Satan und Ischariot II. Karl May

Satan und Ischariot II - Karl May


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gerichtet und hatte sie also nicht bemerkt. Er war mir bis jetzt gefolgt, ohne ein Wort zu sagen; nun aber schien ihn das rasche Gehen anzustrengen, und er sagte:

      »Wohin wollt Ihr mich denn eigentlich mit solcher Geschwindigkeit schleppen, Sir? Ich vermute, nach der Hazienda del Arroyo?«

      »Allerdings, wertester Master,« antwortete ich.

      »Zu Fuße! Wann denkt Ihr wohl, daß wir da ankommen werden, zumal Ihr einen ganz falschen Weg einschlagt?«

      »Es ist genau derselbe Weg, auf dem ich gekommen bin, und ich meine, daß es der richtige ist.«

      »Nein, es ist ein Umweg. Wenn wir auf den geraden und richtigen kommen wollen, müssen wir uns viel weiter nördlich halten. So ein erfahrener Prärieläufer, wie Ihr seid, sollte das wissen!«

      »Der gerade Weg würde für mich der falsche sein; das wißt Ihr ganz genau, und darum wollt Ihr mich verleiten, ihn einzuschlagen. Da oben im Norden halten Eure Yumas; dort geht ihre Postenlinie nach der Hazienda, und dort würden wir auch auf Weller treffen, weicher, und zwar jedenfalls nicht allein, sondern mit Indianerbegleitung, ausgeritten ist, um auszukundschaften, wo ich mich mit Winnetou befinde. Ihr seht, daß der Vogel nicht so dumm ist, auf Euren Leim zu gehen.«

      Er sah sich durchschaut, ärgerte sich darüber und machte diesem Aerger durch den höhnischen Ausruf Luft:

      »Also fürchtet sich Old Shatterhand, der sich sonst doch für einen so großen Helden ausgibt!«

      Vorsicht ist noch lange nicht Furchtsamkeit, Master, und für einen Helden habe ich mich noch nie gehalten und auch noch nie ausgegeben. Ich gestehe Euch aufrichtig und unumwunden, daß ich zum Beispiel bei meinem gegenwärtigen Unternehmen ein Glück gehabt habe wie noch nie in meinem ganzen Leben. Ihr kennt den Umfang desselben noch gar nicht.«

      »Ah,« lachte er grimmig auf, »ich kenne ihn doch! Zwei Menschen dringen trotz der Bewachung von soviel Indianern in Almaden ein und holen mich heraus! Das ist allerdings ein ganz unbeschreibliches Glück. Ihr habt aber dabei doch auch Unglück gehabt, denn die Deutschen habt Ihr nicht gefunden und auch nicht das, was Ihr da oben in meiner Stube suchtet. Und noch viel weniger

      Glück werdet Ihr von jetzt an haben. Weller wird nicht eher ruhen, als bis er seinen Sohn befreit hat, und dann mit den Yumas über Euch herfallen. Ich rate Euch also an, es nicht mit mir zu verderben, denn Ihr geratet ganz gewiß in unsere Hände, und dann werde ich Euch genau mit demselben Maße messen, mit welchem Ihr mich jetzt behandelt.«

      »Das mag Euch unbenommen bleiben, Sir. Ich gestehe Euch aber, daß Ihr mich mit Weller nicht ängstlich machen könnt. Seinen Sohn kann er nicht befreien, denn dieser ist von dem Herkules erwürgt worden, und wenn wir den Alten ergreifen, was ich mit Sicherheit erwarte, so werden wir wegen Mordversuches sehr kurzen Prozeß mit ihm machen. Hat er Euch erzählt, daß sein Sohn in unsere Hände geraten ist, so wird er Euch wohl auch gesagt haben, daß er mit ihm den Herkules ermorden wollte. Da dieser aber einen äußerst harten Schädel besitzt, ist ihm der Kolbenhieb ganz gut bekommen und er wartet mit Schmerzen darauf, mit dem Alten ebenso abrechnen zu können, wie er mit dem jungen abgerechnet hat.«

      Melton sah mich eine ganze Weile betroffen an und rief dann aus:

      »Der kleine Weller tot! Ihr wollt mir damit doch wohl nur einen krassen Bären aufbinden?«

      »Ganz und gar nicht. Ich versichere Euch mit meinem heiligen Worte, daß er zwischen den gewaltigen Fäusten des Athleten entschlafen ist, und der Alte wird demselben Schicksale wohl schwerlich entgehen. Wenigstens befürchte ich nicht, daß er mit den Yumas über uns herfallen wird. Diese vortrefflichen Menschen werden wohl, wenn es nicht bereits geschehen ist, sehr bald zu der Einsicht gelangen, daß Eure Freundschaft eine verräterische und sehr gefährliche ist.«

      »Möchte den Grund wissen!« spottete er.

      »Dieser Grund heißt »listige Schlange«.«

      »Inwiefern? Er ist mein treuester Verbündeter und wird Weller alle seine Krieger gegen Euch zur Verfügung stellen.«

      »Ihr meint, daß Weller dies von ihm verlangen wird?«

      »Ja, sobald er mein Verschwinden erfährt.«

      »So, so! Ich denke, daß im Indianerlager nicht nur von Eurem Verschwinden, sondern auch von demjenigen der »listigen Schlange« die Rede sein wird. Oder solltet Ihr noch nicht wissen, daß der Häuptling ganz plötzlich verschwunden ist?«

      »Ich weiß kein Wort. Verschwunden? Wohin denn?«

      »Hinunter in den Schacht!«

      Er wendete mir bei diesen Worten sein Gesicht mit einem so scharfen Rucke zu, als ob er einen Schlag an den Kopf erhalten habe, sah mich mit großen, starren Augen und weit offenem Munde an und rief dann aus:

      »In den Schacht? Wie meint Ihr das?«

      »O, gar nicht anders, als wie es in Wirklichkeit geschehen ist. Er ist im Schachte unten eingesperrt und zwar von derselben Person, welche auch die schöne Judith unten eingeriegelt hat.«

      »Judith?« fragte er wie abwesend.

      »Freilich, Judith. Sie verzichtete auf das Gold, die edlen Steine, den Palast und das Schloß, auch auf die schönen Kleider, welche ihr versprochen worden waren, weil ihr in Beziehung auf ihren Vater nicht Wort gehalten wurde und weil der Häuptling ihr das alles auch geben wollte. Da wurde sie in den Schacht gelockt und dort eingesperrt von einem gewissen Melton.«

      »Mensch, seid Ihr bei Sinnen?!«

      »Sogar sehr! Sie wurde eingesperrt, obgleich sie gedroht hatte, daß der Häuptling nach ihr suchen und sie von Euch fordern würde. Sie hatte sich nämlich am Abende vorher mit dem Häuptlinge verlobt und diesen auf Eure Absichten aufmerksam gemacht. Als die Jüdin verschwunden war, kam der Häuptling, um sich bei Euch nach ihr zu erkundigen. Er wurde überwältigt und auch in den Schacht geschafft.«

      »Mann, Ihr redet da einen Roman, der geradezu unmöglich ist!«

      »Es klingt allerdings wie ein Roman, wie eine phantastische Erfindung, wenn ich sage, daß er in dasselbe Loch gesperrt wurde, in welchem Judith steckte.«

      »Ihr tut ja, als ob Ihr allwissend wäret!«

      »Der Mensch braucht nicht allwissend zu sein, um von dem, was er gesehen und gehört hat, reden zu können.«

      »Wie? Was?« fragte er, indem seine Stimme einen angstvollen Ausdruck annahm und seine Augen aus ihren Höhlen treten wollten. »Ihr wollt das gesehen und gehört haben?«

      »Ich will nicht nur, ich behaupte es nicht bloß, sondern es ist in Wirklichkeit so.«

      »Dann müßtet Ihr doch unten im Schachte gewesen sein!«

      »Das ist allerdings der Fall.«

      Er blieb stehen, starrte mich abermals wie im Traume an und fragte:

      »Wie wollt Ihr denn wieder heraufgekommen sein?«

      Da es nicht meine Absicht war, ihm die Wahrheit zu sagen, antwortete ich:

      »Kann ich nicht an der Kette des Förderkastens heraufgeturnt sein?«

      »Nein, denn ich habe dann den Kasten ganz aufgewunden.«

      »Ah, jetzt kommt‘s! Ihr sagt, daß Ihr den Kasten dann aufgewunden habt. Mit diesen Worten habt Ihr Euch soeben vergessen, ein Geständnis abzulegen!«

      »Nun zum Henker, ja! Mag es meinetwegen ein Geständnis sein! Ich habe es nur zu Euch gesagt, werde es zu keinem andern wiederholen, und was Ihr behauptet, wird man nicht glauben. Uebrigens werdet Ihr gar nicht zu einer solchen Behauptung kommen, denn Weller wird bald dafür sorgen, daß Euch die Lunge den giftigen Atem versagt. Ihr scheint mit dem Satan im Bunde zu stehen, denn nur dieser kann es sein, der Euch hinunter in den Schacht geführt hat. Aber verlaßt Euch nicht zu sehr auf ihn! Der Teufel ist ein schlechter Freund und läßt einen gerade dann im Stiche, wenn man seine Hilfe am nötigsten hat!«

      »Ja, das habt Ihr wohl genügsam an Euch selbst erfahren, und gerade jetzt fühlt Ihr Euch ganz und gar von ihm verlassen,« antwortete ich, indem ich mich von ihm abwendete, denn ich möchte behaupten, daß der Anblick seines


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