Satan und Ischariot I. Karl May

Satan und Ischariot I - Karl May


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erforderlichen Falles etwas Edleres entwickeln könne, weshalb ich ihm einen leichten Schlag versetzte. Der Ring geriet darauf in Bewegung; er löste sich. Es kamen Arme und Beine zum Vorscheine, sogar ein Kopf; der Rettungsgürtel öffnete sich vollständig, sprang aus der Hängematte und verwandelte sich in ein kleines hageres, sehr eng in graues Leinen gekleidetes Männchen, welches mich überrascht betrachtete und dann in zornig sein sollendem, aber nur vorwurfsvoll klingendem Tone fragte:

      »Was wollen Sie, Sennor? Warum stören Sie meine Siesta? Warum sind Sie überhaupt wach und munter? In dieser tödlichen Hitze schläft doch jeder vernünftige Mensch!«

      »Ich suche den Wirt,« antwortete ich.

      »Der bin ich. Don Geronimo ist mein Name.«

      »Ich komme soeben in Guaymas an und suche ein Schiff. Kann ich bei Ihnen wohnen?«

      »Wollen dann sehen; jetzt aber schlafen Sie, dort in einer der Hängematten.«

      Er deutete nach der andern Seite.

      »Ich bin auch müde,« antwortete ich, »aber ich habe Hunger.«

      »Später, später! Schlafen sie nur erst!« forderte er mich dringend auf.

      »Und Durst!«

      »Jawohl, jawohl! Es wird für alles gesorgt werden; aber schlafen Sie, schlafen Sie doch nur!«

      Nachdem er vorher leise gesprochen hatte, war er jetzt lauter geworden. Die andern Hängematten begannen zu schaukeln; darum raunte er mir warnend zu:

      »Sprechen Sie nicht weiter, sonst erwacht Donna Elvira! Schlafen Sie, schlafen Sie!«

      Er schwang sich in die Hängematte und rollte sich wieder zu einem Ringe zusammen. Was war da zu thun! Ich ließ den Rettungsgürtel mit seiner Familie weiter schlafen, schlich, um Niemanden aufzuwecken, mit leisen Schritten zur Hinterthüre hinaus und gelangte in einen ziemlich großen Hof. In einer Ecke desselben war aus Stangen und Maisstroh ein Dach errichtet, unter welchem einige Gerätschaften aufbewahrt wurden. Auch ein Haufen Maisstroh lag da, daneben ein großer Hund, welcher an einer Kette befestigt war. Das Stroh bildete jedenfalls ein besseres Lager als eine der Hängematten drin; ich näherte mich also dem Haufen, ein wenig besorgt, daß der Hund Lärm machen und Donna Elvira wecken werde; aber diese Sorge war unnötig, denn – — der Kerl schlief auch! Er öffnete zwar die Augen für einen Moment, schloß sie aber sofort wieder und sagte nichts dazu, als ich mir aus dem Stroh ein Lager bereitete und mich dann auf dasselbe ausstreckte. Meine beiden Gewehre im Arme, schlummerte ich ein und schlief infolge meiner Ermüdung so gut und so fest, daß ich erst erwachte, als eine Hand meinen Arm schüttelte. Es war am späten Nachmittage; der kleine Wirt stand vor mir und sagte:

      »Sennor, erheben Sie sich! Es ist an der Zeit, die Entscheidung zu treffen.«

      »Welche Entscheidung?« fragte ich, indem ich aufstand.

      »Ob Sie bei mir bleiben dürfen oder nicht.«

      »Warum bedarf es denn da einer Entscheidung?«

      Ich sprach diese Frage aus, obgleich ich mir sehr wohl denken konnte, was er meinte, und betrachtete mir das Männchen genauer, als ich es am Mittag hatte thun können. Er war wirklich sehr, sehr klein und zum Erschrecken mager. Er trug das Haar ganz kurz geschoren, fast wie rasiert. Seine scharfen Züge hatten einen klugen und dabei höchst gutmütigen Ausdruck.

      »Donna Elvira will, daß ich nur Cavalleros bei mir aufnehme,« antwortete er, »und Sie werden zugeben, daß Sie nicht den Eindruck eines solchen machen.«

      »Wirklich?« mußte ich lächelnd fragen, indem ich zu ihm niederblickte. »Meinen Sie, daß nur der ein Cavallero ist, der in einem neuen Anzuge steckt?«

      »Nein; denn es kann auch einem feinen Manne geschehen, daß er gezwungen ist, die Schönheit des Aeußern außer acht zu lassen; aber Donna Elvira hat einen sehr ausgeprägten Sinn für diese Schönheit und fühlt sich von Ihnen abgestoßen.«

      »Hat sie mich denn gesehen? Die Dame schlief ja, als ich kam.«

      »Sie schlief allerdings; sie schläft überhaupt sehr gern, wenn sie nichts anderes zu thun hat; aber sie ist dann in den Hof gegangen, um Sie zu betrachten, und als sie Ihren Anzug sah, Ihre Stiefel, Ihren Hut, da meinte sie – — nun, Sennor, es ist doch wohl nicht so notwendig, daß ich mich noch deutlicher ausdrücke?«

      »Nein; ich verstehe Sie auch so, Don Geronimo, und werde, da ich der Donna nicht gefalle, mich nach einem anderen Hause umsehen.«

      Ich wendete mich zum Gehen; da hielt er mich zurück und sagte:

      »Halt! Warten Sie noch ein wenig! Es ist so einsam, wenn man keinen Gast im Hause hat, und Sie sehen mir doch nicht wie ein Bravo aus, den man fürchten muß. Ich möchte bei Donna Elvira ein gutes Wort für Sie einlegen. Dazu ist erforderlich, beweisen zu können, daß Sie mir nützlich sind. Spielen Sie vielleicht Domino?«

      »Ja,« antwortete ich, mich über diese Frage wundernd.

      »Gut! Kommen Sie herein! Wir wollen eine Probe machen.«

      Er schritt voran, und ich folgte ihm nach dem Innern des »Hotels«. Donna Elvira lag in ihrer Hängematte. Sennorita Felisa saß im Buffet bei einem Glase Rum. Die drei Buben waren nicht da; sie befanden sich draußen auf der Straße, wo sie sich mit ihresgleichen damit unterhielten, sich mit faulen Apfelsinen zu bewerfen. Don Geronimo holte die Dominosteine und lud mich ein, mich zu ihm an einen der Tische zu setzen. Als die Steine rasselten, bewegte sich Donna Elvira, und als ihr Gatte mir andeutete: »Nehmen Sie sechs; der höchste Pasch setzt an,« da hob sie den Kopf. Sennorita Felisa kam mit ihrem Glase herbei und setzte sich zu uns, um zuzusehen. Ich sah, was für Leute ich vor mir hatte. Die Menschen schliefen, wenn sie nicht Domino spielten, und spielten Domino, wenn sie nicht schliefen. Und dabei war Geronimo kaum ein leidlicher Spieler. Ich gewann die erste Partie, die zweite und auch die dritte. Bei der ersten freute er sich; bei der zweiten wunderte er sich, und bei der dritten rief er entzückt aus:

      »Sie sind ein Meister, Sennor. Sie müssen bei uns bleiben, damit ich von Ihnen lernen kann. Drei Spiele hat mir noch kein Mensch abgewonnen!«

      Die Wahrheit war, daß ich mir gar keine Mühe gegeben hatte; er spielte so mangelhaft, daß es gar keiner Berechnung bedurfte, um ihn zu besiegen. Er stand vom Tische auf und ging zu seiner Frau, mit welcher er leise flüsterte. Dann begab er sich hinter das Büffett, brachte ein Buch hervor, dazu ein riesiges Tintenfaß, legte oder stellte beides vor mich hin und sagte:

      »Donna Elvira ist so gütig gewesen, ihre Einwilligung zu erteilen, daß Sie hier bleiben können; schreiben Sie also Ihren Namen in dieses Fremdenbuch!«

      Ich schlug das Buch auf. Es enthielt lauter Namen, Zahlen und Daten; bei der zuletzt beschriebenen Seite lag die Feder, ein uralter Gänsekiel, dessen Schnabel fast genau soweit wie meine Stiefel vorn auseinander klaffte; auch er war mit einer harten, dicken Kruste überzogen.

      »Mit dieser Feder soll ich schreiben?« fragte ich belustigt.

      »Allerdings, Sennor. Es ist keine andere vorhanden, und Sie werden wohl auch keine bei sich führen.«

      »Aber das ist ja ganz unmöglich!«

      »Wieso? Ich sage Ihnen, seit ich dieses Hotel besitze, das sind nun fast zehn Jahre her, haben sich alle meine Gäste mit dieser Feder und mit dieser Tinte eingetragen.«

      Die Tinte war natürlich längst verhärtet.

      »Wie haben sie das angefangen?«

      »Mit Wasser, wie Sie sich leicht denken könnten, wenn Sie in der Kunst des Schreibens nur einigermaßen bewandert wären. Wenn man die Feder in heißem Wasser einweicht, wird sie so weich wie neu, ja noch viel weicher. Und gießt man heißes Wasser in das Faß, so bekommt man eine vollständig neue und außerordentlich gute Tinte. Da mein Haus einen lebhaften Zuspruch hat und jeder Gast sich hier eintragen muß, so wird bei mir ungewöhnlich viel geschrieben; ich darf also nicht verschwenderisch mit Tinte und Feder umgehen. Da Sie des Schreibens unkundig zu sein scheinen, so will ich den Eintrag für Sie vornehmen.«

      »Thun Sie das, Sennor; ich bitte sehr darum. Sie nehmen mir damit eine große Last von der Seele.«

      »Sehr


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