfältigungsrecht gem. § 69c Nr. 1 UrhG eingegriffen.[454] Somit ist es möglich, dass in Lizenzbedingungen der Softwareproduzent vorgeben kann, bis zu welcher Anzahl von Instanzen seine Software lizenziert ist. Dies bedeutet, dass ohne explizite Erlaubnis des Softwareproduzenten die Anzahl auf die lizenzierte Menge begrenzt ist. Der Gedanke, dass hierbei keine Zustimmung des Rechteinhabers (Softwareproduzent) i.S.v. § 69d Abs. 1 UrhG notwendig ist, scheidet aus, da dass mehrfache Betreiben einer Software in einer virtuellen Umgebung eines Rechners eine „bestimmungsgemäße Nutzung“ des Computerprogramms i.S.d. Norm darstellt.[455] Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass eine Cloud-Lizenzierung nach der Anzahl der Instanzen zulässig ist.
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Ein Lizenzmodell, welches sich auf die Applikationsebene bezieht, bedarf im Falle einer softwaretechnischen Virtualisierung einer Lizenzierung für den Server bzw. für die gesamte verbundene virtuelle Serverfarm. Das eingangs beschriebene Lizenzmodell von Orcale, welches sich sogar auf die Anzahl der im Server befindlichen CPUs bezieht, wird es schwer haben, eine solche verbundene virtuelle Serverfarm zu lizenzieren. So hat Oracle mit einer sog. Soft-Partitionierung eine vermeintliche Lösung für dieses Thema gefunden. Oracle bezeichnet den Betrieb von Oracle Produkten in einer virtualisierten Umgebung wie VMware ESXi oder Solaris Container als „Partitioning“. Hierbei wird zwischen Soft- und Hard-Partitioning unterschieden. Das sog. Hard-Partitioning ist das Lizenzkosten freundlichere Modell, hier werden physikalische CPUs/Cores an eine virtuelle Maschine „gepinnt“. Durch dieses „pinning“ der virtuellen Maschinen an bestimmte CPUs/Cores ist es möglich, Lizenzkosten zu sparen. Das Hard-Partitioning ist nur bei Oracle VM anerkannt. Im Falle von Soft-Partitioning ist die Anzahl der CPUs, die den virtuellen Maschinen mit Oracle-Software zugeordnet sind, unerheblich. Hier ist nur von Bedeutung, wie viele CPUs der ganze Server hat oder wenn man mehrere Server in einem Cluster hat, sind alle CPUs in einem Cluster von Bedeutung. Hier müssen nun alle physischen CPUs in einem Cluster/einem Server lizenziert werden.[456] In der deutschen Rechtsliteratur wird dieses Modell angezweifelt, da es nach dem Verständnis