Von Bagdad nach Stambul. Karl May

Von Bagdad nach Stambul - Karl May


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mich umzusehen, trieb ich meine Pferde die steile Böschung empor; dann nahm der schützende Wald uns auf. Hier ging es wegen des bösen Bodens nur langsam vorwärts, zumal wir einen Umweg machen mußten. Doch gelangten wir bald auf einen besseren Pfad, wo wir unsere Tiere ausgreifen lassen konnten.

      Da hörten wir hinter uns ein lautes Geschrei, aber uns blieb keine Zeit, über dessen wahre Ursachen Vermutungen anzustellen. Vorwärts!

      Wir hatten einen weiten Bogen zu reiten gehabt, und ganz dahinten, wo dieser Bogen begann, zeigten sich jetzt zwei Reiter. Sobald sie uns bemerkten, kehrte der eine wieder um, während der andere uns folgte.

      »Galopp, den schärfsten Galopp, sonst komm‘ ich um meinen Hengst!« rief ich. »Wir werden die Bebbeh gleich auf den Hacken haben!«

      Unsere Wahl war eine gute gewesen, denn die Pferde zeigten sich als vorzügliche Renner. Bald kam unsere Waldecke in Sicht. Wir erreichten sie und hielten hinter den Bäumen an. Ich sah nur Allo.

      »Wo ist der Emir?« fragte ich ihn.

      »Droben beim Pferde.«

      »Hier hast du eine Flinte. Steige auf diesen Fuchs; er ist dein!«

      Ich gab ihm die Flinte des Scheiks und rannte dann bergauf, der Höhle zu. Sie war eine Viertelstunde entfernt, aber ich glaube, ich war nicht später als in fünf Minuten oben. Da saß Lindsay.

      »Schon da, Master? Oh! Ah! wie gegangen, heh?«

      »Gut, gut! Aber wir haben jetzt keine Zeit, denn wir werden verfolgt. Rennt aus allen Leibeskräften hinab, Sir; unten steht ein Pferd für Euch!«

      »Verfolgt? Ah! Schön! Prächtig! Pferd für mich? Gut! Well!«

      Er stürzte mehr, als er ging, den Berg hinab. Ich band meinen Rappen ab und führte ihn den Berg hinunter. Das ging leider nicht so schnell, als ich es wünschte, und als ich unten anlangte, saßen die andern schon längst auf ihren Tieren, und Halef hielt das sechste Pferd an der Hand.

      »Das dauerte lang, Effendi,« sagte Mohammed Emin. »Sieh, es ist bereits zu spät!«

      Er deutete hinaus, wo eben der erste Reiter, welcher uns gefolgt war, sichtbar wurde. Ich blickte ihn scharf an und erkannte meinen Mann.

      »Erkennt ihr diesen Menschen?« fragte ich.

      »Ja, Sihdi,« antwortete Halef. »Es ist der Dschiaf von gestern.«

      »Er ist ein Bebbeh und hat uns verraten. Laßt ihn vorüber, und dann wird er unser.«

      »Aber wenn mittlerweile die andern kommen?«

      »So schnell geht das nicht. – Sir David! Wir reiten voran und nehmen diesen Reiter zwischen uns. Will er sich wehren, so schlagen wir ihm die Waffen aus der Hand.«

      »Schön, Master! Prächtig! Yes!«

      Jetzt verschwand der Bebbeh hinter der nächsten Krümmung des Weges, und wir verließen unser Versteck. Als ich mit Lindsay diese Krümmung erreichte, waren wir ihm auf fünfzig Schritte nahe. Er hörte uns kommen und drehte sich um. Er erkannte uns und war über unsern Anblick so erschrocken, daß er unwillkürlich sein Pferd anhielt. Er hatte uns vor sich geglaubt und erblickte uns nun hinter sich. Ehe er die Fassung wieder erlangte, hatten wir ihn gepackt.

      Da griff er nach dem Messer. Ich faßte seine Faust und drückte sie ihm so, daß er es fallen ließ. Und während Lindsay ihm die Lanze entwand, zerschnitt ich den Riemen, an dem seine Flinte ihm über den Rücken hing; sie fiel herab. Er war entwaffnet und sein Pferd jagte mit den unsrigen in vollem Lauf dahin. Da ergab er sich in sein Schicksal.

      So ging es immer dem Süden zu, und als wir einen tüchtigen Vorsprung gewonnen zu haben glaubten, mäßigten wir unser Tempo, und Allo ritt als Wegweiser voran.

      »Was tun mit diesem Kerl, Master?« fragte nun Lindsay.

      »Bestrafen!«

      »Yes! Falscher Dschiaf! Welche Strafe?«

      »Weiß es nicht. Wir werden darüber beraten.«

      »Schön! Session! Oberhaus! Unterhaus! Well! Wie habt Ihr die Haddedihn losgemacht?«

      Ich erzählte es ihm in kurzen Umrissen. Als ich an das Unschädlichmachen der Pferdewache kam, hielt ich plötzlich in meinem Berichte inne.

      »O wehe! Was habe ich getan!«

      »Was, Master? War ja alles gut!«

      »Ich habe in der Eile vergessen, meinen Hund von dem Manne wegzurufen!«

      »Oh! Ah! Unangenehm! Wird nachkommen!«

      »Nie! Er ist bereits tot, und die Wache auch.«

      »Warum gleich tot?«

      »Sobald er angerührt oder sonst bedroht wird, zerreißt er dem unter ihm liegenden Mann die Gurgel. Dann werden ihn die Bebbeh natürlich erschossen haben. Ich könnte wahrhaftig nur dieses Hundes wegen umkehren und mich in die größte Gefahr begeben. Aber leider wäre es erfolglos!«

      Ueber den Verlust des treuen, klugen Hundes geriet auch Halef in Bestürzung, und ich verbrachte die noch übrigen Stunden des Nachmittags in tiefer Verstimmung. Am Abend machten wir Halt, und nun erst wurde der Bebbeh gefesselt. Trotz unserer Eile hatte Halef Zeit gehabt, dem ledigen Pferde den erst angeschnittenen Rehbock aufzuladen, und so war für einen hinreichenden Imbiß gesorgt.

      Nach dem Mahle wurde der Gefangene ins Verhör genommen. Er hatte bisher noch kein Wörtchen gesprochen. Jedenfalls ließ er nur deshalb alles so geduldig über sich ergehen, weil er hoffte, daß die Seinen sehr bald erscheinen und ihn befreien würden.

      »Höre, Mann,« begann ich die Verhandlung, »was bist du? Ein Dschiaf oder ein Bebbeh?«

      Er antwortete nicht.

      »Beantworte meine Frage!«

      Er zuckte nicht mit der Wimper.

      »Halef, nimm ihm den Turban ab und schneide ihm die Haarlocke herunter!«

      Das ist die größte Entehrung, die einem Kurden und überhaupt einem Muselmann widerfahren kann. Als Halef, das Messer in der Rechten haltend, mit der Linken nach der Locke griff, bat der Mann:

      »Herr, laß mir mein Haar! Ich will antworten.«

      »Gut! Welchen Stammes bist du?«

      »Ich bin ein Bebbeh.«

      »Du hast uns gestern belogen!«

      »Einem Feinde braucht man nicht die Wahrheit zu sagen.«

      »Deine Grundsätze sind diejenigen eines Schurken. Du hast ferner das, was du behauptetest, bei dem Barte des Propheten beschworen!«

      »Einen Schwur, den man einem Ungläubigen gibt, braucht man nicht zu halten.«

      »Du hast ihn auch Gläubigen gegeben; es sind deren vier unter uns!«

      »Das geht mich nichts an.«

      »Ferner hast du mich einen Dummkopf genannt!«

      »Das ist eine Lüge, Herr!«

      »Du sagtest, wir alle seien dumm, ich aber sei der allerdümmste! Es ist wahr, denn diese meine eigenen Ohren haben es gehört – hinter dem Lager, als ihr dort die Pilze schnittet. Ich lag hinter dem Busche und hörte euch zu; dann nahm ich euch eure Gefangenen und eure Pferde. Du magst also sehen, ob ich wirklich ein so großer Dummkopf bin!«

      »Verzeihe, Herr!«

      »Ich habe dir nichts zu verzeihen, denn das Wort aus deinem Munde kann einen Emir aus Frankhistan nie beleidigen. Gestern ließ ich dich frei, weil du mir leid tatest; heut befindest du dich wieder in meiner Hand. Wer ist da wohl der Kluge von uns? – Bist du der Bruder des Scheik Gasahl Gaboya?«

      »Ich bin es nicht.«

      »Hadschi Halef, schneide ihm die Locke ab!«

      Das half auf der Stelle.

      »Wer hat dir gesagt, daß ich es bin?« fragte er.

      »Einer, der dich kennt.«

      »So sage, welches Lösegeld verlangst du?«

      »Ihr


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