Beschäftigte im Öffentlichen Dienst II. Alexander Block
behinderte Menschen i.S.d. § 2 Abs. 3 SGB IX mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30 wird die Vorschrift aufgrund § 151 Abs. 3 SGB IX hingegen nicht angewandt.[50] Diese erhalten trotz ihrer Behinderung keinerlei Zusatzurlaub.
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Verteilt sich die regelmäßige Arbeitszeit des schwerbehinderten Menschen auf mehr oder weniger als fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche, erhöht oder vermindert sich der Zusatzurlaub entsprechend. Auf den Umfang der täglichen Arbeitszeit kommt es insoweit bei der Berechnung nicht an.
Beispiel
Ein schwerbehinderter Arbeitnehmer erbringt seine Arbeit in einer 3-Tage-Woche. Dementsprechend hat er einen Anspruch auf 3/5 von fünf Tagen, folglich drei Tage.
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§ 208 Abs. 2 S. 1 und 2 SGB IX regelt weiterhin Folgendes: Besteht die Schwerbehinderteneigenschaft nicht während des gesamten Kalenderjahres, so hat der schwerbehinderte Mensch für jeden vollen Monat der im Beschäftigungsverhältnis vorliegenden Schwerbehinderteneigenschaft einen Anspruch auf ein Zwölftel des Zusatzurlaubs nach Absatz 1 Satz 1. Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, sind auf volle Urlaubstage aufzurunden.
Aus dieser Formulierung des Satzes 2 folgt, dass überhälftige Urlaubsansprüche aufgerundet werden.
Beispiel
Ab dem 1.11.21 ist ein Arbeitnehmer anerkannt schwerbehindert. Der Zusatzurlaub berechnet sich wie folgt: 2/12 von fünf Tagen, folglich 0,83 Tage, gerundet ein Tag.
§ 208 SGB IX verwendet den Begriff „Monat“, der jedoch einen Beschäftigungsmonat, nicht einen Kalendermonat voraussetzt.
Beispiel
Ab dem 15.1.2021 ist ein Arbeitnehmer anerkannt schwerbehindert. Zum 31.5.2021 scheidet er aus dem Arbeitsverhältnis aus. Dem Beschäftigten steht ein anteiliger Teilzusatzurlaub von 4/12 von fünf Tagen, folglich 1,66 Tage, gerundet zwei Tage. Fristbeginn ist der 15.1.2021. Vier Monate sind mit Ablauf des 14.5.2021 vollendet.
Achtung
Da eine Abrundungsregelung nicht in § 208 SGB IX enthalten ist, darf der unterhälftige Zusatzurlaubsanspruch nicht abgerundet werden.
Beispiel
Ab dem 1.10.21 ist ein Arbeitnehmer anerkannt schwerbehindert. Der Zusatzurlaub berechnet sich wie folgt: 3/12 von fünf Tagen, folglich 1,25 Tage. Dieser Anspruch ist konkret zu gewähren; es erfolgt keine Abrundung.
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Wie § 208 Abs. 2 S. 3 SGB IX weiter zu entnehmen ist, ist der ermittelte Zusatzurlaub dem Erholungsurlaub hinzuzurechnen und kann bei einem nicht im ganzen Kalenderjahr bestehenden Beschäftigungsverhältnis nicht erneut gemindert werden.
Folglich werden Erholungsurlaub und Zusatzurlaub zunächst getrennt errechnet; eine Abrundung von Zusatzurlaubsansprüchen ist auch insoweit nach dessen Addition zum Erholungsurlaub nicht vorgesehen.
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Ergeben sich aus § 208 SGB IX weitere, nicht von der Norm erfasste Auslegungsfragen, ist ergänzend auf das BUrlG abzustellen. Dies folgt daraus, dass es sich um Zusatz- und nicht um Sonderurlaub handelt. Insb. ist auf § 1 BUrlG, die Wartezeit nach § 4 BUrlG und den in § 5 BUrlG normierten Teilurlaubsanspruch abzustellen, wie auch auf §§ 6, 7, 9 und 11 BUrlG.
Hat das Arbeitsverhältnis des vollzeitbeschäftigten schwerbehinderten Menschen im Eintrittsjahr länger als sechs Monate bestanden, entsteht damit nach § 4 BUrlG ein Anspruch von fünf Tagen Zusatzurlaub.
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Zur Geltendmachung des Zusatzurlaubsanspruchs bedarf es zunächst eines Antrags auf Feststellung der Schwerbehinderung. Wird die Schwerbehinderung anerkannt, so steht dem Beschäftigten rückwirkend bis zum Zeitpunkt der Antragstellung der Anspruch auf Urlaub nach § 208 SGB IX zu.
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§ 208 Abs. 3 SGB IX regelt schließlich, wie bei rückwirkender Anerkennung der Schwerbehinderung zu verfahren ist: Wird die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nach § 152 Absatz 1 und 2 SGB IX rückwirkend festgestellt, finden auch für die Übertragbarkeit des Zusatzurlaubs in das nächste Kalenderjahr die dem Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegenden urlaubsrechtlichen Regelungen Anwendung.
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Der Zusatzurlaub nach § 208 SGB IX unterliegt derselben Verfallsfrist wie der gesetzliche Mindesturlaub. Damit gilt für die Tarifbeschäftigten des Bundes dieselbe Verfallsfrist, die auch für den gesetzlichen und tariflichen Mindesturlaub heranzuziehen ist: 12 Monate zum Kalenderjahresende (31.12. des Folgejahres), bei längerer Erkrankung erweitert um drei Monate auf 15 Monate 31.3. des Folge-Folgejahres. Der Anspruch auf Zusatzurlaub verfällt, da er das rechtliche Schicksal des Mindesturlaubsanspruchs teilt, aufgrund der Rechtsprechung von EuGH und BAG nach 15 Monaten nach Ablauf des Entstehungsjahres in Fällen lang andauernder Arbeitsunfähigkeit.
Beispiel
Ein schwerbehinderter Arbeitnehmer erkrankt vom 19.4.2019 durchgehend bis zum 21.6.2021. Auch während des Krankheitszeitraums erwirbt der Arbeitnehmer Zusatzurlaubsansprüche. Nach Wiederaufnahme der Arbeit am 22.6.2021 ist jedoch der Zusatzurlaub nach § 208 SGB IX aus dem Kalenderjahr 2019 mit Ablauf des 31.3.2021 verfallen. Der Zusatzurlaub aus den Jahren 2020 und 2021 besteht noch.
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Das BAG[51] hat zudem entschieden, dass der Schwerbehindertenzusatzurlaub ebenso wie der Mindesturlaub nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses entsprechend § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten ist, sofern der Zusatzurlaub nicht gewährt werden konnte, weil der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt war. Denn auch bei dem Schwerbehindertenurlaub handelt es sich um einen nicht disponiblen, eng mit dem Mindesturlaub verbundenen Anspruch, sog. Grundsatz der Akzessorietät.
Das LAG Niedersachsen[52] hat festgestellt, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, den schwerbehinderten Arbeitnehmer auf dessen Zusatzurlaub hinzuweisen. Kommt er seiner Informations- und Hinweispflicht entsprechend den Vorgaben des EuGH nicht nach, hat der Arbeitnehmer nach §§ 280 Abs. 1 und 2, § 283 BGB i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB einen Schadensersatzanspruch in Form des Ersatzurlaubs, der sich mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 251 Abs. 1 BGB in einen Abgeltungsanspruch umwandelt.
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Diese Argumentation der Rechtsprechung lässt sich darüber hinaus auch auf den in § 19 JArbSchG gesicherten Zusatzurlaubsanspruch für Jugendliche übertragen.
III.Sonderurlaub
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Nach § 28 TVöD können Beschäftigte bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Verzicht auf die Fortzahlung des Entgelts Sonderurlaub erhalten.
Besondere Tatbestandsvoraussetzungen wie auch Einzelfälle sind in die Vorschrift nicht aufgenommen worden.
Zu den wichtigen Gründen werden insbesondere gezählt:
Betreuung von Kleinkindern;
Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger;
sonstige bedeutsame familiäre Erfordernisse;
Fortbildungsmaßnahmen und berufsfördernde Umschulungsmaßnahmen;
Kur- oder Heilverfahren, soweit keine Freistellung nach § 22 Abs. 1 TVöD erfolgen kann;
Aufnahme eines