Satan und Ischariot I. Karl May

Satan und Ischariot I - Karl May


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Beutel zur Folge hatte. Die Sorge für die nächste Zukunft riet mir, mich in ausgiebiger Weise mit Schießbedarf zu versehen, und als ich dies gethan hatte, war mein Bargeld so zur Neige gegangen, daß ich trotz alles Schüttelns der Tasche und des Beutels nichts mehr klingen hörte. Das konnte mir aber keine Sorgen machen, da ich jetzt voraussichtlich in Verhältnisse und durch Gegenden kam, in denen der Besitz von Geld nicht nur überflüssig, sondern sogar gefährlich gewesen wäre. In jenen Breiten und Verhältnissen war damals und ist wohl unter Umständen auch noch heute ein zuverlässiges Gewehr in der Hand besser, als ein voller Beutel in der Tasche. So ritt ich denn, den in die Decke gewickelten neuen Anzug hinter mir aufgeschnallt, wohlgemut zur Stadt hinaus, um eine kleine Hoffnung getäuscht, doch um eine wichtige Erfahrung reicher.

      Ich hatte mich nämlich im Gasthofe nach der Hazienda del Arroyo erkundigt und erfahren, daß dieselbe einen vollen Tagesritt weit ostwärts zwischen bewaldeten Bergen an einem Bache liege, von welchem ein kleiner See gespeist werde. Man hatte mir die Gegend und den Weg nach derselben so genau beschrieben, daß ich gar nicht irren konnte. Zugleich hatte ich über die

      Verhältnisse und den Charakter des Besitzers näheres erfahren.

      Sennor Timoteo Pruchillo war ein ehrlicher Mann, hatte früher zu den reichsten Leuten der Provinz gehört, aber durch die oft wiederkehrenden politischen Aufstände und die Ueberfälle der Indianer viel gelitten, sodaß er nun nur noch als ziemlich wohlhabend galt. Von mehreren großen Landgütern war ihm nur noch das einzige, die Hazienda del Arroyo geblieben. Außerdem gehörte ihm ein Quecksilberbergwerk zu eigen, über dessen Lage ich nichts Genaues erfahren hatte, man wußte nur, daß es noch weit, weit hinter der Hazienda in einer höchst unfruchtbaren Gegend liege und früher reiche Erträge gemacht habe, dann aber wegen Mangels an Arbeitern und des Herumschweifens wilder Indianer aufgegeben und verlassen worden sei.

      Ueber den Weg, den ich heut zurücklegte, ist nichts zu sagen. Ich war allein und kam durch eine völlig uninteressante Gegend. Ich übernachtete in einem Thale, welches von kahlen Höhen eingeschlossen war, auf seinem Grunde aber doch so viel Gras trug, daß mein Pferd sich sattfressen konnte. Während mir von Ures bis hieher kein Mensch in den Weg gekommen war, hatte ich am nächsten Vormittage eine Begegnung und zwar eine unter den gegebenen Verhältnissen sehr wichtige, eine Begegnung, bei welcher leider Blut fließen sollte.

      Ich ritt durch ein langes, schmales Thal, welches sich in vielen Windungen aufwärts in die Berge zog. Diese lagerten kahl und baumlos vor dem höhern Gebirge, in welchem ich die Hazienda zu suchen hatte. Sie waren felsig und besaßen so eigenartige, abenteuerliche Formen, daß ich hier und da an die fernen Bad-lands erinnert wurde. Nur selten war ein Baumkrüppel oder

      Strauch zu sehen, der aus einer Spalte ragte, in welcher es die Feuchtigkeit zu einem spärlichen Gedeihen für ihn gab. Ich dachte an meine Erlebnisse in jenen Bad-lands, an die Kämpfe mit den Sioux, mit denen ich dort oft zusammengeraten war; ich bildete mir ein, ihr schrilles Kriegsgeheul und die Stimmen ihrer Gewehre zu hören. Da – — war das nur die Erinnerung, die es mir vorspiegelte, oder war es die Wirklichkeit: ein Schuß war gefallen. Ich hielt mein Pferd an und horchte. Es war die Wirklichkeit, denn jetzt fiel ein zweiter und ein dritter Schuß, vor mir im Thale, hinter der nächsten Krümmung, welche dasselbe machte.

      Ich trieb mein Tier an, war aber, als ich die Krümmung erreichte, nicht so unvorsichtig, um dieselbe zu biegen. Ich wollte vorher wissen, mit wem ich es zu thun hatte. Darum stieg ich ab, ließ das Pferd stehen und ging zu Fuß nach der Ecke des Felsens, um nach der andern Seite derselben zu blicken. Als ich den Hut, dessen breite Krämpe mich leicht verraten konnte, abgenommen hatte und dann den obern Teil des Kopfes bis zu den Augen vorstreckte, sah ich, daß sich jenseits des Felsens das Thal erweiterte, indem es eine Seitenschlucht aufnahm, welche rechtwinklig in dasselbe mündete. Unten, in der Sohlenmitte des Hauptthales, standen zwei Männer, die empor nach dem Felsen blickten, welcher die Ecke des Haupt- und Nebenthales bildete. Es war ein Weißer und ein Indianer. Beide hatten ihre Gewehre in den Händen. Sie legten dieselben jetzt eben an, zielten nach oben und drückten ab; die Schüsse knallten schnell hintereinander.

      Auf was oder wohl gar auf wen schossen die beiden Menschen? Es standen drei Pferde in ihrer Nähe. Sie waren also zu dritt. Wo befand sich der dritte? Ich schob den Kopf weiter vor und sah nun unten, hart an der Felsenecke, drei fernere Pferde liegen, welche tot zu sein schienen, denn sie bewegten sich nicht. Ueber denselben, vielleicht dreißig Ellen hoch, an einer Stelle, welche nur ein guter Kletterer zu erreichen vermochte, kauerten drei Personen hinter einem Felsenvorsprunge, der ihnen Schutz gegen die nach ihnen gesandten Kugeln bot. Diese drei waren ein Weib und zwei Knaben. Vielleicht wäre der Ausdruck Jünglinge richtiger; ich konnte ihre Gesichtszüge nicht genau erkennen. Sie waren nicht mit Gewehren, sondern nur mit Bogen bewaffnet, und sandten gegen ihre Angreifer zuweilen einen Pfeil herab, welcher aber immer zu kurz fiel.

      Männer gegen Knaben, gegen ein unbewaffnetes Weib! Pfui! Was für Männer konnten das sein! Doch nur ehrlose Menschen! Ich war augenblicklich entschlossen, den Knaben zu Hilfe zu kommen, denn es war klar, daß es auf deren Leben abgesehen war. Um das mit möglichst wenig Gefahr für mich thun zu können, mußte ich die beiden Angreifer überrumpeln, mußte sie in einem Augenblicke überraschen, an welchem sie ihre Gewehre abgeschossen hatten. Ich ging also wieder zu meinem Pferde und stieg auf. Nachdem ich meine beiden Gewehre aus ihrer Umhüllung gezogen hatte, nahm ich den Bärentöter auf den Rücken, den Henrystutzen aber in die Hand und lockerte auch die beiden Revolver im Gürtel. Nun wartete ich. Ein Schuß fiel, gleich darauf ein zweiter, und da flog auch schon mein Pferd hinter dem Felsen hervor und auf die beiden zu. Sie sahen mich kommen und standen, ohne sich zu bewegen, so überrascht waren sie von diesem unerwarteten Erscheinen eines hier und jetzt gar nicht vermuteten Menschen.

      Der Weiße war mittellang und mittelstark, trug einen leichten Anzug nach dem hier zu Lande gebräuchlichen Schnitte, und hatte sehr scharfe, ausgeprägte Gesichtszüge, die man, einmal gesehen, wohl nicht wieder vergessen konnte. Eine Pistole und ein Messer stak in seinem Gürtel, und in der Rechten hielt er die soeben abgeschossene einläufige Flinte.

      Der Rote war ähnlich gekleidet, doch trug er sein Haupt unbedeckt und die Häuptlingsfeder in dem langen, schlaffen Haare. Aus seinem Gürtel ragte nur der Griff eines Messers; sein Gewehr war auch nur einläufig und soeben abgeschossen.

      »Guten Morgen, Sennores!« grüßte ich, indem ich mein Pferd vor ihnen parierte und den Stutzen in der Rechten hielt. »Was für eine Jagd treiben Sie hier? Doch nur auf Tiere?«

      Sie antworteten nicht. Ich that, als ob ich erst in diesem Augenblicke die toten Pferde sähe, und fuhr fort:

      »Ah! Auf Pferde schießen Sie? Und die Pferde sind gesattelt! So haben Sie es also auf die Reiter abgesehen? Wo befinden sich dieselben?«

      Der Rote griff in seinen Kugelbeutel, um wieder zu laden. Der Weiße that dasselbe und antwortete dabei:

      »Was geht Sie das an? Machen Sie sich davon! Sie haben sich um unsere Angelegenheiten nicht zu kümmern!«

      »Nicht? Wirklich nicht? Das ist eine Ansicht, über welche sich noch streiten läßt. Wer auf seinem ehrlichen Wege Männern begegnet, welche auf Knaben und Frauen schießen, der hat wohl ein Recht, nach dem Grunde eines solchen Verhaltens zu fragen.«

      »Aber welche Antwort wird er bekommen?«

      »Diejenige, welche er fordert, falls er nämlich der Mann ist, seiner Frage Nachdruck zu geben.«

      »Und für einen solchen halten Sie sich wohl?« fragte der Weiße in höhnischem Tone, während der Rote kaltblütig um seine Kugel ein Pflaster wickelte, um sie dann in den Lauf zu stoßen.

      »Allerdings,« antwortete ich.

      »Lassen Sie sich nicht auslachen, sondern verschwinden Sie schleunigst, sonst werden Ihnen unsere Kugeln zeigen – —«

      »Eure Kugeln, Schurke?« unterbrach ich ihn, indem ich den Lauf auf seine Brust richtete. »Fühle erst die meinigen! Weißt du, wieviel Kugeln in einem Henrystutzen stecken? Laßt augenblicklich eure Gewehre fallen, sonst fährt mein Metall euch durch die Köpfe!«

      »Hen-ry-stu-tzen!« stieß der Weiße in einzelnen Silben hervor, indem er mich mit weitgeöffneten Augen anstarrte und sein Gewehr aus der Hand gleiten ließ.

      Wie


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