Handbuch des Verwaltungsrechts. Группа авторов
Außen- und Sicherheitspolitik und als dritte Säule die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres. Die Umbenennung von EWG in EG ist programmatisch: Art. F statuiert erstmals ausdrücklich die Achtung der Grundrechte wie sie in der EMRK gewährleistet sind und aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten folgen, womit die EuGH-Rechtsprechung eine Grundlage erhält. Die Unionsbürgerschaft wird eingeführt und die Mitwirkungsbefugnisse des Europäischen Parlaments werden erheblich ausgeweitet. Zur Realisierung der Währungsunion werden die Europäische Zentralbank und ein Europäisches System der Zentralbanken geschaffen. Zudem finden sechs neue Politikbereiche Eingang in den EGV: die Transeuropäischen Netze (Art. 129b ff.), Industrie (Art. 130), Verbraucherschutz (Art. 129a), allgemeine und berufliche Bildung und Jugend (Art. 126 f.) sowie Kultur (Art. 128) und Gesundheitswesen (Art. 129).
2. Prinzipien
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Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip
Mit Art. 3b Abs. 1 EGV wird das zuvor dem Primärrecht durch Auslegung entnommene Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung in den Vertrag eingefügt. Das Subsidiaritätsprinzip wird zum allgemeinen Grundsatz für die Kompetenzausübung der Union in den Bereichen, die nicht ihrer ausschließlichen Kompetenz unterliegen (Art. 3b Abs. 2 EGV). Ergänzend tritt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hinzu (Art. 3b Abs. 3 EGV). Beide Grundsätze gelten für Rechtsetzung und Verwaltungshandeln.[95]
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Aufwertung des Nachhaltigkeitsprinzips
Auch der Grundsatz der Nachhaltigkeit erfährt eine Aufwertung. In einer dem Vertrag angehängten Erklärung heißt es: „Die Konferenz stellt fest, dass die Kommission sich verpflichtet, bei ihren Vorschlägen voll und ganz den Umweltauswirkungen und dem Grundsatz des nachhaltigen Wachstums Rechnung zu tragen, und dass die Mitgliedstaaten sich verpflichtet haben, dies bei der Durchführung zu tun.“
a) Komitologie
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Modus Vivendi und 2. Komitologiebeschluss
Die Stärkung der parlamentarischen Mitwirkungsbefugnisse in zentralen Sachbereichen der Gemeinschaft hatte Folgen für die Komitologie, denn das Parlament war der Auffassung, dass der Rat in den Bereichen der Mitentscheidung nicht eigenmächtig Durchführungsbefugnisse auf die Kommission übertragen dürfe.[96] Dies führte 1994 zur Vereinbarung eines Modus Vivendi[97], wonach die Kommission verpflichtet war, dem Parlament gleichzeitig mit dem Ausschuss den Entwurf für einen Durchführungsrechtsakt zuzuleiten und die Stellungnahmen des Parlaments zu berücksichtigen. An diese Vereinbarung knüpfte der zweite Komitologiebeschluss aus dem Jahr 1999 an.[98] Danach enthält das Parlament in allen drei Verfahrensarten (Beratungsverfahren, Verwaltungsverfahren, Regelungsverfahren) die den Ausschüssen vorgelegten Entwürfe, wird aber nur im Regelungsverfahren beteiligt. Dieser Beschluss enthält erstmals Hinweise für die Auswahl des einschlägigen Verfahrens.
b) Agenturen
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Agenturen im Binnenmarkt
Auch in den 1990er Jahren erfolgte die Gründung weiterer Agenturen. Zu nennen sind das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt[99], die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz[100], das Gemeinschaftliche Sortenamt[101], das Übersetzungszentrum für die Einrichtungen der Europäischen Union[102] und die Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit[103]. Die bereits 1993 gegründete Europäische Arzneimittelagentur nimmt 1995 ihre Arbeit auf.[104]
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Agenturen mit Entscheidungsbefugnissen
Erstmals finden sich unter den Agenturen auch solche mit Entscheidungsbefugnissen gegenüber Dritten, namentlich das Gemeinschaftliche Sortenamt, das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt und zumindest faktisch auch die Europäische Arzneimittelagentur. Agenturen mit Entscheidungsbefugnissen verfügen grundsätzlich über eine Beschwerdeinstanz.[105]
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Europol
Art. K.1 und K.3 legen die Grundlage für die Schaffung eines „unionsweiten Systems zum Austausch von Informationen im Rahmen eines Europäischen Polizeiamts (Europol)“, dessen Errichtung 1995 erfolgt.[106] Seine Aufgabe besteht in der Bekämpfung des illegalen Drogenhandels, der Schleuserkriminalität und des Menschenhandelns, der Kraftfahrzeugkriminalität und des Terrorismus. Die Mitgliedstaaten benennen jeweils eine nationale Stelle für den Informationsaustausch und entsenden Verbindungsbeamte, deren Aufgabe darin besteht, die nationalen Interessen ihres Mitgliedstaats zu vertreten sowie den Informationsaustausch zwischen der nationalen Stelle und Europol zu unterstützen.
a) Ausweitung des Instruments der transnationalen Verwaltungsakte
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Formen des transnationalen Verwaltungsakts
Für weitere Rechtsbereiche werden Rechtsgrundlagen geschaffen, um im Wege der gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtung zur Kooperation eine transnationale Wirkung herbeizuführen. Es finden sich eine Vielzahl unterschiedlicher Varianten, die sich nur schwer systematisieren lassen.[107] So kann ein Mitgliedstaat, nach vorheriger Information und Beteiligung der anderen Mitgliedstaaten, eine Entscheidung mit Wirkung für alle erlassen. Die anderen Mitgliedstaaten haben das Recht, diese Entscheidung zu suspendieren und unter Einbeziehung der Kommission ein Divergenzbereinigungsverfahren durchzuführen. Bei diesem sind wiederum Ausschüsse mit Vertretern der Mitgliedstaaten beteiligt.[108] Nach einer anderen Variante muss der Antragsteller in allen Mitgliedstaaten einen Zulassungsantrag stellen, wobei ein Mitgliedstaat unter Einbeziehung von Stellungnahmen der anderen Mitgliedstaaten vorab entscheidet. Diese wird sodann von den anderen Mitgliedstaaten in einem Anerkennungsverfahren übernommen. Auch in dieser Variante ist oftmals ein Divergenzbereinigungsverfahren unter Einbeziehung der Kommission vorgesehen.[109]
b) Offene Methode der Koordinierung
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Offene Methode der Koordinierung
Für eine wiederum andere Form der Kooperation legt Art. 103 EGV durch Verrechtlichung bestehender Praxis im Bereich der Wirtschaftspolitik die Grundlage. Es handelt sich um die „Offene Methode der Koordinierung“ (OMK)[110].[111] Art. 103 Abs. 1 EGV weist die Wirtschaftspolitik als Angelegenheit von gemeinsamem Interesse aus, die unter Einbeziehung des Europäischen Rates und unter Beteiligung der Kommission im Rat koordiniert wird. Der Rat gibt den Mitgliedstaaten Empfehlungen. Diese berichten jährlich über ihre wichtigsten wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die ggf. Grundlage für weitere Empfehlungen des Rates sind. Diese weiche Steuerung ist Folge dessen, dass die allgemeine Wirtschaftspolitik im Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten verblieben ist, der Binnenmarkt aber ein abgestimmtes Vorgehen erfordert.
a) Beihilfenrecht
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Beihilfenverfahrensverordnung
Mit der Beihilfenverfahrensverordnung[112] gelingt eine wichtige Kodifikation der allgemeinen Regeln über die Anmeldung, Prüfung von und Entscheidung über Beihilfen sowie die Rückforderung unzulässiger Beihilfen, die bis dahin verstreut für die verschiedenen Sektoren geregelt war.
b) Migrationsrecht
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Asyl und Einwanderung
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