Unternehmenskaufvertrag. Christoph Louven
schriftlich dokumentiert und mit größter Sorgfalt durchgeführt werden. Dies gilt auch für Expertengespräche (Expert Sessions) und, soweit möglich, Managementpräsentation (Management Presentations). Die Beantwortung der Fragen im Rahmen des vorvertraglichen Auskunftsprozesses (Q&A-Process) sollte innerhalb des Datenraums, nicht in gesonderten E-Mails erfolgen.711
– Der Vorbereitung des Datenraums sollte ausreichend Zeit und Sorgfalt gewidmet werden. Die in den Datenraum einzustellenden Informationen sollten unter Relevanzgesichtspunkten vorausgewählt werden.712 Die dort enthaltenen Informationen sind auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen. Ändern sich wesentliche Informationen (etwa bewertungsrelevante Daten), sind sie im Datenraum zu aktualisieren.713
– Oft ist einem Verkäufer, insbesondere einem Verkäufer, der die Zielgesellschaft mit Distanz geführt hat, eine Vendor’s Due Diligence zu empfehlen. Der Verkäufer sollte, wenn er von einer eigenen Due Diligence (Vendor’s Due Diligence) absieht, intern nach möglichen Risiken, über die er Aufklärung schulden könnte, intensive Nachforschungen anstellen, die auch die Bücher und Unterlagen des Unternehmens (also das üblicherweise aktenmäßig oder in elektronischen Dateien714 verfügbare Wissen) einschließen.
– Bekannte aufklärungspflichtige Risiken und aufklärungspflichtige Umstände sollten frühzeitig und klar dokumentiert aufbereitet und offengelegt werden (möglicherweise sogar außerhalb des Datenraums, etwa in einem Fact Book, das die tatsächlichen Umstände beschreibt, aus denen sich das Risiko ergibt) und nicht bloß in den Untiefen des Datenraums „verschwinden“.
– Im Zweifel sollten Risiken oder sonstige Umstände auch dann offengelegt werden, wenn in Bezug auf sie keine eindeutige Aufklärungspflicht besteht.
– Der Garantiekatalog sollte mit allergrößter Sorgfalt verhandelt und darauf überprüft werden, ob die darin enthaltenen Aussagen wirklich belastbar „vollständig und zutreffend“ sind.
– Um sich in diesem Kontext gegen den Vorwurf von Aussagen „ins Blaue hinein“ zu entlasten,715 sollte das Management der Zielgesellschaft gebeten werden, gegenüber dem Verkäufer einen sog. Management Letter716 abzugeben, in dem die Vollständigkeit und Richtigkeit der Garantien, der Disclosure Schedules, des Datenrauminhalts und aller weiteren dem Käufer zur Verfügung gestellten Informationen schriftlich bestätigt werden.717
– „Seller’s Best Knowledge“-Klauseln sind mit großer Sorgfalt zu gestalten. Die Personen, deren Kenntnis zugerechnet werden sollen, sollten – typischerweise in einer Anlage zum Vertrag – genau bestimmt werden. Wenn eine Nachforschungspflicht bestehen soll, ist, wenn möglich, genau zu regeln, wer in welcher Weise (Beschreibung des Nachfrageprozesses) bei wem nachzufragen hat, ob dies hinsichtlich aller Garantien und aller möglicherweise relevanten Themen oder nur hinsichtlich spezifischer Themen gelten soll. Wird hinsichtlich des Nachfrageprozesses abstrakt auf einen Sorgfaltsmaßstab verwiesen (was aus Verkäufersicht zu Unwägbarkeiten führt), sollte dieser näher definiert werden. Zudem sollte ausdrücklich vereinbart werden, ob eine Zurechnung von solchem Wissen ausscheiden oder erfolgen soll, dessen Weitergabe die Verletzung einer Vertraulichkeitsverpflichtung oder Rechtsverstöße begründet.718 Einzelheiten und Klauselbeispiele werden unter Rn. 1001ff. vorgestellt.
– Es dürfte sich oft empfehlen, im Wortlaut der Klausel ausdrücklich zwischen bestem Wissen in Bezug auf die Garantieversprechen und in Bezug auf sonstige Umstände (Aufklärungspflichten) zu unterscheiden. So wird – anders als in der „Masterflex“-Entscheidung des OLG Düsseldorf719 – zum einen klar, dass die Wissenszu(sammen)rechnung nach übereinstimmendem Parteiwillen in beiden Kategorien greifen soll. Zum anderen ist jedenfalls bei einer ordentlich formulierten, allgemeinen salvatorischen Klausel720 sichergestellt, dass nicht die gesamte Klausel oder gar der gesamte Vertrag unwirksam wird, wenn im Streitfall das (Schieds-)Gericht der Auffassung wäre, im Kontext von gesetzlichen Aufklärungspflichtverletzungen sei eine vertragliche Wissenszurechnungsregelung wegen Verstoßes gegen § 276 Abs. 3 BGB unwirksam.
– Insbesondere bei Management-Buy-Outs und ähnlichen Transaktionen empfiehlt sich nach der „Masterflex“-Entscheidung des OLG Düsseldorf,721 vertraglich zu regeln, ob Wissen des Geschäftsführers der Zielgesellschaft dem Käufer zuzurechnen ist.
– Durch Aufnahme einer in modernen Unternehmenskaufverträgen ohnehin weit verbreiteten sog. Non-Reliance-Klausel722 sollte der Verkäufer zu dokumentieren versuchen, dass es aus Sicht des Käufers außer den Umständen, die er geprüft hat, keine Umstände gegeben hat, von denen der Käufer in erkennbarer Weise seine Kaufentscheidung abhängig gemacht hat. Ob dadurch über eine Indizwirkung hinaus (Indiz dafür, dass der Käufer alle entscheidungserheblichen Umstände geprüft hat) sogar die Haftung für Aufklärungspflichten wirksam vertraglich beschränkt werden kann, erscheint allerdings fraglich.723
– Der Verkäufer wird schließlich versuchen, seine Haftung für vorsätzliches Verhalten von Erfüllungsgehilfen ganz auszuschließen. Dies kann unstreitig durch einen Haftungsausschluss nach § 278 Satz 2 BGB geschehen. Darüber hinaus nach der hier vertretenen Auffassung auch durch eine Vereinbarung mit dem Käufer, dass die Geschäftsführung und Mitarbeiter der Zielgesellschaft keine Erfüllungsgehilfen sind.724
493 BGH, Urt. v. 17.10.1983 – II ZR 146/82, NJW 1984, 866, 867; Bergjan, ZIP 2004, 395, 400, nimmt eine tatsächliche Vermutung dahingehend an, dass die vorvertragliche Pflichtverletzung das Nichtzustandekommen des alternativen Vertragsschlusses verursacht hat. 494 Vgl. Mehrbrey/Hofmeister, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 4 Rn. 61ff. 495 Vgl. KG Berlin, Beschl. v. 7.10.2004 – 12 W 25/04, BeckRS 2005, 2224; Mehrbrey/Hofmeister, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § Rn. 65. 496 Larenz, SchuldR AT, § 9 I a; Canaris, in: FS 50 Jahre BGH, S. 129; Medicus, Schuldrecht I, Rn. 103. 497 Allgemeine Meinung, vgl. nur BGH, Urt. v. 25.11.199 – VI ZR 402/96, NJW 1998, 983; BGH, Urt. v. 18.7.2001 – XII ZR 183/98, NJW-RR 2001, 1524, 1525; Mehrbrey/Hofmeister, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 4 Rn. 51. 498 Stadler, in: Jauernig, BGB, 13. Aufl. 2009, § 311 Rn. 54. 499 Zum vermeintlichen „negativen Interesse“ im Kontext vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzungen oder Falschangaben des Käufers siehe Rn. 275. 500 BGH, Urt. v. 24.6.1998 – XII ZR 126–96, NJW 1998, 2900, 2901; Mehrbrey/Hofmeister, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 4 Rn. 65; Stadler, in: Jauernig, BGB, 13. Aufl. 2009, § 311 Rn. 54. 501 BGH, Urt. v. 7.12.2000 – VII ZR 360/98, NJW-RR 2001, 381, 382. 502 Mehrbrey/Hofmeister, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 4 Rn. 4. 503 BGH, Urt. v. 29.3.1996 – V ZR 332/94, NJW 1996, 1884, 1885; Schulze, in: Schulze/Dörner/Ebert, BGB, § 311 Rn. 32. 504 BGH, Urt. v. 20.9.1984 – III ZR 47/83, NJW 1985, 1778, 1780. 505 BGH, Urt. v. 20.6.1952 – V ZR 34/51, NJW 1952, 1130. 506 OLG Saarbrücken, Urt. v. 14.5.1997 – 1 U 744-96-121, NJW-RR 1998, 341, 342. 507 Mehrbrey/Hofmeister, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 4 Rn. 29 m.w.N. und Fallgruppen. 508 Mehrbrey/Hofmeister, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 4 Rn. 29 m.w.N. und Fallgruppen.