Öffentliche Finanzwirtschaft. Thomas Sauerland
zweite Teil des X. Abschnitts (Art. 109 bis Art. 115 GG) normiert das Haushaltsverfassungsrecht oder das Recht der Staatsausgaben, und zwara)in Art. 109 und Art. 109a GG haushaltsrechtliche Grundsätze für Bund und Bundesländer,b)in Art. 110 bis Art. 114 GG das Haushaltsrecht des Bundes undc)in Art. 115 GG die Zulässigkeit und die Grenzen der Kreditaufnahme des Bundes.
17
Darüber hinaus finden sich im Grundgesetz auch außerhalb seines X. Abschnitts vereinzelt weitere finanzverfassungsrechtliche Regelungen, so z. B. in
–Art. 28 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 GG über das gemeindliche Hebesatzrecht,–Art. 140 GG in Verb. mit Art. 137 Abs. 6 WRV über die Kirchensteuer oder–Art. 91a bis Art. 91e GG über die Finanzierung der sog. Gemeinschaftsaufgaben und Verwaltungszusammenarbeit.
18
Zu erwähnen sind schließlich noch allgemeine Prinzipien des Grundgesetzes, die zwar nicht spezifisch finanzrechtlicher Natur sind, jedoch auch im Rahmen finanzwirtschaftlicher Vorgänge Beachtung finden müssen. Namentlich sind dies die Grundrechte, das Rechtsstaatsprinzip und das Sozialstaatsprinzip.
3. Parlamentsgesetze
3.1Gesetz zur Förderung der Stabilität und
des Wachstums der Wirtschaft
19
Die Rezession der Jahre 1966/67 führte zu einem Wandel in der Finanzwissenschaft. Wurde öffentlichen Haushalten bis dahin eine reine Bedarfsdeckungsfunktion zugeschrieben, sollten sie nunmehr auch den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung tragen. Das 1967 verkündete Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (Stabilitäts- und Wachstumsgesetz)[2] erklärte deshalb die Stabilität des Preisniveaus, einen hohen Beschäftigungsstand und ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum zum Ziel staatlicher Wirtschafts- und Finanzpolitik. Das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz führte auf Bundesebene außerdem erstmals eine mittelfristige Finanzplanung ein.[3]
3.2Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts
des Bundes und der Länder
20
1969 wurde das Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder (Haushaltsgrundsätzegesetz) beschlossen.[4] Als konkretisierungs- und ergänzungsbedürftiges Rahmengesetz verpflichtet es Bund und Länder, ihr jeweiliges Haushaltsrecht an einheitlichen Grundsätzen auszurichten. Zwar gewährleistet Art. 109 Abs. 1 GG die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern. In einem modernen Bundesstaat wie der Bundesrepublik Deutschland bedarf es jedoch eines Mindestmaßes an Übereinstimmung zwischen dem Zentralstaat und den Gliedstaaten, um den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen. Dem dient das Haushaltsgrundsätzegesetz.
3.3 Bundeshaushaltsordnung
21
Am 1. Januar 1970 trat die Bundeshaushaltsordnung in Kraft,[5] welche die bis dahin geltende Reichshaushaltsordnung vom 31. Dezember 1922 ablöste. Die Bundeshaushaltsordnung enthält die grundlegenden Bestimmungen über die Aufstellung und Ausführung des Bundeshaushaltsplans, das Kassenwesen sowie die Rechnungslegung und Rechnungsprüfung. Die Landeshaushaltsordnungen stimmen sowohl inhaltlich als auch in der Reihenfolge der Vorschriften weitgehend mit der Bundeshaushaltsordnung überein.
22
Bundeshaushaltsordnung und Landeshaushaltsordnungen gelten im Gegensatz zu den jährlichen Haushaltsgesetzen auf Dauer. Sie werden deshalb auch als Dauergesetze oder Ständiggesetze bezeichnet.[6]
3.4 Haushaltsgesetz
23
Durch das Haushaltsgesetz wird der Haushaltsplan festgestellt (Art. 110 Abs. 2 Satz 1 GG). Er enthält die systematisch gegliederte Zusammenstellung der für das jeweilige Haushaltsjahr voraussichtlich zu erwartenden Einnahmen und der veranschlagten Ausgaben. Der Haushaltsplan ermächtigt die Verwaltung, Ausgaben zu leisten und Verpflichtungen einzugehen (§ 3 Abs. 1 BHO). Ansprüche oder Verbindlichkeiten der Bürger werden durch den Haushaltsplan jedoch weder begründet noch aufgehoben (§ 3 Abs. 2 BHO); dafür bedarf es einer besonderen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.
24
In der Staatspraxis des Bundes gilt das Haushaltsgesetz immer nur für ein Haushaltsjahr. Haushaltsjahr ist das Kalenderjahr (§ 4 Satz 1 BHO). Das Haushaltsgesetz ist folglich (im Unterschied zur Bundeshaushaltsordnung) ein Zeitgesetz.
4. Verwaltungsvorschriften
25
Eine Fülle von Verwaltungsvorschriften ergänzt die haushaltsrechtlichen Regelungen, um einen einheitlichen Vollzug des Haushaltsrechts in allen Bundesbehörden zu gewährleisten. Von Bedeutung für die Aufstellung und die Ausführung des Haushaltsplans sind insbesondere die folgenden Verwaltungsvorschriften:
–Allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Bundeshaushaltsordnung (VV-BHO) vom 14. März 2001[7]: Die VV-BHO konkretisieren die Bestimmungen der Bundeshaushaltsordnung, um eine gleichmäßige Verwaltungspraxis sicherzustellen.–Verwaltungsvorschriften zur Haushaltssystematik des Bundes (VV-HB), bestehend aus–den Haushaltstechnischen Richtlinien des Bundes (HRB) vom 3. Juni 2020: Die HRB gewährleisten eine einheitliche Struktur und Gestaltung des Haushaltsplans;–dem Gruppierungsplan: Der Gruppierungsplan enthält eine systematische Gliederung aller Titel des Haushaltsplans nach Einnahme- und Ausgabearten;[8]–dem Funktionenplan: Der Funktionenplan systematisiert die Titel des Haushaltsplans nach Sachaufgaben.–Verwaltungsvorschriften über die Haushalts- und Wirtschaftsführung.–Ggf. Allgemeine Verwaltungsvorschriften zur vorläufigen Haushaltsführung: Die Vorschriften gelten in der „etatlosen“ Zeit, wenn der Haushaltsplan nicht vor Beginn eines Haushaltsjahres festgestellt wurde. Sie konkretisieren die Bestimmung in Art. 111 GG, indem sie die Bewirtschaftung von Haushaltsmitteln bis zum Inkrafttreten des Haushaltsgesetzes regeln.–Kassenbestimmungen für die Bundesverwaltung (KBestB) vom 8. Februar 1999[9].
[1] Die nachfolgenden Ausführungen in Kapitel A. I. wurden im Wesentlichen Sauerland/Menzel, Vorschriftensammlung Öffentliche Finanzwirtschaft: mit einer Einführung für Studium und Praxis, 2021, S. 9–11 entnommen.[2] BGBl. 1967 I S. 582.[3] Dazu noch Rz 278 ff.[4] BGBl. 1969 I S. 1273.[5] BGBl. 1969 I S. 1283.[6] Westermeier/Wiesner, Das staatliche Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen, 9. Aufl. 2012, Rn. 16.[7] GMBl. 2001, S. 307.[8] Vgl. § 13 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 BHO.[9] GMBl. 1999, S. 166.
B. Finanzverfassungsrechtliche Grundlagen
I. Staatliche Einnahmen
1. Überblick
26
Die grundgesetzliche Finanzverfassung setzt voraus, dass sich der Staat im Wesentlichen durch Steuern finanziert. Das Finanzverfassungsrecht ist daher in weiten Teilen ein „Steuerverfassungsrecht“. Daneben kennt das deutsche Abgabenrecht weitere Einnahmearten (Abb. 2). Zu nennen sind z. B.
–Gebühren,–Beiträge,–Sonderabgaben,–sonstige Abgaben,–Einnahmen aus wirtschaftlicher Betätigung und–Einnahmen