Pitaval des Kaiserreichs, 2. Band. Hugo Friedländer

Pitaval des Kaiserreichs, 2. Band - Hugo Friedländer


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      Was haben Sie sonst gehört?

      Zeugin: Einmal hörte ich im Meyerschen Laden eine Tochter sagen: Papa, du sollst nicht unterschreiben, das ist Mord. Welche Tochter das gewesen ist, kann ich nicht sagen.

      Rosa Meyer erklärte, daß sie zuweilen auch bei geringfügigen Anlässen die Redensart gebraucht habe: Das ist ja mehr wie Mord. In einem solchen Zusammenhang, wie Frau Borchardt erzähle, sei das aber nicht geschehen.

      Frau Borchardt: Nach dem Morde sei ihr das Gespräch eingefallen, sie sei auf Anraten zur Polizei gegangen. Da sie aber das Datum nicht gewußt, habe der Beamte gesagt, dann wissen Sie wohl überhaupt nichts; sie habe darauf nein geantwortet und danach habe sie der Beamte überhaupt nicht mehr gefragt.

      Kriminalkommissar Wehn: Ich habe die Frau, nachdem sie vernommen war, gefragt: Ist Ihre Aussage wahr oder unwahr? Darauf hat die Frau die Augen niedergeschlagen und geantwortet: Unwahr. Bei dieser Vernehmung war noch ein Polizeibeamter zugegen, wer es war, weiß ich aber augenblicklich nicht.

      Schneidermeister Beyer: Ich habe einmal im Meyerschen Laden ein sehr lebhaftes Gespräch mit angehört. Dabei hörte ich den Namen Ernst Winter von Jenny Meyer nennen.

      Vors.: In welchem Zusammenhange geschah das?

      Zeuge: Das weiß ich nicht.

      Vors.: Sie erklärten früher, Fräulein Meyer hätte gesagt: Was willst du von Winter?

      Zeuge: Ja, das war später.

      Vors.: Was sagte der Vater darauf?

      Zeuge: Das weiß ich nicht.

      Vors.: Am 7. Juni haben Sie gesagt, er hätte geantwortet: Was kümmert es dich, wir ziehen nach Berlin, schweig doch still.

      Zeuge: Das war später. Ich fragte, was das für ein Winter wäre, und darauf sagte Meyer, daß er ein Gymnasiast sei. Auf meine Frage, ob er aus Baldenburg sei, sagte Meyer: »Nein, aus Prechlau.« Der Vorsitzende hielt dem Zeugen vor, daß er früher die obige Äußerung Meyers gleich in den Anfang des Gespräches verlegt habe.

      Waschfrau Schiller: Alex Prinz, der allgemein der »dumme Alex« genannt werde, habe ihr erzählt: die drei Kantoren, Hamburger aus Schlochau, Heymann (Konitz) und der Elbinger Kantor haben zusammen Ernst Winter geschlachtet. Der Mord sei bei Lewy im Keller geschehen. Geld habe Winter nicht gehabt, aber Blut, das bringe hunderttausend Taler ein. Das Blut wird verpackt und an Rothschild geschickt, da bekommen alle Juden der ganzen Welt etwas davon ab. Christenblut in die Mazzes getan, bringt großes Glück. Als der Kopf des Winter gefunden wurde, sagte Alex Prinz: Den hat Israelski weggetragen, der wird aber nichts verraten, und wenn er zehn Jahre im Gefängnis sitzen müßte.

      Auf Befragen des Vorsitzenden bemerkte die Zeugin: Sie halte Alex Prinz für ganz vernünftig, er habe sich zum Wasserholen sehr geschickt angestellt. Alex habe ihr einmal einen Zettel gezeigt, auf dem 36 Gebrüder standen. Sie habe sich verpflichtet gefühlt, alle diese Dinge dem Schlächtermeister Hoffmann zu erzählen. Alex habe auch erzählt: er sei in der Synagoge furchtbar verhauen worden.

      Es wurde alsdann Alex Prinz als Zeuge aufgerufen. Der Zeuge, ein mittelgroßer, etwa 20jähriger Mensch, machte vollständig den Eindruck eines Blödsinnigen. Seine Vereidigung wurde ausgesetzt. Er bemerkte auf Befragen des Vorsitzenden: Man habe ihn bei Jeleniewski betrunken gemacht und ihm gesagt: er solle erzählen, daß Lewy und Heymann den Mord begangen haben. Er wisse aber nicht, wer Winter ermordet habe. Es sei auch unwahr, daß er in der Synagoge verhauen worden sei.

      Geschworener Oberlehrer Meyer: Sind Sie in der Synagoge zu persönlichen Dienstleistungen herangezogen worden?

      Zeuge: Nein.

      Der Zeuge Prinz bemerkte im weiteren auf Befragen des Vorsitzenden: Frau Schiller habe ihm einmal die Karten gelegt. Die Karten haben besagt: Wenn man auch nichts gesehen hat und man sagt es vor Gericht aus, dann kriegt man ein paar tausend Mark.

      Kreisarzt Sanitätsrat Dr. Müller bezeichnete den Zeugen als schwachsinnig.

      Der Gerichtshof beschloß, den Zeugen nicht zu vereidigen, da ihm die erforderliche Einsicht für die Bedeutung des Eides abgehe.

      Kaufmann Preppel: Er sei am 11. März nachts gegen 12 Uhr aus Tuchel gekommen. Mit einem Kollegen sei er vom Georgsplatz aus die Danziger-, Mauer- und Rähmestraße entlang gegangen. Es sei ganz heller Mondschein gewesen. Wenn Maßloff in der Rähmestraße gelegen hätte, würde er ihn unbedingt gesehen haben. Er sei auch dem Knecht, von dem die Angeklagte Roß sprach, nicht begegnet.

      Vors.: Nun Maßloff, was sagen Sie dazu?

      Maßloff: Was ich gesagt habe, ist wahr.

      Vors.: Behaupten Sie, daß der Zeuge die Unwahrheit sagt? Maßloff schwieg.

      Journalist Max Wienecke (Berlin): Er sei zugegen gewesen, als der Verleger der »Staatsbürger-Zeitung«, Wilhelm Bruhn (Berlin), Maßloff im Hotel Kühn vernommen habe. Er (Wienecke) habe zu Maßloff gesagt: Haben die Juden im Lewyschen Keller Hebräisch gesprochen? Ja, ja, sie haben Hebräisch gesprochen, habe Maßloff geantwortet. Er (Zeuge) habe überhaupt die Wahrnehmung gemacht, daß in Konitz ungeheuer viel gelogen werde.

      Krankenhausarzt Dr. Lukowitz: Eisenstädt sei im März im Krankenhause gewesen, da er sich eine Blutvergiftung zugezogen hatte. Er hatte ihm am Montag, den 12. März, Nachturlaub erteilt. Jedenfalls wäre Eisenstädt nicht imstande gewesen, den Mord zu begehen, da er die rechte Hand in der Binde trug.

      Krankenschwester Feliese bekundet: Eisenstädt sei in der Nacht vom 11. zum 12. März nicht im Krankenhause gewesen. Eine zweite Krankenschwester bestätigte das. Die Zeuginnen blieben bei dieser Behauptung, obwohl ihnen der Vorsitzende vorhielt: eine ganze Anzahl Zeugen haben bekundet: Eisenstädt habe in der Nacht vom 12. zum 13. März Nachturlaub gehabt und sei am Montag, den 12. März, in Schlochau gewesen.

      Kriminalinspektor Braun: Er habe am 15. Mai nochmals mit dem Angeklagten Maßloff einen Lokaltermin abgehalten. Maßloff konnte nichts sehen. Auch bei Lampenschein konnte er die Personen nicht genau erkennen. Er habe dem Zeitungsverleger Bruhn gesagt, daß die Angaben Maßloffs unglaubwürdig seien. Darauf habe Bruhn bemerkt: Die Polizeibeamten seien zu einseitig, weil sie die Sache nicht vom politischen Standpunkte aus betrachteten. Er (Braun) habe darauf erwidert: Er habe den Mörder zu suchen und nicht Politik zu treiben. Bruhn habe darauf bemerkt: Es handelt sich um eine eminent politische Angelegenheit. Er (Braun) habe den Lewyschen Keller aufs gründlichste untersucht, aber keine verdächtige Spur gefunden. Die Spinnengewebe waren so dick, daß kein Nagel und kein Brett, also auch kein Vorhang an den Kellerfenstern gewesen sein konnte. Die Recherchen waren furchtbar schwierig, weil die Bevölkerung ungemein aufgeregt war. Entweder hörte man: »Ich sage nur gegen die Juden aus«, oder »Lassen Sie mich in Ruhe, ich will von der Sache nichts wissen.« In seinem Bericht vom 25. Mai habe er gesagt: Die alles christliche Gefühl verhöhnenden Beschuldigungen gegen die Juden wegen Ritualmordes müßten aus der Diskussion ausscheiden. Damals habe er auch gesagt, daß das Material gegen Hoffmann erdrückend sei. Auf Befragen eines Verteidigers bemerkte Inspektor Braun, daß ihm das Material über den Ritualmord sowohl von jüdischer wie von antisemitischer Seite bekannt sei. Das Paket mit den Leichenteilen war nicht schwer; es hatte auch nicht zwei, sondern vier Zipfel, und man konnte es sehr leicht fortbringen, wenn man es unter dem Arme trug. Er (Zeuge) ist auch heute noch der Meinung, daß es sich gar nicht um Mord, sondern um Totschlag handele. Bezüglich der Auffassung, der Mord hätte in der Synagoge geschehen sein können, habe er nicht das geringste belastende Moment gefunden. Er sei im Orient unter den schlimmsten Juden groß geworden, er habe aber niemals das geringste Moment für einen Ritualmord kennengelernt.

      Im weiteren Verlauf fragte der Erste Staatsanwalt den Kriminalkommissar Wehn, ob er auch andere Spuren verfolgt habe, die sich gegen Juden richten.

      Kommissar Wehn: Er habe die eingehendsten Ermittelungen nach allen Richtungen angestellt. Auch in der ganzen Umgegend von Konitz seien die sorgfältigsten Ermittelungen angestellt worden, jede Spur sei aufs genaueste geprüft worden. Eine Zeitlang habe sich der Hauptverdacht gegen den Schächter Fuchs gerichtet, auch hier wurden alle Spuren verfolgt, aber nicht etwa


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