Die Vampirschwestern – Ein zahnharter Auftrag. Franziska Gehm

Die Vampirschwestern – Ein zahnharter Auftrag - Franziska Gehm


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gestützt. Seine Finger umklammerten krampfhaft die Kopfhörer. Seine Ohren waren mittlerweile schon ganz warm. Was die in den letzten paar Minuten zu hören bekommen hatten, war kaum zu glauben.

      Dirk van Kombast hatte also recht gehabt mit seinem Verdacht. Dieser Lumbo oder Sumbo hatte es laut und deutlich gesagt: Herr Tepes war ein Vampir. Seine Töchter waren Halbvampire. Die Schwestern hatten es nicht abgestritten. Herr Tepes hatte es nicht abgestritten. Nur Frau Tepes hatte sich aufgeregt. Aber nicht, weil ihr Mann ein Vampir war. Dabei wäre das für so manche Ehefrau ein Scheidungsgrund.

      Schade, dass man mit dem Vampire-Best-Buy-Bug das abgehörte Gespräch nicht mitschneiden konnte. Dann hätte er den Beweis. Wort für Wort. Silbe für Silbe. Aber Beweise würden sich finden lassen. Jetzt, wo Dirk van Kombast sich sicher war, mit wem er es bei den neuen Nachbarn zu tun hatte. Die Jagd war eröffnet!

      Das Vampire-Best-Buy-Bug setzte wieder eine Sekunde aus. Es rauschte. Dirk van Kombast fluchte leise. Er zischte: „Sssccchhh…ande!“ Er wackelte mit dem Kabel. Dann hörte er, wie Frau Tepes aufgebracht rief: „Mihai! Tu et…“ – Rauschen – „schieht ein Unglück!“

      Dirk van Kombast wusste nicht, ob Mihai Tepes etwas tat. Auf jeden Fall tat sich etwas im Nachbarhaus. Dirk van Kombast hörte, wie eine Tür aufflog. Dann rauschte und zischelte es, aber dieses Mal war es keine Störung. Jemand schrie auf. So schrill, dass Dirk van Kombast das Gefühl hatte, jemand steche ihn mit einer Nadel ins Ohr. Stimmen redeten wirr durcheinander. Jemand schrie: „HILFE!“, eine andere Stimme: „FUMPFS!“. Eine weitere: „NEIN!“ Eine Mädchenstimme kreischte ununterbrochen. Jemand lachte wie eine Hexe. Jemand brüllte. Jemand rülpste. Etwas fiel zu Boden. „DAS IST DAS ENDE!“, kam ein Schrei. „AUFHÖREN, RAPEDADI!“, rief eine tiefe Stimme. Etwas klirrte.

      Rauschen. Dieses Mal war es wieder eine Störung vom Vampire-Best-Buy-Bug. „Sssccchhh…weineschande!“, fluchte Dirk van Kombast. Er wackelte am Kabel, riss sich zwei Blatt Toilettenpapier ab und schnäuzte sich.

      Was ging im Nachbarhaus vor sich? Gerade an den spannendsten Stellen versagte das Vampire-Best-Buy-Bug. Das Rauschen war so ärgerlich wie eine Werbeunterbrechung bei einem Krimi im Fernsehen. Viel ärgerlicher. Hier ging es womöglich tatsächlich um Leben und Tod. Diese Schreie. Dieses Brüllen.

      Dirk van Kombast schüttelte sich. Er tupfte sich mit dem Toilettenpapier das Gesicht ab. Ein paar Schweißperlen hatten sich angesammelt. Allein vom Zuhören. Waren die Nachbarn in Gefahr? Stand ein Menschenleben auf dem Spiel? Ein Halbvampirleben? Oder ein Vampirleben?

      Dirk van Kombast atmete tief durch. So, wie er es im Yogakurs bei seinem letzten Urlaub auf Fuerteventura gelernt hatte. Nur nicht das innere Gleichgewicht verlieren. Er rückte die Kopfhörer gerade und drückte den Rücken durch. Er würde seinen Posten nicht verlassen. Notfalls konnte er immer noch die Polizei rufen.

      Das Vampire-Best-Buy-Bug hatte aufgehört zu rauschen. Dirk van Kombast lauschte. Was er zu hören bekam, übertraf all seine Fantasien. Und Fantasien hatte er einige.

      Blutige Begierde

      Er hatte sich vom lilafarbenen Polster erhoben und mit den spitzen Lackschuhen den Sargdeckel aufgestoßen. Er sah nach links, dann nach rechts. Die anderen waren ebenfalls erwacht. Die gelben und violetten Augen blitzten in der Finsternis auf, unruhig und begierig.

      Geräuschlos erhob er sich, strich seinen Anzug glatt und rückte das Monokel zurecht. Er gab den anderen das Zeichen. Sie erhoben sich. Nicht geräuschlos, sondern mit Geschrei und Grollen. Er schielte zur Kellerdecke. Jetzt war es auch schon egal. In weniger als einer Minute würde es keine Fragen mehr geben. Er ging voran zur Tür.

      Sie kamen aus dem Keller ans Licht. Schritt für Schritt. Flügelschlag für Flügelschlag. Sie hatten sich ausgeruht. In der Dunkelheit Kräfte gesammelt. Doch sie hatten seit Stunden nichts gegessen. Jetzt waren sie hungrig. Sie rochen Blut. Menschenblut. Frisch, warm, pulsierend. Nur ein paar Flügelschläge entfernt. Zum Beißen nahe. Er wusste, dass hier nicht der richtige Ort für eine Jagd war. Sie durften kein Risiko eingehen. Sie mussten die Zähne zusammenbeißen. Doch wie sollten sie sich beherrschen? Ihm würde es vielleicht gelingen. Aber den anderen? Es war unmöglich. Der Geruch war zu betörend. Sie waren im Blutrausch, er konnte es sehen. Ihre Augen brannten vor Begierde. Ihre Münder waren wässrig. Die Hände zitterten. Er wusste, dass ihnen heiße Schauer über den Rücken liefen. In ihnen Köpfen brodelte es. Sie konnten keinen klaren Gedanken mehr fassen. Der Instinkt gewann die Überhand. Und der Instinkt war bestialisch.

      Im Hexenkessel

      Das Wohnzimmer der Tepes war ein Hexenkessel. Dabei waren gar keine Hexen dort. Nur Vampire. Waschecht und lichtbeständig. Es herrschte Chaos, Geschrei und … Todesangst.

      Helene stand starr wie ein Rettich im Raum. Ihr Gesicht war weiß, als hätte jemand eine Flasche Tipp-Ex darüber geschüttet. Sie schrie ununterbrochen, während sie einen kleinen, pausbäckigen, etwa zehnjährigen Vampir mit den Augen verfolgte. Er flog um sie herum und versuchte, sie in die Arme zu beißen.

      „Bemaltes Menschenfleisch. Ultimo lecker!“, rief er. Einer der oberen Schneidezähne fehlte. Dafür hatte er zwei Eckzähne. Zwei sehr spitze Eckzähne. Sein pummeliger Körper steckte in einem Superman-Kostüm, auf dessen Brust statt eines „S“ ein „W“ stand.

      Am Kragen des Kostüms hing ein roter Umhang. An seinen Zipfeln hingen Silvania und Frau Tepes.

      „NEIN!“, schrie Frau Tepes.

      „Hau ab, du kleiner Popelrotzi!“, rief Silvania.

      Helene schrie. Der kleine Vampirsuperman lachte.

      In der anderen Zimmerhälfte langweilte sich auch niemand. Ludo rannte von panischer Angst getrieben um den Wohnzimmertisch herum. Er keuchte, japste und wagte es kaum, sich umzudrehen. Ludo floh vor einer großen, wohlgenährten Vampirdame. Sie lief ihm juchzend und mit offenem Mund nach. Ihre Eckzähne blitzten. Sie sabberte ein wenig.

      „HILFE!“, schrie Ludo. Er hatte die ockerfarbenen Augen weit aufgerissen. Wären seine Haare nicht zu lang, hätten sie zu Berge gestanden.

      Daka und Herr Tepes liefen der Vampirdame hinterher. Sie streckten die Arme nach ihr aus.

      „FUMPFS!“, rief Daka, als sie sich am Tischbein den Fuß stieß.

      „AUFHÖREN, RAPEDADI!“, rief Mihai Tepes. Er flopste sich direkt vor die Vampirdame. Ein geschicktes Manöver. Wären die Gesetze der Physik nicht. Masse mal Beschleunigung gleich Kraft. Die füllige Vampirdame rannte ihn einfach um. Mihai Tepes stöhnte vor Schmerz, als sie ihm auf den Fuß trat. Er torkelte eine Sekunde auf einem Bein, dann fiel er zu Boden. „Boi noap“, hauchte er.

      „DAS IST DAS ENDE!“, rief Elvira Tepes. Sie hatte den roten Umhang des kleinen Kugelvampirs losgelassen und hielt sich die Hände vors Gesicht.

      Die füllige Vampirdame war stehen geblieben und steckte sich mit gespreizten Fingern eine Obstfliege in den Mund, die sich unvorsichtigerweise auf den Wohnzimmertisch gesetzt hatte. Dann entwich ihr ein leiser Rülpser. „Ups“, sagte sie und legte die Hand, an der drei Ringe steckten, vor den Mund.

      Silvania hatte es geschafft, den kleinen Kugelvampir mit beiden Armen zu umklammern. Er wehrte sich mit aller Kraft und versuchte, mit dem Mund nach Helenes Arm zu schnappen.

      Helene erwachte aus ihrem Schockzustand. Genau eine Sekunde, bevor sich die Eckzähne des Vampirjungen in ihren Arm bohrten. Sie hörte auf zu schreien. Sie drehte sich mit einem Ruck nach rechts. Sie schnappte sich die Toilettenkaffeetasse von Frau Tepes. Sie drehte sich nach links.

      WUMMS!, knallte die Toilettenkaffeetasse auf den Kopf des Kugelvampirs. Das wäre schön gewesen.

      Im letzten Moment zog der kleine Vampir den Kopf zurück.

      KLIRR! Die Toilettenkaffeetasse fiel zu Boden. Sie zerbrach in drei Teile.

      „Jetzt reicht’s!“, rief Herr Tepes. Er warf die rabenschwarze Mähne nach hinten. Seine dunklen Augen funkelten zornig. Sein dichter schwarzer Schnauzbart, der zwei Lakritzschnecken


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