Handbuch des Aktienrechts. Hans-Peter Schwintowski
bei der Sachgründung, da hier möglicherweise Gegenstände geleistet werden, die nicht werthaltig oder überbewertet sind. Es droht eine unzureichende Kapitalaufbringung. Das Gesetz schützt Gläubiger und Aktionäre hiergegen in erster Linie durch die Sicherstellung ausreichender Informationen, und zwar durch Satzungspublizität. Daneben gelten besondere Prüfungs- und Einlagevorschriften, die die Sachgründung erschweren und zeitlich verzögern können. Wegen der bestehenden Erschwernisse besteht die Gefahr, dass die Vorschriften über die Sachgründung von den Gründern mittels Vereinbarung gründungsnaher Erwerbspflichten für die AG umgangen werden. Dem Umgehungsschutz dienen die Regeln über die Nachgründung.
3. Kapitel Gründung › VI. Besonderheiten bei der Sachgründung/Nachgründung › 1. Sachgründung
1.1 Sacheinlage oder Sachübernahme
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Im Gegensatz zur Bargründung bringen die Gründer bei einer Sachgründung das Grundkapital der AG nicht durch Bar-, sondern durch Sacheinlage auf. Sacheinlage ist jede Einlage, die nicht in bar oder durch als Barzahlung zugelassene unbare Zahlung erfolgt (§ 27 Abs. 1 S. 1 1. Fall AktG). Vereinfacht gesagt, ist Sacheinlage alles, was nicht Geldeinlage ist. Hiervon zu unterscheiden ist die Sachübernahme. Diese wird teilweise als Unterform der Sachgründung und damit gewissermaßen als Alternative zur Sacheinlage behandelt.[1] Zunächst unterscheidet sich die Sachübernahme, die in der Praxis keine übermäßige Rolle spielt, von der Sacheinlage – auch wenn die Formulierung des § 27 Abs. 1 AktG insoweit in eine andere Richtung zu weisen scheint – nicht durch ihren Gegenstand, sondern lediglich durch die zu gewährende Gegenleistung.[2] Bei der Sacheinlage erhält der Einleger von der Gesellschaft Aktien als Gegenleistung, bei der Sachübernahme hingegen eine andere, nicht in Aktien bestehende Gegenleistung. Anders als die Bar- oder die Sacheinlage, die beide der Aufbringung des satzungsmäßigen Grundkapitals der Gesellschaft dienen, stellt die Sachübernahme keinen notwendigen Stein im „Gebäude“ der Gesellschaft dar.[3] Bei ihr handelt es sich lediglich um ein beliebiges schuldrechtliches Austauschgeschäft, dessen Besonderheit darin besteht, dass es bereits im Zusammenhang bzw. im Vorfeld der Gründung verabredet wird. Da die Sachübernahme nicht der Kapitalaufbringung dient, muss der Einbringende nicht notwendig zu den Gründern gehören, sondern kann auch ein Dritter sein.[4] Handelt es sich bei dem Einbringenden jedoch um einen Gründer, so ist zu beachten, dass eine Sachübernahme, die den von § 27 AktG aufgestellten Anforderungen nicht genügt, möglicherweise eine verdeckte Sacheinlage darstellen kann.[5] Wirtschaftlich sind Sacheinlage und Sachübernahme weitgehend austauschbar.[6] Bei der Sacheinlage erhält die AG das in der Satzung als Geldziffer ausgewiesene Grundkapital unmittelbar in Form einer Sachleistung; bei der Sachübernahme erhält sie hingegen zunächst den Geldbetrag, der aber sogleich im Rahmen des Austauschgeschäftes gegen eine Sacheinlage ausgewechselt wird.[7] Die Ähnlichkeit der mit diesen Sachverhalten verbundenen Gefahren rechtfertigt bei der Gründung die Gleichbehandlung durch das Gesetz, insbesondere hinsichtlich der Satzungspublizität.[8]
1.2 Gegenstand der Sacheinlage oder Sachübernahme
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Gegenstand einer Sacheinlage und einer Sachübernahme können nur solche Gegenstände sein, die einen feststellbaren Vermögenswert haben (Bewertbarkeit, § 27 Abs. 2 AktG) und die als solche zu einem bestimmten Stichtag zur freien Verfügung in das Vermögen der Gesellschaft übertragen werden können (Übertragbarkeit). Der (älteren) Auffassung, die im Hinblick auf die ansonsten zwangsläufig unausgeglichene Eröffnungsbilanz die Aktivierungsfähigkeit des Einbringungsgegenstandes fordert,[9] ist nicht zu folgen. Eine bereits bei Gründung eintretende Überschuldung scheidet schon deshalb aus, weil deren Feststellung nicht auf der Grundlage der Jahresbilanz, sondern vielmehr mittels eines Vermögensstatus erfolgt, bei dem der nicht aktivierungsfähige Gegenstand wertmäßig in Ansatz zu bringen ist.[10] Die aus der Verkürzung der Aktivseite resultierende Erschwerung des Gewinnausweises haben die (mit der nicht aktivierungsfähigen Sacheinlage einverstandenen) Aktionäre hinzunehmen.[11] Einlagefähig[12] sind nach diesen Grundsätzen zum Beispiel das Eigentum an Sachen (beweglichen oder unbeweglichen), beschränkte dingliche Rechte, Immaterialgüterrechte und Know-How, Marken, Firma und good will, Gesellschaftsanteile,[13] Sachgesamtheiten wie Handelsgeschäfte, Unternehmen oder Unternehmensteile (praktisch sehr bedeutsam!), gegen die Gesellschaft oder gegen Dritte gerichtete Forderungen, nicht jedoch solche, die gegen den Inferenten oder gegen andere Gründer gerichtet sind (keine effektive Kapitalaufbringung!).[14] Dienstleistungen sind nicht einlagefähig, unabhängig davon, ob sie von einem Gründer oder einem Dritten erbracht werden (§ 27 Abs. 2 2. HS AktG).[15] Probleme verursacht die Behandlung obligatorischer Nutzungsrechte. Zeitlich unbefristeten – und damit jederzeit kündbaren – obligatorischen Nutzungsrechten wird die Sacheinlagefähigkeit im Hinblick auf ihren kaum feststellbaren wirtschaftlichen Wert abgesprochen, nicht hingegen solchen, bei denen die Nutzungsdauer feststeht.[16]
1.3 Anforderungen an Satzungspublizität
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Die wichtigste Schutzvorkehrung, die das Gesetz bei Sacheinlagen und Sachübernahmen vorsieht, ist die Verpflichtung zur Aufnahme bestimmter Rahmendaten in die Satzung (Satzungspublizität). Aufgeführt werden müssen in der Satzung[17] gem. § 27 Abs. 1 AktG der Gegenstand der Sacheinlage oder Sachübernahme, wobei Bestimmbarkeit genügt[18], die Person, von der die Gesellschaft den Gegenstand erwirbt, und der Nennbetrag bzw. – bei Stückaktien – die Zahl der bei der Sacheinlage zu gewährenden Aktien oder die bei der Sachübernahme nicht in Aktien bestehenden Vergütung durch die Gesellschaft. Die diesbezüglichen Festsetzungen müssen mindestens dreißig Jahre in der Satzung enthalten bleiben (§§ 26 Abs. 5, 27 Abs. 5 AktG) und werden – aus „kosmetischen“ Gründen – daher zumeist an das (unauffällige) Ende der Satzung gesetzt.[19] Auf die Formulierung der Festsetzungen ist in der Praxis viel Sorgfalt zu verwenden, da das – auch nur teilweise – Fehlen der erforderlichen Festsetzungen einen Errichtungsmangel darstellt, der zur Ablehnung der Eintragung und zur Unwirksamkeit der Sacheinlage gegenüber der Gesellschaft sowie der Vollzugsgeschäfte führen kann (vgl. §§ 27 Abs. 3 S. 1, 41 Abs. 3 AktG). Rechtsfolge ist insbesondere, dass die Einlagepflicht nicht durch die Leistung von Sachwerten erfüllt werden kann. Vielmehr bleibt der Aktionär verpflichtet, den Ausgabebetrag der Aktien in Geld einzuzahlen, selbst wenn er die Sachleistung bereits erbracht hat (vgl. § 27 Abs. 3 S. 3 AktG). Nach Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister ist eine Heilung der unzureichenden Festsetzungen im Wege der Satzungsänderung gem. § 27 Abs. 4 AktG nicht mehr möglich; allenfalls kann das betreffende Rechtsgeschäft als Austauschgeschäft unter Beachtung der Nachgründungsvorschriften des § 52 AktG neu vorgenommen werden.[20]
1.4 Verbot der Unterpari-Emission
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Auch bei der Sachgründung gilt das Verbot der Unterpari-Emission (§§ 9 Abs. 1, 36a Abs. 2 S. 3 AktG). Dies bedeutet, dass der Wert der Sacheinlage nicht geringer als der geringste Ausgabebetrag der gewährten Aktien sein darf und im Falle eines zu zahlenden Aufgeldes (Agio) auch den Mehrbetrag umfassen muss.[21] Umgekehrt ist eine Unterbewertung der Sacheinlage zumindest im Hinblick auf den Grundsatz der realen Kapitalaufbringung unproblematisch.[22] Es besteht keine Verpflichtung zur Festsetzung eines dem tatsächlichem Wert der Sacheinlage entsprechenden höheren Ausgabebetrages.[23] Auf diese Weise wird eine den geringsten Ausgabebetrag übersteigende Wertgarantie des Sacheinlegers vermieden.[24] Im Falle der Überbewertung einer Sacheinlage hat der Einleger die Differenz in bar nachzuzahlen (Differenzhaftung).[25] Nicht einheitlich