Ein Kampf um Rom. Felix Dahn

Ein Kampf um Rom - Felix  Dahn


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zehn Goldstücke, richtig bezahlt. Du siehst, ich kann ernähren ein Weib; zudem bin ich Rachels, deiner Muhme, leiblicher Sohn. So laß mich nicht reden umsonst und gib mir Miriam, dein Kind, daß sie bestelle mein Haus.«

      Aber der Alte strich seinen grauen langen Kinnbart und schüttelte langsam das Haupt. »Jochem, Sohn Rachels, mein Sohn — ich sage dir, laß ab, laß ab.«

      »Warum? Was kannst du haben gegen mich? Wer mag reden wider Jochem in Israel?«

      »Niemand. Du bist gerecht und still und fleißig und mehrest deine Habe, und dein Werk gedeiht vor dem Herrn. Aber hast du gesehen, daß sich Nachtigall paart mit dem Sperling oder die schlanke Gazelle mit dem Lasttier? Sie passen nicht zusammen! Und nun sieh dorthin und sage mir selbst, ob du passest für Miriam, mein Kind.«

      Und er schob mit seinem langen Stock sachte den grünwollenen Vorhang zur Seite, der das vordere Gemach abschloß.

      Leise silberne Töne waren schon herübergeklungen in das Gespräch der Männer: jetzt sah man in den einfachen, aber gefälligen Raum. An dem weiten Rundbogenfenster, das über die herrliche Neapolis, das blaue Meer und die fernen Berge die freieste Aussicht bot, stand ein junges Mädchen, ein fremdartig geformtes Saiteninstrument im Arm. Es war eine Erscheinung von überraschender Schönheit. Glühend rot fiel das Licht der sinkenden Sonne noch in das hochgelegene Gemach und übergoß wie das weiße Faltengewand so das edel geschnittene Profil des Mädchens mit purpurnem Schimmer: es spielte auf dem glänzend schwarzen Haar, das, halb hinter das feine Ohr zurückgestrichen, die edlen Schläfen zeigte. Und wie dieser Sonnenglanz, so schien der Glanz der Poesie die ganze Erscheinung zu umstrahlen, jede ihrer Bewegungen zu begleiten und jeden träumerischen Blick aus diesen dunkelblauen Augen, die, in tiefes Sinnen versunken, über die Stadt und das Meer hinschweiften. »Dunkelmeeresblau« hatte diese Augen Piso, der Dichter, genannt. —

      Wie im halben Traum berührten die Finger nur leise, leise die Saiten, während von den halbgeöffneten Lippen, geflüstert mehr als gesungen, eine alte, melancholische Weise erklang:

      »An Wasserflüssen Babylons

      Saß weinend Judas Stamm:

      Wann kommt der Tag, da Judas Stamm

      Nicht mehr zu weinen hat?«

      »Nicht mehr zu weinen hat!« wiederholte sie träumend und neigte das Haupt auf den Arm, der die Harfe auf der Fensterbrüstung hielt.

      »Sieh hin«, sprach der Alte leise, »ist sie nicht lieblich wie die Rose in den Gärten von Saron und die Hindin auf den Bergen von Hiram, und ist kein Fehl an ihrem Leibe?«

      Ehe Jochem antworten konnte, scholl dreimal ein leises Klopfen an der schmalen Eisenpforte unten. Miriam fuhr auf aus ihrem Sinnen, strich rasch mit der Hand über die Augen und eilte die enge Wendeltreppe hinunter.

      Jochem trat an das Fenster, und sein Gesicht legte sich in grimmige Falten. »Ha, der Christ, der gottverfluchte«, knirschte er und ballte die Faust. »Schon wieder der blonde Gote mit dem unbändigen Stolz! Vater Isak, ist das der Edelhirsch, der dir zu deiner Hindin paßt?« — »Sohn, rede nicht Hohnwort wider Isak! Du weißt ja, der Jüngling hat sein Herz gesetzt auf ein Römermädchen, seine Seele denkt nicht an die Perle von Juda.«

      »Aber vielleicht die Perle von Juda an ihn!«

      »Mit Dank und Freuden, wie das Lamm denkt des starken Hirten, der es entrissen dem Rachen des Wolfs. Hast du vergessen, wie bei der letzten Jagd, welche die verdammten Römer machten auf die Schätze und Goldhaufen von Israel, und als sie niederbrannten die heil’ge Synagoge mit unheil’gem Feuer, wie da eine Rotte dieser bösen Buben mein armes Kind aufjagte auf der Straße, wie ein Rudel Wölfe das weiße Lamm, und zerrten ihr den Schleier vom Haupt und das Busentuch von den Schultern: wo war da Jochem, meiner Muhme Sohn, der sie begleitete? Entflohen war er vor der Gefahr mit hurtigen Füßen und ließ die Taube in den Krallen der Geier!«

      »Ich bin ein Mann des Friedens«, sagte Jochem unbehaglich, »meine Hand führt nicht das Schwert der Gewalt.«

      »Aber Totila führt es, wie einst der Löwe Juda, und der Herr ist mit ihm. Allein, wie er des Weges kam, sprang er unter die Schar der frechen Räuber und schlug den frechsten mit der Schärfe des Schwertes und verscheuchte die andern, wie der Turmfalk die Krähen, und hüllte sorglich den Schleier über mein lebendiges Kind und stützte ihren wankenden Schritt und führte sie heim, ungeschädigt, in die Arme ihres alten Vaters. Das lohne ihm Jehova der Herr mit langem Leben und segne alle Schritte seines Pfades.«

      »Nun, wohl«, sagte Jochem, seine Urkunden einsteckend, »ich gehe, diesmal für lange Zeit. Ich reise über das große Wasser, zu machen ein groß Geschäft.«

      »Ein groß Geschäft? Mit wem?«

      »Mit Justinianus, dem Kaiser übers Morgenland. Es ist eingestürzt ein Stück der großen Kirche, die er baut der Weisheit des Herrn in der goldnen Stadt des Konstantin. Ich hab’ entworfen Plan und saubern Grundriß, wieder aufzubauen das Gebäude.«

      Heftig sprang der Alte auf und stieß seinen Stab auf den Boden:

      »Wie, Jochem, Sohn Rachels, dem Römer willst du dienen? Dem Kaiser, dessen Vorfahren die heilige Zion verbrannt und in die Asche gelegt den Tempel des Herrn? Und bauen willst du an einem Haus des Unglaubens, du, der Sohn des frommen Manasse? Wehe, wehe über dich!« — »Was rufest du Wehe und weißt nicht warum? Riechst du’s dem Goldstück an, ob es kommt aus der Hand des Juden oder des Christen? Wiegt es nicht gleich schwer, und glänzt es nicht gleich lieblich?«

      »Sohn Manasses, du kannst nicht Gott dienen und dem Mammon.«

      »Aber du selbst, dienst du nicht den Ungläubigen? Seh’ ich nicht das Wächterhorn an der Wand deines Hauses? Führst du nicht die Schlüssel für diese Goten und tust ihnen auf und zu die Pforten für ihren Ausgang und Eingang und hütest die Burg ihrer Stärke?«

      »Ja, das tu’ ich«, sagte der Alte stolz, »und wachen will ich für sie treulich, Tag und Nacht, wie der Hund für den Herrn, und solang Isak Odem hat, der Sohn Rubens, soll kein Feind dieses Volkes schreiten durch dies Tor. Denn Dank schulden die Kinder Israels ihnen und ihrem großen König, der weise war wie Salomo, und wie Gideons war sein Schwert! Dank’ wie unsre Väter dem großen König Cyrus, der sie befreiet hat aus Babylon. Die Römer haben gebrochen den Tempel des Herrn und zerstreut sein Volk über das Angesicht der Erde. Sie haben uns verspottet und geschlagen und verbrannt unsre heiligen Stätten und geplündert unsre Truhen und verunreinigt unsere Häuser und gezwungen unsere Weiber überall in ihren Landen und haben geschrieben gegen uns manch grausam Gesetz. Da kam dieser große König von Mitternacht, dessen Samen Jehova segne, und hat wieder aufgebaut unsre Synagogen: und wenn sie die Römer niederrissen, mußten sie alles wieder aufrichten mit eigner Hand und eignem Gelde, und er hat beschützt den Frieden unsrer Dächer, und wer einen schädigte aus Israel, der mußte es büßen, wie wer einen Christen gekränkt. Er hat uns gelassen unsern Gott und unsern Glauben und hat beschirmt unsre Schritte auf den Straßen unsres Handels, und wir feierten das Passah in Frieden und Freude, wie nicht mehr seit den Tagen, da der Tempel noch stand auf den Höhen von Zion. Und als ein Großer unter den Römern mir mit Gewalt meine Sarah geraubt, mein Weib, ließ ihm König Theoderich das stolze Haupt abschlagen noch am selben Tage und gab mir wieder mein Weib unversehrt. Und das will ich gedenken, solange meine Tage dauern, und will dienen seinem Volke treu bis zum Tode, und man soll wieder sagen, weit in allen Landen: treu und dankbar wie ein Jude.«

      »Mögest du nicht Undank ernten von den Goten für deinen Dank«, sagte Jochem, sich zum Gehen rüstend: »Mir ist, einmal kommt die Stunde für mich, wieder um Miriam zu werben, zum letztenmal. Vielleicht, Vater Isak, bist du dann minder stolz.« Und er schritt durch Miriams Gemach zur Treppe hinaus, wo er Totila begegnete. Mit einer häßlichen Verbeugung und einem stechenden Blick drückte sich der Kleine an dem schlanken Goten vorbei, der beim Eintritt in die Türmerwohnung sich tief bücken mußte. Miriam folgte ihm auf dem Fuß.

      »Dort hängen deine Gärtnerkleider«, sagte sie, ohne die langen Wimpern aufzuschlagen, »und hier am Fenster hab’ ich die Blumen bereitgestellt. Sie liebt


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