Arztstrafrecht in der Praxis. Klaus Ulsenheimer

Arztstrafrecht in der Praxis - Klaus Ulsenheimer


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Als Anästhesist habe er „die übergeordnete Aufsichtspflicht über den anästhesierten Patienten“ gehabt und deshalb die Pflicht, die Kontrolle während seiner Abwesenheit sicherzustellen.[135]Die Verfahren gegen den Operateur und die OP-Schwester wurden nach § 153a StPO eingestellt. • Bei einer ambulant auf laparoskopischem Weg durchgeführten Fertilisationsdiagnose verletzte der Gynäkologe unbemerkt die Arteria epigastrica. Die Patientin kam 20 Minuten nach dem Eingriff aus eigener Kraft in den nicht überwachten Aufwachraum, wo die Anästhesistin ein Volumenersatzmittel routinemäßig infundierte. 35 Minuten später fand sie die Patientin blass und müde vor, so dass sie ihr nochmals eine Infusion gab, ohne allerdings Puls und Blutdruck zu messen. Weitere 20 Minuten später erbrach die Patientin, so dass der Ehemann die Anästhesistin rief. Diese stellte einen Blutdruck von nur noch 75/40 mmHg fest und injizierte Akrinor. Der Hb-Wert lag bei 6,5g/%. Die Patientin überlebte trotz eines Blutverlustes von 5l und nach Eintritt eines Herzstillstandes. Beide Ärzte bestritten ihre Zuständigkeit für die postoperative Überwachung, doch sah die Staatsanwaltschaft die Pflichtwidrigkeit beider in der fehlenden diesbezüglichen Absprache, wer für den Aufwachraum und die dort liegende Patientin rechtlich verantwortlich sei. Gegen Zahlung eines fühlbaren Geldbetrages wurden die Ermittlungsverfahren gemäß § 153a StPO eingestellt. Im Rahmen des Zivilprozesses führte der Senat aus, die Patientin, die eine Gefäßverletzung erlitten hatte, sei von den Nachwirkungen der Anästhesie nicht mehr beeinträchtigt gewesen. Die Überwachungspflicht habe sich „ausschließlich wegen des Risikos einer Nachblutung oder einer Verletzung sonstiger Organe“ ergeben, zwei Aspekte, die „grundsätzlich in den Verantwortungsbereich“ des Gynäkologen fielen. Dies sei in der Vereinbarung der beiden Fachgebiete über die Zusammenarbeit in der operativen Gynäkologie auch so geregelt, unabhängig von der rechtlichen Bedeutung solcher Absprachen aber auch im Interesse einer reibungslosen Zusammenarbeit selbstverständlich. Da vom Operateur keine besonderen und ausdrücklichen Anweisungen für die postoperative Betreuung der Patientinnen erteilt worden waren, sah das OLG in diesem Kontrolldefizit einen „grundlegenden Organisationsmangel“, der „in erster Linie dem verantwortlichen Gynäkologen anzulasten“ sei. Die Tatsache, dass die Anästhesistin „gewisse Kontrollmaßnahmen durchgeführt und dokumentiert“ habe, „entband den Gynäkologen nicht von der Verpflichtung, seinerseits eine funktionierende Überwachung zu gewährleisten“.[136] Die Klage hatte gegen beide Ärzte Erfolg.

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Der Anklagevorwurf bezog sich auf die Zahnbehandlung bei einem 10-jährigen Mädchen in der Praxis eines Zahnarztes/Oralchirurgen unter Beteiligung eines Anästhesisten zur Durchführung einer Vollnarkose. Nach Abschluss der Zahnbehandlung und Ausleitung der Narkose sei die kleine Patientin in einen Aufwachraum verlegt worden, wobei es sich um einen gewöhnlichen Zahnarztbehandlungsraum ohne apparative Vorrichtungen zur Überwachung von Patienten in der postoperativen Phase gehandelt haben soll. Dort habe die schlafende Patientin lediglich der kontinuierlichen Obhut ihrer Mutter unterlegen, wobei im weiteren Verlauf nur sporadische Nachfragen durch Zahnarzthelferinnen ohne fachliche Ausbildung zur Überwachung narkotisierter Patienten zum jeweils aktuellen Zustandsbild erfolgt seien. Während dessen seien der Zahnarzt und der Anästhesist durch die Behandlung eines anderen Patienten in Anspruch genommen gewesen. Nach gewisser Zeit sei die Atmung des Kindes unregelmäßig geworden und habe dann ganz ausgesetzt, was zu Reanimationsmaßnahmen führte. Anschließend erfolgte die Verlegung des Kindes in ein örtliches Krankenhaus sowie noch am gleichen Tage in eine anderweitige Kinderklinik. Dort sei sieben Tage später der Tod des Kindes wegen eines hypoxischen Hirnödems als Folge eines Herzkreislaufversagens eingetreten. Die Staatsanwaltschaft postulierte in der Anklageschrift, aufgrund eines möglichen schnellen Eingreifens habe bei dem Kind ein Herzkreislaufversagen und in der Folge der Eintritt eines hypoxischen Hirnödems mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert werden können, wenn es postoperativ durch Apparate und Fachpersonal adäquat überwacht worden wäre. Dabei habe die ordnungsgemäße postoperative Überwachung des Kindes grundsätzlich dem Verantwortungsbereich des beteiligten Anästhesisten unterlegen, allerdings habe auch der Zahnarzt als Betreiber der Praxis sorgfaltswidrig gehandelt. Für seine Person gelte der Vertrauensgrundsatz nicht unbegrenzt. Vielmehr sei ein Einschreiten geboten, wenn der fachbereichsfremde Arzt (hier: Zahnarzt) Fehlleistungen des weiteren Arztes (hier: Anästhesist) erkennt oder diese wegen Evidenz hätte erkennen können. Darüber hinaus habe der Zahnarzt erhöhten eigenen Sorgfaltspflichten unterlegen, da er auf seiner Homepage auch hinsichtlich einer anästhesiologisch adäquaten Behandlung seiner Patienten geworben habe.

      Das LG Limburg a. d. Lahn konstatierte in II. Instanz in seinem o. a. Beschluss zur Verfahrenseinstellung gem. § 153a Abs. 2 StPO allerdings unter anderem Folgendes:

       „Die umfangreich durchgeführte Berufungshauptverhandlung hat zu neuen und ergänzenden Erkenntnissen zur Komplexität des zu beurteilenden Verfahrensgegenstandes geführt. Die Sachkunde der Kammer wurde gegenüber der erstinstanzlichen Bewertung durch die Vernehmung weiterer 4 Sachverständiger u.a. auf den Gebieten der Kardiologie und Oralchirurgie erheblich und zielführend erweitert.

       Ergänzende Zeugenvernehmungen führten zudem zu neuen Erkenntnissen, die bei der Verurteilung der Angeklagten in erster Instanz nicht berücksichtigt werden konnten.


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