Verteidigung in Vollstreckung und Vollzug. Bernd Volckart
Wahlverteidigung
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Zunächst ist zu klären, ob sich eine Vollmacht aus dem Hauptverfahren auf die Vollstreckung und ggf. sogar auf den Vollzug (in Fällen freiheitsentziehender Sanktionen) erstreckt; ggf. muss eine neue Vollmacht erteilt werden, die sich sinnvoll auf beide Bereiche bezieht. In Anbetracht der dürftigen Gebührenpositionen wird sich häufig eine Honorarvereinbarung empfehlen (s.u. Rn. 49).
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In diesen Verfahrensabschnitten unterscheidet sich die Verteidigung in mancherlei Hinsicht von der „klassischen“ Strafverteidigung im Hauptverfahren und insbesondere vor Gericht: Dies gilt etwa für das Verfahrens- und Beweisrecht, die Akteneinsicht (s.u. Rn. 53 ff.), die Geltung der Unschuldsvermutung und insb. die Rechtswege und -mittel. Wehrt sich die Verteidigung im Hauptverfahren gegen den Schuldspruch und/oder die Rechtsfolgen, so weicht dies nach Eintritt der Rechtskraft dem Kampf gegen Vollstreckung (ob, wann, wo, wie, wie lange?) und im Vollzug – soweit dieser nicht zu vermeiden war – um die besonderen Rechte des Mandanten im jeweiligen Vollzugsrecht.
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Verteidigung in der (bzw. gegen die) Vollstreckung beginnt nicht selten bereits im Hauptverfahren (jedenfalls aber oft vor Eintritt der Rechtskraft), zum Teil sogar schon im Vorverfahren, wenn es etwa darum geht, sich auf Vorentscheidungen des erkennenden Gerichts zur Vollstreckung (insb. gem. §§ 56, 59, 67, 67b StGB) vorzubereiten. Ferner kann sich die Vollstreckungsverteidigung in diesen frühen Verfahrensabschnitten beziehen auf Fragen der späteren örtlichen Vollzugszuständigkeit, auf Ladung bzw. Aufnahme in den offenen Vollzug, auf § 35 BtMG oder auf Zahlungserleichterungen hinsichtlich monetärer Sanktionen. Schließlich sind rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerungen seit BGHSt 52, 124 im Rahmen der Vollstreckung zu kompensieren.[2] Besonderheiten dieser Verteidigung können sich (auch bereits im Hauptverfahren) schließlich ergeben im Falle mehrerer Sanktionen (Strafen und/oder Maßnahmen) aus verschiedenen Verfahren (Strafzeitberechnung, Anrechnung, Konkurrenzen).[3]
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Wird die Verteidigung in Vollstreckung und Vollzug – wie das nicht selten der Fall ist – erst nachträglich übernommen, empfiehlt sich eine umgehende Kontaktaufnahme zu der im Hauptverfahren tätig gewordenen Verteidigung. Dabei sind nicht nur ggf. offene Fragen der Bevollmächtigung zu klären, sondern es besteht auch ein frühzeitiger Zugriff auf Unterlagen (Urteil, Akten …), bevor offiziell Akteneinsicht gewährt wird. Wird die Vollstreckungsverteidigung vor Eintritt der Rechtskraft übernommen, wäre zudem zu klären, ob und ggf. wie ein etwaiges Rechtsmittelverfahren weiter betrieben wird, was insb. für die zeitliche Planung eines evtl. nicht mehr zu vermeidenden Strafantritts von Bedeutung sein kann.
Teil 1 Vollstreckung I Verteidigung und Rechtsbehelfe › III › 2. Pflichtverteidigung
2. Pflichtverteidigung
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Die notwendige Verteidigung nach § 140 StPO auch auf das Vollstreckungsverfahren zu übertragen, ist nicht explizit geregelt worden. Gleichwohl muss § 140 Abs. 2 StPO – nicht zuletzt wegen der Schwierigkeiten bei der Sach- und Rechtslage im Vollstreckungsverfahren – entsprechend angewendet werden. Wichtige Bereiche der Sanktionsentscheidung haben sich auf die Vollstreckung verlagert. Wenn es in der Strafzumessungsverteidigung nicht gelungen ist, eine längere Freiheitsstrafe zu vermeiden, so kann es in der Vollstreckung gelingen, dass sie durch einen gut betreuten Vollzugsverlauf bereits nach der Hälfte oder Zweidrittel der verbüßten Strafzeit ausgesetzt wird. Die Beiordnung im Hauptverfahren endet jedoch mit Eintritt der Rechtskraft.[4]
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Ausdrücklich geregelt ist die notwendige Verteidigung im Unterbringungsverfahren nach §§ 63, 64 StGB, 463 Abs. 3 S. 5 StPO[5] und neuerdings bei der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung.[6] Im Überprüfungsverfahren nach § 67e StGB ist im Hinblick auf Art. 5 Abs. 4 EMRK dem Untergebrachten regelmäßig eine Verteidigung zu bestellen, wenn die Unterbringung wegen Straftaten angeordnet wurde, für die der Untergebrachte nicht verantwortlich gemacht werden konnte.[7] Im Verfahren über die Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe nach § 57a StGB[8] hält das BVerfG die Bestellung einer Pflichtverteidigung für geboten. Im Übrigen muss auch im Vollstreckungsverfahren eine Verteidigung bestellt werden, wenn der Verurteilte wegen der Schwere der Tat oder der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage seine Rechte nicht sachgemäß wahrnehmen kann oder sonst ersichtlich wird, dass er sich selbst nicht adäquat verteidigen kann.[9] Dabei kommt es nicht auf die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage im Erkenntnisverfahren an, sondern maßgeblich sind die Umstände im Vollstreckungsverfahren.[10] Ein umfangreiches Vollstreckungsverfahren mit dem Ziel der Aussetzung nach § 57 StGB gebietet etwa dann eine Beiordnung, wenn Sachverständigengutachten eingeholt und in der Anhörung (ggf. unter Beteiligung der StA) erörtert werden, da dies eine schwierige Sach- und Rechtslage indiziert. Eine Verteidigerbestellung ist auch möglich im Verfahren zum Widerruf der Strafaussetzung nach § 56f StGB. Alleine die Dauer des Strafrestes soll jedoch kein hinreichender Grund sein.[11]
Teil 1 Vollstreckung I Verteidigung und Rechtsbehelfe › III › 3. Vergütung
3. Vergütung
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Für die Vergütung der – wirtschaftlich wenig attraktiven – Verteidigung in Vollstreckung und Vollzug gelten einige Besonderheiten, die hier allerdings nur überblicksartig behandelt werden können:[12] Insb. die „Betreuung“ des Mandanten im Freiheitsentzug kann sich lange hinziehen und mal mehr, mal weniger Aktivitäten erfordern. Nicht selten sucht der Mandant auch „nur“ einen Ansprechpartner für ganz praktische – und nicht immer juristische oder gar justiziable – Probleme bzw. Alltagskonflikte im Vollzug. Soweit anwaltliche Aktivitäten überhaupt angezeigt sind, hat es oft mit einem oder mehreren Telefonaten sein Bewenden – es kann sich aber auch eine längere Auseinandersetzung daraus entwickeln, ohne dass diese zu einem gerichtlichen Verfahren wird. Solche „Verteidigung“ ist vergütungsrechtlich nur unzureichend erfasst, weshalb es sich oft empfiehlt, für diese Mandate eine Vergütungsvereinbarung abzuschließen und Vorschuss zu fordern. Freilich steht dem in vielen Fällen entgegen, dass die Mandanten „knapp bei Kasse“ sind. Der Verteidiger sollte sich frühzeitig darüber im Klaren werden resp. dem Mandanten Klarheit darüber verschaffen, unter welchen Bedingungen er die Verteidigung ggf. gleichwohl fortsetzen bzw. aufnehmen will.
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Die VV-RVG widmen der Verteidigung in der Vollstreckung einen eigenen, wenn auch knappen Abschnitt (4.2), wobei zwischen bestimmten gerichtlichen Vollstreckungsverfahren (Nr. 4200–4203) und sonstigen Vollstreckungsaktivitäten unterschieden wird, jeweils mit Verfahrens- und Terminsgebühr. Eine eigenständige Grundgebühr ist nicht vorgesehen, die Nr. 4100 ist nicht entsprechend einsetzbar, selbst wenn die Verteidigung erst nach Rechtskraft übernommen wird, sich also ggf. erst noch in die Akten des Hauptverfahrens einarbeiten muss. Eine Unterscheidung zwischen in Freiheitsentziehung befindlichen Mandanten und solchen auf freiem Fuß findet statt wie in den Nr. 4106 ff. (Vorbem. 4 Abs. 4). Die RVG-Gebühren stehen weiterhin in vielen Fällen zum Aufwand und der Schwierigkeit der Materie in krassem Missverhältnis. Für die Auslagen gelten die Nr. 7000 ff. wie üblich. Für ein etwaiges Beschwerdeverfahren sind die Positionen erneut in Anschlag zu bringen.[13]